Die Party


Es ist ein Fehler von mir gewesen, Barbara mit auf diese Party zu nehmen. Ich weiss das, als ich Dick zur Tür hereinkommen sehe. An Barbaras Gesichtsausdruck und ihren nervösen Bewegungen, als sie sich eine Zigarette anzündet, erkenne ich, dass sie noch immer auf ihn steht. Dick sagt „hallo“, übersieht uns dann absichtlich und setzt sich weit von uns entfernt in einen Sessel. Ich fühle mich ziemlich abgeschlafft, weil ich weiss, dass der Abend für Barbara nun im Eimer ist. Sie liebt ihn wirklich und ich verstehe sie. Dick ist ein unheimlich dufter Typ. Sie sind ein ganzes Jahr miteinander befreundet gewesen. Jetzt will er nichts mehr von ihr wissen. Wenn sie ihn anruft, dann lässt er sich verleugnen und ihre Briefe schickt er ungeöffnet zurück. Eingeladen wurden wir von einem Schauspieler, der sich in letzter Zeit einen unheimlich guten Namen gemacht hat. Er hat ein Haus gekauft und will es heute einweihen. Es ist einfach sagenhaft. Das Wohnzimmer ist riesengross und in der Mitte befindet sich ein Kamin. Ich beobachte die Leute, die gekommen sind und stelle fest, dass ich fast niemanden kenne. Wolfgang sitzt neben mir und spielt mit meinen Fingern. Ich lehne mich zurück und rauche eine Zigarette um mich zu entspannen. Nach einer Weile steht Barbara auf und ich sehe, dass sie zu Dick geht. „Jetzt kann er ihr nicht mehr entwischen“, denke ich schadenfroh und muss unwillkürlich lächeln. Ich weiss, dass Dick Angst hat, Barbara würde ihm eine Szene machen. Er hasst Auftritte wie diese. Ich sehe, dass sie sich neben ihn setzt und auf ihn einredet. Wolfgang reicht mir mein Glas. Ich nehme einen Schluck, lächle und bin froh, dass er neben mir sitzt und meine Hand hält.

Er hat eine weiche Stimme ich bin nervös, denn ich mag keine Partys, bei denen mir die Leute fremd sind. Barbara kommt zurück. Ich sehe, dass sie rote Augen hat. „Was ist los“, will ich wissen. „So ein Scheisskerl“, sagt sie. „Er will nicht mehr. Er hält es nicht mal für nötig, mir den Grund zu sagen“. Ich schweige, weil ich nicht weiss, wie ich sie trösten kann. Ich glaube nicht, dass Dick noch etwas für sie empfindet, aber das kann ich ihr natürlich unmöglich sagen. Ich verstehe nicht, warum sie ihm nachläuft. Das hat er nicht verdient. „Vielleicht kannst du einmal mit ihm sprechen“, sagt sie und sieht mich an. Ich nicke. Ich beobachte, dass Dick aufsteht und sich in die Mitte des Raumes begibt. Irgendjemand hat ihm eine Gitarre in die Hand gedrückt. Dick spielte früher in verschiedenen Gruppen, jetzt tritt er manchmal allein auf. Als er anfängt zu spielen, schliesse ich die Augen. Er spielt gut und hat eine sagenhaft weiche Stimme. Ich bin froh, dass ich so Barbaras Augen nicht mehr zu sehen brauche und lehne mich zurück. Wolfgang flüstert etwas in mein Ohr. Er will wissen, was passiert ist und ich erkläre ihm kurz die Sachlage. Er will sich um Barbara kümmern und rutscht auf die andere Seite. Jetzt sitzt er zwischen Barbara und mir. Später mische ich mich unter die Mädchen, die neben Dick stehen, weil ich Barbara versprochen habe, mit ihm zu sprechen. „Hi“, sage ich. „Hallo“, antwortet er und lächelt. „Du warst unheimlich dufte“, fahre ich fort weil ich es so meine und ausserdem das Gefühl habe, irgendetwas freundliches sagen zu müssen. „Danke“, sein Lächeln vertieft sich. Ich weiss nicht recht, wie ich beginnen soll und flüstere schliesslich: „Ich möchte dich sprechen!“ Es geht die anderen ja nichts an und ich will nicht, dass sie hören was ich sage. Er sieht mich erstaunt an und flüstert zurück. „Okay! aber erst möchte ich eine Zigarette“. Ich gebe ihm eine und sehe, dass er den Tabak in eine Pfeife stopft. Er vermengt ihn mit einem Kraut, das mir bekannt vorkommt. Ich weiss, dass Dick regelmässig Drogen nimmt und auch Barbara hat mir davon erzählt als er mir die Pfeife gibt, nehme ich einen Zug. Ich will ihn bei guter Laune halten. Ich muss husten, weil ich nicht daran gewöhnt bin und noch nie geraucht habe. Dick sieht mir lächelnd zu. Du musst den Rauch tiefer einatmen, sagt er. „Sonst wirkt es nicht!“ Dann steht er auf. „Komm“, lass uns nach oben gehen. Hier können wir uns nicht unterhalten. Es ist viel zu laut. Man versteht ja sein eigenes Wort nicht“. Ich zögere. Dann stehe ich auf. Ganz wohl ist mir dabei nicht. Ich schaue zu Wolfgang, doch er sieht mich nicht. Er sitzt noch immer mit Barbara zusammen und unterhält sie. „Was soll’s“, denke ich. „Es braucht ja nicht so lange zu dauern. Es kann ja nichts passieren …!“

