Dick Dale


Quentin Tarantino und ‚Pulp Fiction‘ sei Dank: Seit die 62er-Nummer ‚Misirlou‘ von Dick und seinen Del-Tones Travolta & Co. auf der Leinwand begleitete, ist der Stakkato-Picker und Surf-Erfinder zu spätem Ruhm bei einem Breitenpublikum gekommen. Demographisch betrachtet an diesem Abend: Größtenteils männlich, zwischen 18 und 50, vom Rasta-Boy bis zum Original-Rocker.

Schwacher Besuch trotzdem für Dale und seine Band: Vielleicht war’s die Ruhe 24 Stunden vor dem PopKomm-Sturm in Anbetracht hunderter Konzerte danach. Doch Dale, ganz in schwarz und Leder, mit Totenkopf-T-Shirt stört das wenig. Mit Schlagzeug/Baß-Minimalbesetzung im Rücken schmeißt er sich mit verzerrtem Gesicht in seine Drei-Minuten-Kracher, schrummt im Affentempo über seine Gitarre und bringt die Hardcore-Billys am Bühnenrand sofort in Pogo-Laune. „Ich proste auf Euch und auf mich.“ Dick hebt das Wasserglas, die Fans zeigen brav die Bierflaschen vor. „Danke, daß Ihr.gekommen seid.“

Surf, das heißt: Instrumentalmusik im Fender-Stratocaster-Sound mit genügend Hall- und Tremolo-Effekten, um eine komplette Party ins All abheben zu lassen. Ein bißchen, so sagte Dick Dale immer, wie das Gefühl mit dem Brett auf den Wellen. Und jeder, der es bis dato noch nicht mitbekommen hat, kapiert, warum Dick Dale weit mehr vorauseilt ats lediglich der Ruf des „Königs der Surf-Gitarre“: Der Altmeister mit dem strengen schwarzen Zopf zelebriert seine ganz persönliche Version von Hardrock, wenn es sein mußte. ‚The Pit‘, einer der Kracher vom aktuellen Album ‚Calling Up Spirits‘, ist der Stoff für Mosher und nimmermüde Headbanger. In Japan hat Dale, der sich selbst den „lautesten Gitarristen der Welt“ schimpft, „lauter als Motörhead“, den Spitznamen „Monster Godzilla“ weg, und live zieht er sein „Kick Some Ass“-Programm wirklich gnadenlos durch. Gleißende Gitarrengranatensplitter treffen auf Drum-Donner und Baßbrummen. Für ‚The Wegde Paradiso‘ packt Dick gar die Trompete aus, spielt vom Blatt und gibt dem schmutzigen Surf-Sound eine majestätisch-hymnische Note. Im nächsten Moment finden wir uns alle in einem billigen Spaghetti-Western wieder, um gleich drauf mit Onkel Dick in Surf-Trance auf einer Latin-Party zu hüpfen. Die 101-prozentigen Fans, die auch den Sixties-Surfer Dale kennen, sie stehen ganz dicht vor der Bühne, schauen entrückt ins Scheinwerferlicht, als agiere dort oben der Leibhaftige, der Herr allen Seins. Der da höchstselbst verkündet: „Wir gehen jetzt zum Beginn aller Zeiten und rufen die Geister. Eyooohee.“ Oha. Ein Mann des Gesangs ist Dick Dale nun nicht unbedingt. Aber das ist kaum von Belang, denn gleich läßt er wieder die Gitarre sprechen. Und wie. Man möchte nicht den Verbrauch an Plektren für diesen Abend zählen.

Die Fans finden’s klasse, ergattern einer nach dem anderen die geliebten Souvernirs aus der Hand des Meisters – der übrigens schon seit Jahren kein Brett mehr unter den Füßen hatte. Wegen des verseuchten Wassers, wie er sagt.

Nach 70 Minuten ebbt dann die Welle ab. Daß es keine Zugaben geben werde, hatte Dale schon vorher klargemacht. Man ist halt doch nicht mehr der Jüngste. Ein kurzes „We love you“, Kußhand und Adios.