Die besten Muskelspiele … Bis jetzt


"Singstar", "Guitar Hero" ...ja, und dann? Tatsächlich ist die Historie dieses anhaltend boomenden Game-Genres eine viel komplexere - und eine spannende, weil unterhaltsam experimentierfreudige. Ein Überblick von anatol locker.

Blip… Blop. BIIp… Blop. Blip … Dööööt. „Pong“, das erste populäre Videospiel der Geschichte, bestand nicht nur aus zwei Grobpixelschlägern und einem kleinen Viereck, welches einen Tennisball markierte. Da waren auch diese futuristischen Minimal-Sounds! Ball getroffen? „Blip“! Und durch den Rhythmus des ewigen Hin und HerswurdendieComputertönesogarschon zu so etwas wie… Musik? Na, wollen wir mal nichtgleich übertreiben.

Mit monotonen Basslinien, Piu-Pius und sexy Bleepsfing es in den Spielhallen der70er und 80er an. Sounds, die nicht unschuldig an der Entstehung von HipHop, House und Techno waren… Wir reden hiervon wichtiger Prägung in Kindheitstagen und eben nicht nurvon derTatsache.dass die späteren Pioniere dersynthetischen Musikeben oftauch auf die gleiche Hardware zu rückgreifen mussten wie Gameprogrammierer.

Anfang der 80er, als Heimcomputer die Fichtefurnier-Schreibtische der Jugendzimmereroberten, wurden die Spielesysteme ausgefeilter. Der Sprung vom stummen ZX8i zum Commodore 64 mit SLD-Soundchip war gewaltig. Gamemusiklegenden wie Chris Hülsbeck, Martin Galway oder Rob Hubbard erschufen aus drei Spuren neue Klangwelten. Ende der 80er, mit dem Aufkommen der Ad-Lib- und Soundblaster-Karten für PC, änderte sich die Lage erneut. Erstmals setzten Spiele aufgezeichnete Sounds, MIDI-Loops und Samples ein. Mit der Daten-CD wurde Speicherplatz unwichtig-jetztdurften Soundprogrammierer mehr als 40 Kilobyte für ein Acht-Stunden-Spiel verwenden. Was sie weidlich nutzten und schließlich erste Spiele entwarfen, in denen sich alles um Musikdrehte.

Ende der 90er Jahre begann in japanischen Spielhallen die große Ära der Musikspiele. Der Hersteller Konami brachte „Karaoke Revolution“, „Beatmania“, „Guitar Freaks“ und „Dance Dance Revolution“ heraus; revolutionäre Games, die in Europa leider nie Fuß fassten, weil man sie für „unvermarktbar“ hielt. Das hat sich zehn Jahre spätergeändert. Heute sind „Musikspiele“ DAS boomende Genre. Das liegt sicherlich daran, dass Ende der 90er lizenzierte Popmusiktitel Einzug in die Spielehielten. Bis dahin hatte die Musiki ndustrie Games eher für Nerd kram gehalten. Doch nun entdecktdas Musikbusiness die Spieleindustrie: Mit „Guitar Hera“, „Singstar“ und „Rock Band“ lassen sich die Fansgezielteransprechen. Und: Hier wird für Musik noch gezahlt.

