DEPECHE MODE


Depeche Mode präsentieren vor geladenen Gästen ihr neues Album – ohne Zugaben und Überraschungen.

„Ich hab’s nicht gepackt, Oida“, entrüstet sich Sabrina, die für eine Konzertveranstaltungsagentur arbeite: „Bei ‚Wetten dass..?‘ haben’s gestern Playback g’spielt!“ Manu, die bei einer Plattenfirma angestellt ist, antwortet: „Den Gig heute spielen’s sowieso nur, weil’s dafür mehr Kohle kriegen als sonst.“

Die Auftritte von Depeche Mode beim „Echo“ und bei Markus Lanz in den Tagen zuvor haben bei manch strengem Konzertbesucher einen üblen Nachgeschmack hinterlassen. Auch die Tatsache, dass das „Album Launch Event“ in Wien von einem Mobilfunkanbieter gesponsert wird, bringt der Band keine Coolness-Punkte. Dennoch: Wer heute Abend hier ist, kann sich glücklich schätzen, denn kaufen konnte man Tickets nicht. Neben Industriemenschen und Adabeis wie Markus Kavka und H.P. Baxxter wuseln also aufgeregte Gewinner durchs MuseumsQuartier, die sich freuen, Depeche Mode in einem solch „intimen“ Rahmen sehen zu dürfen: gemeinsam mit 1 400 anderen Menschen in Halle E, die so groß ist wie ein Tenniscourt.

Als die Band pünktlich um 21 Uhr die Bühne betritt, können Zuschauer in den hinteren Rängen nicht erkennen, wie gut Dave Gahan aussieht. Weder seine frühere Drogensucht, die ihn an die Schwelle zum Tod (und darüber hinaus) führte, noch die Entfernung eines Blasentumors vor vier Jahren haben optische Spuren an dem 50-Jährigen hinterlassen. Wenn er später „try walking in my shoes“ singt, klingt das wie eine Aufforderung, öfter ins Fitnessstudio zu gehen.

Zunächst allerdings arbeitet man sich pflichtschuldig durch ein paar neue Songs: Unaufdringlich wabern die Synthesizer bei „Angel“ und „Should Be Higher“. Gahan lässt die Hüften kreisen und gestikuliert wie ein toll gewordener Nick Cave. Martin Gore benutzt daneben seine Gitarre hauptsächlich zum Festhalten, um beim Mitwippen nicht umzufallen. Andy Fletcher signalisiert seine Ausgelassenheit durch zeitweiliges Heben der linken Hand.

Bald haben sich die Musiker ihrer Jacketts entledigt. Man ist aufgewärmt, es geht zur Sache. Die ersten Hits von SONGS OF FAITH AND DEVOTION und ULTRA stampft Schlagzeuger Christian Eigner in Grund und Boden. Für den gebürtigen Wiener ist das heutige Konzert ja eine Art Heimspiel. Vielleicht meint es der Soundmann deswegen ein bisschen zu gut mit ihm.

Dann geht Gahan von der Bühne, und Gore tritt ans Mikro. Es ist Tradition, dass sich der Songwriter bei Konzerten ein paar Minuten im Mittelpunkt gönnt. Was überrascht, ist der Song, den er dafür auswählt: „Only When I Lose Myself“, zuletzt gespielt auf der „Singles Tour“ 1998. Möglicherweise hat sich Gore an das Stück erinnert, als er unlängst für „Heaven“ einen ganz ähnlichen Text noch einmal schrieb.

Ein denkwürdigerer Song ist „Personal Jesus“. Den beginnt Gore im Zeitlupentempo, was ein wenig an Gitarre-Üben im Kinderzimmer erinnert. Das Publikum stört’s wenig. Es ist damit beschäftigt, den Moment mit seinen Handycams einzufangen. Der Sponsor wird sich freuen.

Nach knapp einer Stunde endet die Promoveranstaltung mit dem obligatorischen „Enjoy The Silence“. Zugaben gibt es keine. „Was nix kost‘, is a nix wert“, sagt Sabrina beim Hinausgehen. So schlimm war es dann doch nicht.

SETLIST

Angel Should Be Higher Walking In My Shoes Barrel Of A Gun Heaven Only When I Lose Myself Personal Jesus Soft Touch/Raw Nerve Soothe My Soul Enjoy The Silence