Dauerbrenner


Sting ist seit mehr als zwei Jahren fast ununterbrochen on the road. Jetzt führt ihn sein Weg wieder nach Deutschland.

Edler Wein und feiner Käse gewinnen bekanntlich mit dem Alter an Qualität, Rockstars leider eher selten. Belege für diese bedauerliche Tatsache gibt es bekanntlich haufenweise. Die Ausnahme von der Regel: Der am 2. Oktober 1951 in Newcastle Upon Tyne, England, als Sohn eines Milchmannes und einer Friseuse geborene Gordon Matthew Sumner, weltweit wesentlich besser bekannt als Sting. Es war der Posaunist Cordon Soloman, der Sting diesen Spitznamen verpasste, als er eines Tages in einem schwarzgelb gestreiften Fußballjersey zu den Proben erschien. „Du siehst aus wie ein Stinger“ (US-Slang für Biene), bemerkte Soloman damals. Das „Stinger“ saß dem Sänger fortan wie ein permanenter Bienenstich im Genick (freilich reduzierte er ihn später auf das griffigere Kürzel „Sting“).

Die beiden spielten in der Combo The Phoenix Jazzmen, einer von vielen Jazzbands, denen Sumner vor seinem Einstieg bei The Police angehörte. Diese (Jazz-)Lehrjahre bildeten das Fundament für den späteren Police-Dienst, bei dem Sting zusammen mit seinen Bandkollegen Andy Summers und Stewart Copeland knifflige Jazzrhythmen mit komplexen Reggae-Grooves zum elektrisierenden Police-Sound verschmolz. Was wiederum die Basis für die 1985 begonnene Solokarriere bildete, in der Sting einem musikalischen Octopus gleich verschiedenste Stilrichtungen wie Pop, Reggae, Jazz und Ethno umarmt. Das verleiht seinen Konzerten letztlich ihren Reiz.

Vor Souveränität nur so strotzend

steht dieser Sting also auf der Bühne der „Blue Cross Arena“ in Rochester (im US-Bundesstaat New York am Lake Ontario an der kanadischen Grenze gelegen). Die Stimme des 49-Jährigen, klar und kraftvoll zugleich und von exquisiter Intonation, weist keinerlei Rostansatz auf. Ebenso wie der gestählte Body, an dem nicht auch nur das kleinste Fettpölsterchen zu finden ist.

Wie gewohnt in ein ärmelloses schwarzes Unterhemd und eine dunkle Leinenhose gekleidet, beweist Sting bereits in dem mit nahöstlichen Klängen durchwobenen, live jedoch eine Spur zu pompös aufbereiteten Opener „A Thousand Years“, dass er in Topform ist. Sting zuzuhören, wie er voll überschäumender Fröhlichkeit „Every Little Thing She Does Is Magic“ intoniert oder die Sample- und Remix-Patina der letzten Jahre von „Every Breath You Take“ einfach wegpustet und den Song so singt, wie der Police-Klassiker im Original klang, ist der reine Genuss. Unterstützt von einer fünfköpfigen Begleitcombo -wieder mit dabei: der langjährige Gitarrist Dominic Miller, Drummer Manu Katche und Trompeter Chris Botti -, präsentiert Sting einen loominütigen Mix aus musikalischen Trüffeln und einigen wenigen trockenen Pumpernickelscheiben sowie einer vollen Kelle von Publikumsfavoriten. Diese beinhalten bestens mitzugrölende Refrains wie „Eeyo-oh/ee-yo-oh“ in „Every Little Thing She Does Is Magic“, „Sending out an S.O.S.“ in „Message In A Bottle“ oder „Put on the red light!“ in der Reggaelastigen, ausgedehnten Version von „Roxanne“. Sting-Konzerte sind freilich primär ein Ohrenschmaus und nur eine minimale Augenweide, da macht auch dieser Abend keine Ausnahme. Die Perlen: der von kräftigen Gospelharmonien untermalte und auf Chris Bottis samtig weichem, jazzigen Trompetensound durch den Saal schwebende Klassiker „If You Love Somebody Set Them Free“, die sanft melodische Ballade „Fields Of Gold“, das nahtlose Überblenden des von schweren Gitarrenriffs dominierten neuen Songs „After The Rain Has Fallen“ in den bewährten Bringer „We’ll Be Together“, das von Gitarren- und Keyboardkaskaden übersprudelnde „All This Time“, ein unplugged und von Sting solo als Zugabe präsentiertes „Message In A Bottle“ und natürlich auch „Brand New Day“. Der Titelsong des aktuellen Albums mit dem genüsslich dahinschlürfenden Beat bringt das Publikum schon nach Sekunden vor Begeisterung auf die Beine. Ein paar Durchhänger gab’s aber auch: „Mad About You“ in einer unnötig komplexen Interpretation und „Moon Over Bourbon Street“, das trotz der emsigen Bemühungen von Trompeter Chris Botti, dem Titel ordentlich Leben einzublasen, wie ein Rohrkrepierer verpufft. Als weitere Durststrecke sogar für Fans entpuppt sich der Country-angehauchte Song „Fill Her Up“, den viele im Publikum ganz offensichtlich als Aufforderung missverstanden, den Weg zum Bierausschank anzutreten.

Was auch daran liegen mag, dass Sting nie die quirlige Bühnenpräsenz von Kollegen wie etwa Rock’n’Rollmops Elton John erreicht. Was nicht heißen soll, Mr. Sumner besäße keinen Humor. „Ihr könnt mich nicht verklagen, nur weil ich eure Freundinnen anglotze“, meint der flotte Fast-Fünfziger (in Anspielung auf seinen Gastpart in der TV-Serie „Ally McBeal“) nach „Perfect Love… Gone Wrong“ zu den wenigen mitgeschleppten Boyfriends und Männern des von Mädchen und Frauen klar dominierten Publikums. Und mit coolem Tony Blair-Charme fügt er hinzu: „Das ist schließlich mein Job.“ Ein kollektives Seufzen ist die Antwort.

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