„DISCO WAR IMMER DA“


Die Münchner Benjamin Fröhlich und Tom Bioly betreiben seit 2006 das Label Permanent Vacation, das sich längst auch international als feste Größe in der Discoszene etabliert hat.

Nach acht Jahren Abstinenz kommen Daft Punk mit einem Disco-Album um die Ecke. Wundert euch das? Man hatte ja das Gefühl, dass das Disco-Revival langsam abklingt.

BENJAMIN FRÖHLICH: Mich wundert das schon. Ich finde auch, dass die Disco-Welle wieder am Abebben ist, zumindest in der Clubmusik. Aber Daft Punk sind ja auch eine größere Geschichte, das Revival der vergangenen Jahre hat sich im Untergrund abgespielt und den Mainstream eigentlich nie erreicht.

TOM BIOLY: Dass Disco im Clubkontext auf dem Rückmarsch ist, würde ich aber auch nicht unbedingt sagen. Klar ist die Hochphase vorbei, es wiederholt sich auch alles ein bisschen. Aber trotzdem ist Disco nach wie vor präsent. Nimm mal „Inspector Norse“ von Todd Terje, die Nummer ist ein Jahr alt und immer noch ganz oben in den Beatport-Charts, zwischen lauter Tech-House-Sachen.

BENJAMIN: Gut, andererseits war Disco ja immer irgendwie da: Discostücke sind wohl die am meisten gesampleten in der Musikgeschichte, vor allem im House und HipHop. Immer wieder nehmen Künstler Bezug auf diese Ära. Das nutzt sich, glaube ich, auch nicht ab. Mal gelingt das mehr, mal weniger, wie etwa bei Madonna vor ein paar Jahren.

Geht es bei aktueller Disco immer um ein Zitieren alter Tracks oder hat sich das Genre im Zuge des Revivals fortentwickelt?

TOM: In der Edit-Kultur verändern sich nur das Arrangement und die Beats, da wird aufpoliert und schon funktioniert ein alter Hit wieder.

BENJAMIN: Aber es sind auch neue Produzenten aufgetaucht. Für die alten Produktionen waren immer an die zwanzig Studiomusiker zugange, das geht heute einfacher. Disco kann man mittlerweile auch in viele Sub-Genres aufteilen. Die einen klingen eher balearisch und krautig, wie die Norwegen-Connection um Lindstrøm und Prins Tomas. DFA Records in New York haben ihre Wurzeln in der Verbindung aus Punk und Disco. Englische Disco, wie auf dem Londoner Label Bearfunk, klingt fast dubbig. Das ist ein weites Spektrum und da passiert viel.

Wo würdet ihr euch dort verorten?

BENJAMIN: Zu Beginn war das eher von Cosmic inspiriert, was sich als Stil von vornherein nicht festlegen lässt. Uns interessieren eher die Randbereiche von Disco, die abseitigeren Sachen. Klar hatten wir auch richtig cheesy Disconummern von Sally Shapiro oder Hard Ton, das war aber auch eine Reaktion auf zehn Jahre Minimal-Diktat.

Gibt es bei euch trotzdem einen roten Faden durch euren Backkatalog?

BENJAMIN: Wenn ich mir unsere Releases der letzten Jahre so durchhöre, denke ich mir nie: „Mein Gott, was haben wir denn da für einen Müll gemacht?“ Da bin ich schon zufrieden, so unterschiedlich die Platten auch sind. Es gibt also schon eine gewisse Kontinuität.

TOM: Im Grunde genommen ist der rote Faden unser gemeinsamer Geschmack. Disco ist natürlich ein Teil davon, aber wir haben uns nie so dezidiert einem Genre verschrieben.

BENJAMIN: Das sagen aber auch viele: „Wir veröffentlichen alles, worauf wir Bock haben!“ Und am Ende klingt doch jede Platte gleich. (lacht)

In Bezug auf eure Heimat München wird immer gerne von der „Disco-Stadt“ gesprochen. Viele berufen sich dabei auf Giorgio Moroder, seine Musicland-Studios und das damalige Nachtleben. Hat Münchens Ruf Einfluss auf eure Arbeit?

TOM: Wir sitzen mit dem Label zwar hier in München, aber unsere Künstler kommen aus aller Welt, nur wenige aus München. Aber es ist schon so, dass die Musik in Münchner Clubs immer etwas mehr Vocals, Groove und warme Elemente enthalten hat. Mit dem Disco-Revival war München dementsprechend früh dran, in Berlin hat das länger gedauert. Auch kommerziellere Läden, die man nicht unbedingt im Underground verorten würde, machen hier oft Disco-Bookings, die man ihnen gar nicht zugetraut hätte.

BENJAMIN: Das ist wirklich etwas Münchentypisches: überteuerte Läden mit oft überraschend gutem Booking. Das hat ein bisschen was von Russland. Was Tom gesagt hat, ist aber richtig, in München ist musikalisch alles meistens etwas wärmer und positiver. Disco funktioniert hier einfach, und sicher hat uns das auch beeinflusst.