Dass Popstars ihr neues Album gerne mal in etwas exklusiverem Rahmen vorstellen, ist nicht neu. Aber nur Robbie Williams bucht dafür gleich die Londoner Royal Albert Hall samt Orchester.


Clark + Enthoven present: One Night With Robbie Williams! In Person Live! On Stage! By Popular Demand! Abgesehen davon, dass Bescheidenheit noch nie die ganz große Stärke von Robbie Williams war, ist das alles ziemlich gut gemacht. Diese Zeilen stehen nämlich in einer Schriftart und Farbe auf der großzügig dimensionierten Leinwand in der Royal Albert Hall zu London, wie sie in den Fünfzigern und Sechzigern auch von den Neonanzeigen der großen Theater und Casinos in Amerika leuchteten. Liebe zum Detail nennt man so was wohl.

Auf den Sitzen liegen Programmheftchen wie es sich für so einen Abend gehört mit Goldrand – aus, die einen schon mal auf das vorbereiten sollen, was da gleich passiert: „Good evening swingin‘ lovers and welcome to the Royal Albert Hall. Tonight, a little bit of vintage Las Vegas comes to London. Robbie Williams Live At The Albert is a one-off-show-to-end-all-shows that will see Britain’s premier performer sing, dance and make his own unique brand of merry mayhem.“ Kurzum, ein kurzweiliger Abend steht an. Mit Stil.

„Strictly Black Tie Only“ nämlich steht auf den Tickets. Will heißen: Einlass nur mit schicker Tapete, Smoking und Abendgarderobe sind Pflicht. Und alle halten sich brav dran. Zwei Mädels haben sich für diesen Anlass eigens ein Kleid geschneidert. Aus weißem Stoff, den sie vorher mit Schwarz-weiß-Bildern von Robbie bedruckt haben. Robbiemania auf höchstem Niveau. Auf dem bewegen sich auch die Ticketpreise, die sich nur mit einem Wort beschreiben lassen: skandalös. Okay, die Engländer mögen es als erstrebenswertes Ziel ansehen, der Schweiz den Rang als Hochpreisland abzulaufen, aber 150 Pfund – umgerechnet knapp 470 Mark – für eine Karte der mittleren Kategorie, das geht dann doch einen Tick zu weit. Genauso wie die vier Pfund für ein Döschen Dünnbier, das sie einem dann auch noch im Pappbecher servieren. Vodka Martini oder ein gepflegter Highball wären dem Abend angemessener gewesen. Gibt’s aber nicht. Und wenn, wären sie nicht zu bezahlen. Ein verlebter älterer Herr im schlecht sitzendem Smoking und mit für sein Alter viel zu langen Haaren macht den deprimierenden Aufenthalt am Getränkestand im Foyer dann doch noch ganz unterhaltsam. Denn wann steht man schon mal mit Jimmy Page beim Bierholen? Plötzlich Promialarm. Im Gang huscht ein grau melierter John Deacon vorbei, die Kollegen wollen George Michael gesichtet haben. Es geht das Gerücht, dass Nicole Kidman als Überraschungsgast mit Robbie im Duett zu „Somethin‘ Stupid“ antritt. Sie tut es nicht. Sondern sitzt mit Regisseur Stephen Daldry („Billy Elliot“) in einer noblen Box und sieht rüber zu Rupert Everett, der als Conferencier vom Balkon aus durch den Abend führt:

„Ladies and gentlcmen, you thought he was a thin boy in a boyband who tumed into a fat slob in rehab and you were right… wrong… right – the most paranoid man in showbiz: Robbie Williams“, kündigt er ihn an, da lässt dieser sich auch schon über eine Feuerwehrstange auf die Bühne gleiten. Schwarzer Anzug, frisch gefärbte schwarze Haare – Ähnlichkeiten mit dem jungen Sinatra sind voll beabsichtigt. „Have You Met Miss Jones“, das er ja schon für den Soundtrack zu „Schokolade zum Frühstück“ in einer Karaoke-Version einsang, diesmal live mit einem 58-köpfigen Orchester. Dazu 20 Tänzerinnen. Eine Hommage an die „coolest men that ever lived“, Frank Sinatra, Dean Martin und Sammy Davis Jr nämlich, soll es werden. Und dafür hat der ehemalige Take-That-Kasper, dem man am allerwenigsten eine Solokarriere zugetraut hätte, nichts dem Zufall überlassen. Die Show ist bis ins Letzte durchchoreographiert, für die Späßchen wurde eigens Richard Curtis, der Autor von „Notting Hill“, engagiert. Da kann nichts schiefgehen. Nicht einmal bei musikalischen Stolperfallen wie „Mack The Knife“ (Weill, Brecht) oder „They Can’t Take That Away From Me“ (George Gershwin).

Die „Times“ nörgelt tags darauf rum, dass Robbie genauso wenig dafür geschaffen sei, Songs von Sinatra zu singen „like the bloke from Travis playing a set of Jimi Hendrix Covers“. Mister Robert Peter Williams himself sieht das zu Recht anders: „Für mich geht ein Traum in Erfüllung, ich singe diese Songs, seit ich ein kleiner Junge war“, erzählte er im Vorfeld. Und Guy Chambers, sein Produzent und Co-Autor,’ergänzt: „In den viereinhalb Jahren, die ich jetzt mit Robbie zusammenarbeite, habe ich ihn noch nie so begeistert gesehen wie bei den Aufnahmen zu ‚Swing When You’re Winnning'“. Und bei aller Skepsis gegenüber dieser Platte (Kritik S. 73), allein der Titel ist schon genial. Einfach einen Buchstaben zu „Sing When You’re Winning“ hinzugefügt und fertig ist die Laube. Jeder Werbefuzzi würde schreien vor Begeisterung. Aber das ist nur ein Puzzleteilchen. Direkt im Anschluss an seinen Triumphzug durch ausverkaufte Hallen und Stadien schob Robbie mit „Somebody Someday“ ein amüsantes Buch nach, drehte zu „Eternity‘ eines der besten Videos des Jahres (zu dem es mit dem Clip zu „Road To Mandalay“ auch noch ein überragendes Prequel gab), und jetzt, pünktlich zum Weihnachtsgeschäft, folgt ein Album mit Swing-Standards, in perfekter Marketingmanier angeschoben von einem einmaligen Event und dessen medialer Multiplikation (einstündige Zusammenfassung am 16.11. im ZDF, siehe auch S. 88; DVD kommt am 3.12.). Vom Video zur Single „Somethin‘ Stupid“ (im Original interpretiert von Lee Hazlewood und Nancy Sinatra) ganz zu schweigen. Fast nackt sollen Robbie und seine Duettpartnerin Nicole Kidman darin zu sehen sein. Die Ex von Tom Cruise trägt angeblich nichts weiter als ein absurd teures Diamanten-Halsband – 20 Millionen Mark, munkelt man – und eine edle Handtasche, der Robster bedeckt seine Kronjuwelen einzig mit einer 60.000 Mark schweren Armbanduhr. Sollte reichen, um in die Rotation zu kommen. Und die Klatschblätter dürfen derweil verbreiten, dass Robbie nach Drehschluss die Suite von Nicole Kidman erst um drei Uhr morgens verlassen habe. Wahr oder gut erfunden? Egal. Coole Sau, der Robbie. Dean Martin wäre so stolz auf ihn.

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