Das Zimmer mit den vielen Spiegeln . Dick scheint sich gut in dem Haus auszukennen, denn plötzlich befinden wir uns in einem Zimmer, das mit einem knallroten Teppichboden ausgelegt ist. In der Mitte des Zimmers befindet sich ein weisses, rundes Bett und die eine Wand ist mit Spiegeln tapeziert. Alles sieht einfach unwirklich aus. Ich sehe mein Gesicht und beobachte Dick, der eine Kerze anzündet. Ich fühle mich ein wenig komisch, so allein mit Dick. Ich mag ihn gern, aber nicht so gern wie Wolfgang und das ist gut so. Er lässt sich neben mich auf den Teppich fallen und nimmt ein paar tiefe Züge aus der Pfeife. Dann reicht er sie mir weiter. Inzwischen habe ich mich an den beissenden Geschmack gewöhnt, es gefällt mir sogar. Ich fühle, wie ich immer lustiger werde und Dick scheint es genau so zu gehen. Wir kichern wie zwei Kinder. „Du wolltest mir etwas sagen“, meint er schliesslich und erinnert mich daran, weshalb ich eigentlich zu ihm gegangen bin. „Ich möchte mit dir über Barbara sprechen“, sage ich und bemühe mich, deutlich zu sprechen. Ich habe wohl zu viel geraucht, denn alles dreht sich und ich muss mich bei Dick festhalten, weil ich Angst habe, zu fallen. Er legt seinen Arm um mich. „Das Thema Barbara ist für mich vorbei“, sagt er „ich will nichts mehr davon hören“. „Aber …“ „Kein aber!“ Er legt mir seinen Finger auf den Mund und ich sage nichts mehr. Ich weiss, dass es sinnlos ist, mit ihm darüber zu diskutieren. Gleichzeitig wird mir immer schwindeliger und ich will zu Wolfgang. Ich stehe auf. „Bleib noch ein wenig“, sagt Dick. „Ich will nur noch zuende rauchen, dann komme ich mit“. Er reicht mir die Pfeife aber ich lehne ab. Laute Musik dröhnt herauf aber ich weiss nicht, wer es ist. Die Party scheint immer fröhlicher zu werden. Ich weiss nicht, wie lange wir hier schon sitzen, ich habe jedes Zeitgefühl verloren. Plötzlich wird die Tür geöffnet. Barbara steht vor uns. Ich kann alles haben „Oh“, sagt sie. „Komm rein“, ich will schnell aufstehen. „Nein danke“, sagt sie und schliesst die Tür. Ich versuche, hinterherzurennen, aber Dick hält mich fest. „Lass‘ mich los, du Idiot“, schimpfe ich und schüttle seine Hand ab. „Lass‘ sie laufen“, sagt er und steht auf. „Du glaubst wohl, du kannst alles haben“ sage ich und werde wütend. Er nickt. „Natürlich, ich kann alles haben, was ich will. Auch dich“. „Täusch‘ dich nur nicht“ antworte ich und bin sauer, dass ich mit ihm in dieses verdammte Zimmer gegangen bin. Seine Selbstsicherheit macht mich rasend, ich will zu Wolfgang. Dick ist verwirrt, als er merkt, dass es mir wirklich ernst ist. Es dauert einige Minuten bis er begreift, dass ich wirklich gehen will. Er versucht nicht mehr, mich zurückzuhalten. „Und was willst du Wolfgang sagen“, seine Stimme klingt belegt. „Ich werde ihm die Wahrheit erzählen“, erkläre ich grossartig, obwohl ich mir dessen nicht so sicher bin. „Hmmm …“ Er sieht mich prüfend an. „Empfindest du wirklich nichts für mich?“ Er kann es nicht glauben. Ich schüttle meinen Kopf und lächle. Nein, ich bin mir völlig sicher. Er lässt mich kalt.

Es wurde hell. Die Party ist auf ihrem Höhepunkt angelangt. Ich sehe, dass die meisten betrunken oder high sind. Ich will Barbara erzählen, dass es keinen Zweck hat, Dick hinterherzulaufen, aber ich kann sie nicht sehen. Auch Wolfgang ist verschwunden. Hoffentlich hat sie es nicht verkehrt aufgefasst, denke ich und beginne, mir Gedanken zu machen. Auf dem Flur begegnet mir ein Junge, ich kenne. „Hast du Barbara gesehen?“ Er lacht. „Na klar, habe ich Barbara gesehen“. „Wo ist sie denn?“ frage ich ärgerlich, denn ich merke dass er betrunken ist. „Keine Ahnung, was willst du von ihr?“ „Mit ihr sprechen“. „Sprich lieber mit mir, so wichtig ist sie gar nicht“. „Für mich schon“, sage ich und gehe wieder ins Zimmer. Er läuft mir hinterher und hält mich fest. „Sie ist vor zehn Minuten nach Hause gegangen …“ Er macht eine Pause, wahrscheinlich will er es spannend machen. Ich reagiere nicht darauf. „Sie ist nach Hause gegangen“, fährt er fort und sieht mich an. „Wolfgang hat sie begleitet…“ Er freut sich, dass er mir diese Mitteilung machen kann aber ich rühre mich nicht. Ich habe es geahnt und ich weiss, dass es Mühe kosten wird, Wolfgang und Barbara davon zu überzeugen, dass ich nichts mit Dick gehabt habe. Ich beschliesse, alles bis morgen ruhen zu lassen. Dann werde ich Wolfgang anrufen und ihm alles erklären. Ich suche meinen Mantel ziehe ihn über und schliesse die Haustür. Niemand wird mich vermissen. Es muss schon ziemlich spät sein. Draussen dämmert es bereits.