Die Produktivität der jungen Jagger und Richards will Beck erreichen. Den Auftakt macht ein Akustikalbum.


Man würde glatt daran vorbeifahren, wenn sich nicht gerade eine Menschentraube vor dem Eingang drängeln würde. Nicht, dass es sich um ein unscheinbares Gemäuer handeln würde, ganz im Gegenteil. Wir befinden uns unweit des Zentrums von Denver und da steht mitten in einem Wohngebiet mit typischen Ami-Einfamilienhäusern eine Synagoge, die nicht gerade an einen Veranstaltungsort für ein Popkonzert gemahnt.

Aber schließlich geht es ja nicht um irgendein Konzert, sondern um einen Solo-Auftritt von Beck Hansen, eines Künstlers, der nach seinen Versuchen ils sexy & funky white boy auf „Midnite Vultures“, sinen neuen, nachdenklichen, persönlicheren Beck tierauskehren will. Und da kommt das gediegene Amjiente für sein Akustikset natürlich wie gerufen. Der Abend gehört überwiegend der Akustikgitarre, den neuen Songs von „Sea Change“, einigen Stücken vom „Mutations‘-Album von 1998 und ein paar ausgewählten Coverversionen von Songs wie dem Zombies-Hit „Beechwood Park“, dem getragenen Hank Williams-Klassiker „I’m So Lonesorne I Could Cry“ oder dem „Cypress Grove“-Blues von Skip James. Frühe Beck-Raritäten wie „Painted Eyelids“ werden ausgegraben, iber Hits wie „Where It’s At“ oder „Loser“ bleiben auf der Strecke oder werden wie „Jack-Ass“ in einem völlig neuen und schlichten Gewand präsentiert. Das Publikum lässt sich bereitwillig auf diesen neuen Beck ein, und nur vereinzelt werden Stimmen laut, denen es nach den besagten Hits oder etwas mehr Action auf der Bühne dürstet.

Erst im Austausch mit seinem Publikum entstehe der eigentliche Wert seiner Musik, erläutert der 32-Jährige beim Interview am folgenden Tag: „Für mich ist ein Album im Grunde unfertig, solange es die Leute nicht zu hören bekommen haben“ Was natürlich nicht bedeutet, dass sich Beck beim Schreiben seiner Songs den Erwartungen seines Publikums unterwerfen würde. „Im Grunde kenne ich mein Publikum gar nicht, ich muss beim Schreiben einfach meinem Instinkt folgen. Wenn ich Musik schreibe, dann wird mein gesamter Körper, mein gesamtes Wesen von einem bestimmten Sound angesprochen. In diesen Momenten verspüre ich ganz deutlich, dass ich eine bestimmte Richtung mit meiner Musik einschlagen muss. Und so war mir auch in diesem Fall auf einmal klar: Ich will eine Platte machen, die folky und zurückhaltend ist. “ Die Trennung von seiner Freundin wird ihren Teil zu der melancholischen Atmosphäre des neuen Albums beigetragen haben, aber Beck strahlt ohnehin Ruhe aus, selbst den aufmüpfigen „Ich schlaf gleich ein“-Zwischenruf vom Vorabend sieht er gelassen: „In all den Jahren, die ich unterwegs auf Tour war.gab es immer ein paar bestimmte Platten, zu denen ich Hebend gerne eingeschlafen bin. Denn die Tourneen sind einfach ein hartes Stück Arbeit, und wenn du am Ende des Tages versuchst, endlich etwas Schlaf zu bekommen, dann stehst du immer noch unter Spannung. Aber dann lege ich ein Album wie ‚Blue‘ von Joni Mitchell auf, oder eins von Nick Drake, Musik, mit der ich mich an einen guten Ort versetzen kann, zu der ich eben auch einschlafen kann. Und so liegt auch meinem neuen Album eine bestimmte Stimmung zugrunde. Es ist nicht dazu gedacht, wachzurütteln. Es bietet vielmehr einen Ort der Gelassenheit.“

Damit hat sich Beck keineswegs zu einer Schlaftablette gewandelt, er will lediglich nicht jedes seiner Werke überhöht sehen, preist die Qualität des einfachen und direkten Songwritings eines Hank Williams oder eines Jimmie Rodgers und kündigt für die kommenden Jahre eine Vielzahl von neuen Beck-Alben an. „Mir ist im Moment einfach danach, möglichst viele Alben aufzunehmen. Das hat den Vorteil, dass nicht jeder Ton von dir auf die Goldwaage gelegt wird. Ich habe den Eindruck, dass es für Musiker gesünder ist, wenn sie produktiver sind. Die Rolling Stones haben früher mindestens ein Album pro Jahr veröffentlicht. Als sie 1969 bei ‚Let It Bleed‘ angekommen sind, hatten sie bereits zehn oder elf Alben aufgenommen. Und da haben sie ja gerade erst angefangen, das ist doch unglaublich!‘ Für die nächsten Monate hat er sich einiges vorgenommen: Auf die übersichtliche Akustik-Tour soll eine ausgedehnte Tour mit den Flaming Lips folgen. Außerdem ist ein Album zusammen mit Dan „The Automator“ geplant. Es bleibt spannend.

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