Doch wie sahen die Ahnen der Musikspiele aus? Welche Titel sind heute empfehlenswert? Der ME listet die besten auf und gibt dabei einen Einblick in die Geschichte des Genres. 1978 Senno 1978 war dieses fette Frisbee ein echter Brüller. Sein Erfinder Ralph Baer hatte sich bereits mit einer Konsole mit dem enigmatischen Namen Magnavox Odyssey in den Erfinderolymp geschrieben, jetzt legte er einen drauf. „Senso“ hatte vier bunte Tasten und gab ein Licht- und Ton-Signal vor. Der Spieler drückte die entsprechende Taste nach. Senso hängte eine Note dran, Mensch spielte nach. Senso hängte wieder eine Note dran usw. So begann die Herrschaft der Maschinen überden Menschen. (Erschienen 1978. Hersteller: Milton Bradley. Originale erhältlich überEbay.) 1997 Eeatmana Der Spielehersteller Konami darfsich auf die Fahnen schreiben, das erste erfolgreiche Musikspiel herausgebracht zu haben -und zwar in Japans Spiel hallen. DerSpielerstand vordem „Beatmania“-Automaten, scratchte auf einem Plattentellerund bediente fünf Knöpfe im Takt der Musik. Der Automat schlug in Japan ein wie eine Bombe. 15 Arcadeautomaten,i4PS2-Spiele,dreiGame-Boy-Color-Versionen und 18 LCD-Handheld-Spiele folgten in der“Beatmania“-Serie. Damitnichtgenug: Konami brachte in schneller Folge Tanzspiele („Dance Dance Revolution“), Gitarrenspiele („Guitar Freaks“) und Trommelspiele („Drummania“) heraus -Pionierarbeit, die erst zehnjahrespätervon anderen Firmen zum Erfolg geführt wurde. (Erschienen 1997. Hersteller. Konami. Für Ocarina DJ Time Die Story ist sagenhaft banal: Das Böse (Ganondorf) entführt die unerreichbare Freund in (Prinzessin Zelda); der jugendliche Held (Link) muss siezurückbringen. So abgedroschen die Story klingt: Selten wurde ein Fantasy-Märchen so prall mit Leben gefüllt. Daran ist die Musik schuld. Neben Schwert und Schild be sitzt Link eine „Okarina“. DerSpie-‚ lerlöstdurchOkarina-Melodien v Aktionen aus, reist mal durch die „Zeit, lässteinen Wirbelsturm erscheinen etc. Dazu wurv de der N64-Controllerwiedaslnstrument aktivgespielt. Koji Kondo komponierte unglaublich schöne Melodien und einen frischen Soundtrack: klassisch, episch, romantisch und doch wunderbarnachzupfeifen. Kondo istfürviele Hits zwischen „Super Mario Bros“ und „Tetris“ verantwortlich-doch die aktive Verknüpfung seiner Melodien mit der Spielhandlung gibt dem Spiel erst den unvergleichlichen Touch. Natürlich ist“Ocarina ofTime“ kein reines Musikspiel. Aber ohnedie Idee,den Controller ais Musikinstrument zu gebrauchen, wäre das Spiel maximal „gut“. Eines der besten Videospiele aller Zeiten. Einer der schönsten Soundtracks. Ever. (Erschienen 1998 für Nintendo 64. Hersteller: Nintendo. Erhältlich online über Wii „Virtual Console“ für ca.10 Euro.) 1993 Parappa The Rapper Ein rappender Hund. Ein Sensei mit Zwiebelkopf. Alles in Buntstift-Optikvom New Yorker Künstler Rodney Greenblat. Sony, mit seiner ersten Playstation damals auf der Höhe der Zeit, war mit Parappa seiner Zeit weit voraus -schließlich spielte man sonst vornehmlich g 2D-Jump’n’Runsoder“Wipeouti“. Und & dann dieses Spiel: Um seine Freundin f zu beeindrucken, heuertederrappendef Hund in einem Dojoan.um Kara- -»£

-> te zu studieren -noch Fragen? Parappa war niedlich, aber sackschwer. Wenige Auserwählte schaffen es, mehr als zwei Lieder fehlerfrei „Kick, Punch, Chop, Block“ zu tippen. Meist wertete das Programm die Performance als „AW-FUC. Dann musste man wiedervon vorne anfangen. Weshalb so ziemlich jeder Playstation-Besitzer „Chop Chop Master OnionsRap“ auswendig kannte, die restlichen fünf Songs aber nicht. Alles in allem die wohl schrägste EP der Spielegeschichte.

(Erschienen 199g für Playstation. Hersteller. Sony/NaNaOn-Sha. Erhältlich fürPSP für ca. 40 Euro.) 1999 Uib Ribbon „Vib Ribbon war eine Kreuzung aus Musikspiel und den „La Linea“-Cartoons des italienischen ZeichnersOsvaldoCavandoli. Das Strichmännchen Vibri lief eine mit Hindernissen gespickte Linie entlang. Schaffte man den Parcour, bekam Vibri Flügel und verschwand ins nächste Level. Werdie Tasten nicht rechtzeitig drückte und mit Loch, Schleife, Wand oder Welle kollidierte, wurde zum armen Würmchen. Deramtlich aberwitzige Soundtrack stammte von derjapanischen Gruppe Laughand Peace. Großartig wardieldee,“Vib Ribbon“ mitjeder beliebigen Musik-CD spielen zu können-so generierte die heimische Musiksammlung im eigenen Rhythmus immer neue Hindernissefürden Minimalhasen.

(Erschienen 1999. Hersteller: Sony. Nicht mehr erhältlich.) 1999 Space Channel S Mit „Space Channel 5′ fand weibliche Klasse Einzug in die Nerdbastion derVideospiele. „Space Channel 5“ versetzte den Spieler auf eine Raumstation, deren Interieurfür „Moonraker2“ geeignet gewesen wäre. Es folgte der Auftritt von U-Iala, einer knapp bekleideten Reporterin, die sich gegen eine Alieninvasion wehrt, in dem sie die Fieslinge einfach an die Wand tanzte. Hier kam kein Videospielmädchen, sondern eine atemberaubende Diva. Die spärlich bekleidete „U-Iala“ mit dem glockigen Minirock war sexy. Unaufmerksam durfte derSpieler aber nicht sein,denn spätestens nach dem ersten Song wur» de es schwer: Immerhin musste der Spieler im richtigen Moment die Tanzschritte auf dem Gamepad nachdrücken. Synchronisiert und verkörpert wurde U-Iala von der Popsängerin und Songwriterin Apollo Smile.die ihren Job richtig gut machte (kein Wunder, warsie doch vorher schon gebüt als-Zitat Eigen Vermarktung – „The UueActionAnime Girl‘). Drei Nachfolgespiele kamen aufden Markt. Leidererreichten sie nie die Klasse des Erstlings.

