David Crosby


Keine Ansage, keine Fanfaren, kein Trockeneisnebel. Nicht einmal ein Spot, als David Crosby aus den Kulissen gewatschelt kommt. Er stellt sich einfach in der Mitte der Bühne auf, und ein vollgepacktes New Yorker Theater überschlägt sich vor Begeisterung. Das ist Liebe, kein Zweifel, ein großer sentimentaler Augenblick. Crosby strahlt, rosige Pausbacken unter dem Schnauzbart, stolzgeschwellt; er sonnt sich wie ein Seelöwe auf seinem Felsen in der Zuneigung der Menge. Nachdem er ein Jahrzehnt lang alles gespritzt, geschnupft, geschluckt und geraucht hat, was einen Menschen umbringen kann, feiert er nun seinen Sieg über die Gesetze der Wahrscheinlichkeit – und das Publikum feiert begeistert mit.

Ein Roadie taucht auf und schnallt eine Gitarre um Crosbys enorme Gürtellinie. „Tracks In The Dust“ beweist, daß seine Stimme nichts von ihrer Chorsänger-Klarheit verloren hat. In „Compass“, geschrieben in einem texanischen Gefängnis, blickt er nüchtern auf seine eigene Geschichte. „Ich habe zehn Jahre mit verbundenen Augen vergeudet“, singt er, begleitet von sparsamen Gitarrenklängen, jenen schrägen, jazzähnlichen Akkorden, die von jeher sein Markenzeichen sind.

Dann kommt die Band. Eine rauhe vierköpfige Truppe, dominiert von Mike Finnegans lärmender Hammond-Orgel und Dan Dugmores kompakter, präziser Blues-Gitarre. Die nächsten zwei Stunden wühlen sie tief in Crosbys musikalischer Schatztruhe und machen selbst aus den eher peinlich wirkenden Stücken noch etwas. Was ist alberner als ein 48jähriger Mann, kahl bis auf ein paar kunstvoll um den Schädel gewundene Strähnen, der 1989 singt „Almost Cut My Hair“? Aber die Schärfe und Gradlinigkeit der Band rettet auch diesen Song, sie sehen ihn mit soviel seinem Felsen Vew an, daß die Dämlichkeit des Textes (der bereits 1969 ziemlich blöd war) einfach untergeht. „Deja Vu“, ein weiteres zeittypisches Stück über Reinkarnation und so, wird ebenfalls, nun ja, zu neuem Leben erweckt: Dugmores Solo explodiert in geisterhaften Feedbacks und unheimlichen Obertönen.

Am besten sind trotzdem die neuen Stücke. z.B. „Drive My Car“. eine Vollgas-Angelegenheit mit soviel Energie, daß einem die Vorzüge eines tugendhaften Lebens schlagartig klar werden. Der „alte“ Crosby hätte niemals die Kraft gehabt, solch ein Stück ganz durchzuspielen.

„Ich habe euch ja gesagt, diese Band ist heiß!“, zwitschert Crosby. Eine Schande, daß er sie für ein paar Nummern verabschiedet, um Graham Nash auf die Bühne zu holen. Das Publikum schluchzt natürlich in nostalgischer Ekstase, aber ich bin froh, daß es sich nur um eine kurze Einlage handelt – der einzige Punkt, an dem dieses Konzert an Schwung verliert.