(Erschienen 1999. Hersteller. United Game Artists/Sega Dreamcast. Nurgebraucht erhaltlich.) 1999 Samba De flmigc Zwei Jahren nach „Beatmania war „Samba de Amiga“ der Burner japanischer Spiel hallen. „Samba de Amigo“ war vor allem wegen seiner Controllerspektakulär. Statteines Joysticks hielt der Spielerzwei Maracas in der Hand. Nun mussteermit den Rumbakugeln nachschütteln, wasaufdem Bildschirm angezeigt wurde. Vor allem derZwei-Spieler-Modus war putzig: Erhatte, wenn er korrekt ausgeführt wurde, den Poser-Effekt eines Synchronschwimmerteams. Gerasselt wurde zur Musik von Sergio Mendez, Los Lobos, Ricky Martin und unzähligen Latinoklassikern. Sega setzte das Spiel ein Jahr später fürseineDreamcast-Konsoleum.eine PS2-Version folgte. Freunde des rhythmischen Schütteins wird es freuen,dass Sega just eine Version für Nintendo Wii veröffentlicht hat.

(Erschienen 1999. Hersteller: Sega. Für Dreamcost nur noch gebraucht erhältlich. Wii-Version im „Samba Pack“ mit zwei Rasseln zum Aufstecken auf die Wiimote-Controllerca.70 Euro) 1999 Rez „Rez war“Tron auf Ecstasy Der Rail-Shooter, der Wassily Kandinski gewidmet ist, lieferte ein synästhetisches Erlebnis. DerSpielerfliegt zu Electro und Trance durch bunte Wireframe-Korridore und schießt im Rhythmus Wellen von Gegenspielern ab. Jede Aktion (Erfassen derGegner,Schuss)lösteinen Soundeffekt aus, der perfekt ins Klangbild (mit Tracks u.a. von Coldcut, Joujouka, Adam Freeland)passt. Die Mischung aus Shooter, Rhythmus- und Musikspiel versetzt Spielerin Ballerstarre. InJapan kam die PS2-Versionmiteinem „Trance Vibrator“ heraus. Der nutzte das „Rumble“-Feature auf bislang ungeahnte Weise und ist damit das (bisher) einzige Sex-Spielzeug der Videospielgeschichte.

(Erschienen 1999. Hersteller: Sega. Originale für PS2 und Dreamcast nur gebraucht erhältlich, XboxsSo per Download in Xbox Liue Arcade für ca. 10 Euro.) 2QD$ Singabar Diesmal waren die Briten schnellerals diejapaner. Sie nahmen den Soundtracks zu einer beliebten japanischen Trink-Sportart (Karaoke meets Sake), brannten sie auf DVD, legten zwei USB-Mikrofone bei … und warteten. Die Karaoke-Video-Maschinefürzu Hause lief langsam, aber gewaltig an. Fürden unwahrscheinlichen Fall, dass jemand das Konzept nicht kennen sollte: Mit Hilfe der beiliegenden Mikros singt der Spieler bekannte Rock- und Popsongs nach. Je bessererden (grafisch mit bunten Balken) dargestellten Ton trifft, desto mehr Punkte kassiert er. Besonderen Spaß macht die soziale Komponente: Wenn man sich einmal blamiert hat, ist eh alles egal. Jahr für Jahr erscheinen Add-ons: Von ABBA über DieToten Hosen bis zu türkischem Pop ist so ziemlich alles geboten, auch erlesene Scheußlichkeiten wie De Randfichten -abergerade solche Exoten würzen eine „Singstar“-Party. Playstation-3-Besitzer laden ihre Songsonline überden“SingstarStore“. 24 Add-ons sind in Europa erhältlich, zwölf Millionen Exemplare wurden bis April 2008 verkauft. Microsoft hat für Xbox 360 gerade das Konkurrenzprodukt „Lips“ herausgebracht.

(Erschienen 2004. Hersteller: Sony. Erhältlich für Playstation 2 und 3.) 2004 Lumines „Lumines ‚ist eine Mischung aus Tetris und Musikspiel. DerSpielerpositioniert herabfallende quadratische Blöcke so geschickt, dass sie möglichst viele verschachtelte Quad rate ergeben. Eine „Timeline“, die unbarmherzig synchron zum Electro-Soundtrack läuft, baut aufgeschachtelte Blöcke ab. Wer „Lumines“ ohne Rhythmusgefühl spielt, wird die höheren Levels nie sehen. Wenige Spiele versetzen den Spielerin einen solchen Flow.

(Erschienen 2004. Hersteller: Q Entertainment. Für PSP, PS, Xbox360, PC und Mobiltelefone. Preis ca. 10 bis 60 Euro.) 2ÜÜE‘ Guitar Hero. 2DDS Rockband „Harmonix Music Systems wurden fürihre Musikspiele „FreQuency“ und „Amplitude“ von der Presse geliebt, kommerziell waren sie erfolglos. Dann hatten dieAmerikanerdiezündende Idee. Sie kreuzten „Dance Dance Revolution“ mitdem Geschicklichkeitsspiel „Klax“, hängten dem Spieler eine Fisher-Price-ähnliche Plastikgitarre um den Hals und nannten das Ergebnis „GuitarHero“. Dassah vorallem an Erwachsenen erbärmlich aus, spielte sich aber dank bekannter Rocksongs fantastisch. „Guitar Hero“ ist fair zu Einsteigern und brutal zu Profis. Fünf Knöpfe, Strumbar und Wimmerhebel müssen im Rhythmus bedient werden. Nach einerStunde“ExpertModus“ baut sich auf, was Videoblogger Ben Croshaw treffend als „Wankers Cramp“ beschreibt. Inzwischen wird die „Guitar Hero“-Marke großflächig gemolken. Kaum ein Spielesystem, das kein eigene Version besitzt. Die Erfinder Harmonix verließen Activision und entwickelten das Konkurrenzprodukt „Rock Band“ für Electronic Arts. Bass, Schlagzeug, Mikrofone kamen hinzu. Wer mag schon ewige solierende Leadgitarristen?

(Erschienen 2006. Hersteller: Harmonix/ Actiuision. Erhältlich für PS2, PS3,Xbox36o, PC, WH, Nintendo DS, Mac. Preis ca. 30 Euro, mitCitarrencontroller biszu 70 Euro.) 2Q0& Elekbrcipmnkbon Strenggenommen ist“Elektroplankton‘ kein Spiel, eher ein musikalischer Experimentierkasten. Derjapanische MedienkünstlerToshio Iwai entwarf „Elektroplankton“, bevor erfürYamaha das neuartige Performance-Instrument Tenori-On entwickelte, mitdem derzeit Björk.Atom Heart, Robert Lippok und Jim O’Rourkedaddeln. Ein Spielziel ist nicht vorgegeben. Per Stiftbedienung und Mikrofon steuert man zehn musikalisch begabte Planktonarten, die als Klangerzeuger fungieren. Man zeichnet mit dem DS-Stylus Wegevor.diedann vom Plankton nachgefahren werden. Dabei hinterlassen sieTöne. Man tippt, zieht und dreht die niedlichen Tierchen, um Sounds zu erzeugen. In Zwölfton-, seriellerodergenerativer Musik lässt sich so ziemlich alles ausprobieren. „Elektroplankton“ ist kurios und faszinierend.

(Erschienen 2006 für Nintendo OS. Hersteller. IndiesZero/Nintendo. Erhältlich für Nintendo DS für ca.30 Euro.) ZOOo Patapon Die „Patapon‘ sind winzige Krieger. Mit einer Besonderheit: Sie hören nur auf den Befehl von Trommeln. Die betätigt derSpieler, in dem erdie richtigenTasten im Rhythmus drückt. Patapon mit seiner niedlichen Scherenschnittoptik ist ein Beispiel dafür, dass sich aus dem Genre der Musikspiele mehr rausholen lässtalsein Partyspiel. DerSpielertrifft knackige strategische Entscheidungen bei der Aufstellung seiner Kleinarmeen, braucht Geduld, Konzentration und das Rhythmusgefühl eines Laki Liebezeit.

(Erschienen 2008. Hersteller: Sony. Erhältlich für Sony PSP für ca. 40 Euro.) 2003 Top Top Revenae nin „TapTapRevenge istein Musik-Reaktionsspiel für iPhone und iPod Touch.Dereigensinnige Industrial-Lord Trent Reznor packte 13 Songs der Alben chosts I-IV und the slip ins Spiel. Wie in „Guitar Hero“ rasen in affenartiger BPM-Zahl Noten auf den Spieler zu, der Spieler tippt sie mitdem Finger weg. Stellt sich nurdie Frage, warum diegroßen Labels das iPhone noch nicht für sich entdeckt haben.

(Erschienen 2008. Hersteller: GogoApps/ Tapulous. Erhältlich für iPhone. Preis 3,99 Euro.)