Dolphin Love im Interview: „Da habe ich gespürt: Ich bin hier“
Dolphin Love im Gespräch über das erste Kennenlernen auf 50cm-Matratzen, Bewusstseinsmomente und ihre Neuveröffentlichung.
Wie klingt das Leben? Welchen Sound macht den Moment aus und welche Orte verstecken sich hinter Melodien und Worten? Dolphin Loves neue EP (NOT) FROM HERE – B-SIDES (2025) bietet Antworten. Am Abend des 23. Oktobers konnte man diese auch in Neukölln hören, genauer gesagt im Berliner Rough Trade. Dort feierten Dolphin Love den Release der ersten Vinyl zur Frühjahrs-EP NOT FROM HERE und sie teilten parallel die B-Sides derselben von der am 17. Oktober veröffentlichten neuen EP.
Grund genug, um dort einmal vorbeizuschauen und mit dem Duo zu sprechen.
Dolphin Love: Meister der Parallelwelten
Draußen stellte sich die blaue Stunde ein, ein nasser Wind wirbelte die trockenen Blätter einer Linde umher – es war ganz im Allgemeinen ungemütlich. Doch das sollte sich schnell ändern. Der schwarz-weiß gefärbte Plattenladen unweit des Neuköllner Rathauses lud an am 23. Oktober zu einem Release-Gig ein: Dolphin Love veröffentlicht seine erste Platte, und eine neue EP gleich mit dazu. Freund:innen, Familie und Fremde fanden sich vor der Plattenwand ein und lauschten knapp 90 Minuten den mitreißenden Klängen innerer Parallelwelten, die Coco Kopp und Jani Kaspers so mühelos erschaffen haben.
Wir trafen uns davor mit den beiden und redeten über ihre Geschichte, die neue EP und was die insgesamt acht Songs mit dem Am-Leben-Sein zu tun haben – und warum man das bei ihrer Show spüren konnte.
Die Anfänge: Vom Solo-Projekt zum Duo
Dolphin Love war zunächst ein Solo-Projekt von Constantin Kopp. Der Wahl-Hamburger schreibt, komponiert und produziert all seine Songs bis heute selbst. Mithilfe einer Loop-Station und seinen beinahe multiinstrumentalen Fähigkeiten an Gitarre, Bass, Schlagzeug und Klavier hätte der Musiker auch heute allein auf der Bühne glänzen können. Doch er wollte schlicht nicht, also suchte er nach einen Drummer. Über einen Zufall ist Kopp auf Jani Kaspers gestoßen.
Erinnert ihr euch noch an euer Kennenlernen?
Kaspers: Das muss 2019 gewesen sein, denke ich. Das war in Stade, beim Hanse Song Festival. Da bin ich nach Cocos Show zu ihm hin und meinte, dass ich seine Mucke mega geil finde, mehr haben wir eigentlich nicht gesprochen.
Kopp: Stimmt, mehr haben wir gar nicht geredet. (lacht) Aber ich dachte mir: Ach, der macht irgendwie netten Eindruck auf mich. Zur selben Zeit habe ich nach einem Drummer gesucht, und nachdem wir dann aus Stade weg sind, habe ich mich an unserer Begegnung erinnert und dachte, das wär doch irgendwie lustig mit ihm. Da wusste ich aber auch noch nicht, dass er Schlagzeug spielt, das habe ich erst durchs Stalken rausgefunden. Auf seinem Instagram habe ich dann ein Video gesehen, wie er an den Drums sitzt, mit Cowboyhut und mega betrunken, und ich dachte: Jap, der isses. (beide lachen)
Ein Telefonat, eine Probe – und „das war’s!“ Seit zwei Jahren arbeiten die beiden nun schon miteinander und sind auch gute Freunde geworden. Kaspers war damals 18 Jahre alt und spielte zuvor in Musikprojekten seiner Bekannten. Die Anfrage von Kopp ist insofern bis heute etwas Besonderes für ihn, wie er erklärt. Man merkt ihnen die Vertrautheit an – und wie die Musiker erzählen, sei dem so gewesen, seit sie sich das erste Mal in „real life“ begegnet waren.
Kopp: Als wir dann das erste Mal aktiv Zeit miteinander verbracht haben, nachdem wir schon telefoniert und geprobt hatten, alles online, spielte ich eine Solo-Show in Münster und Jani kam spontan dazu. Danach haben wir ein bisschen gefeiert und wie das dann halt manchmal so ist, ging das alles etwas länger. Am Ende sind wir zusammen E-Roller zur Wohnung meiner Schwester gefahren und haben auf einer 50 cm breiten Matratze geschlafen – löffelnd.
Kaspers: (lacht) Einfach am ersten Abend, da hatten wir uns gerade das erste Mal gesehen, und der endet so. Da war dann spätestens klar: Machen wir, das passt.
„Jetzt ist der richtige Moment“ – zur ersten Vinyl
Sie scheinen kein bisschen aufgeregt, wie sie da sitzen und sich lachend an vergangene Momente erinnern. Das Rough Trade feiert an diesem Abend den Release der ersten Vinyl von Dolphin Love. NOT FROM HERE heißt sie und erschien bereits am 17. April dieses Jahres.
Wie ist das so, die eigene Musik zum ersten Mal in den Händen halten zu können?
Kopp: Ich war mir sicher, dass es irgendwann zu einer Platte kommen würde. Und irgendwie war halt jetzt der richtige Moment, deswegen freue ich mich eigentlich viel mehr, als dass ich nervös bin. Aber der Gig später, der wird aufregend, man ist seinem Publikum nicht immer so nah.
Kaspers: Ich denke, es ist total schön, jetzt auch eine Platte von uns auflegen und anhören zu können, ohne dass man dafür auf irgendwelche Apps gehen muss, die das dann auch noch in schlechterer Qualität abspielen. Das ist einfach ein anderes Hörerlebnis, deswegen ja, ich freu ich mich einfach.
Die ehrliche Alternative: (NOT) FROM HERE
Im Rough Trade werden später an diesem Abend knapp fünfzig Menschen sein, die den Release gemeinsam mit Kaspers und Kopp feiern wollen. Das Besondere an diesem Donnerstagabend ist nicht nur der Plattenrelease, sondern auch die Feier der eine Woche zuvor erschienenen B-Side von NOT FROM HERE. Auf dieser EP präsentieren Dolphin Love die kreative Alternativversionen der Vinyl-Tracks.
Was war die Intention hinter der zweiten EP (NOT) FROM HERE?
Kopp: Als ich NOT FROM HERE gemacht habe, lag noch so viel nebenbei an Songs herum, von denen ich dachte, die schaffen es auf die Veröffentlichung, aber irgendwie habe ich die dann doch nicht so gefühlt. Als diese EP dann so im Prozess war, bat mich meine Managerin in einem Interview, mal noch eine andere Version von „Bangalow“ (2025) zu spielen – und die Piano-Version, die da bei rauskam, fand ich so cool, dass ich das nochmal angegangen bin. Und jetzt gibt’s eben die B-Sides.
In der neuen EP ist das „not“ in Klammern, und das Intro ist nach Koordinaten benannt. Was hat es damit auf sich?
Kopp: Also da in der Region, wo die Koordinaten sind, ist ein Ort, an dem ich vor langer Zeit das erste Mal so eine Art „Bewusstseinsmoment“ hatte, in dem ich ganz simpel gemerkt habe: „Okay, ich bin hier“. Das hat sich sehr speziell angefühlt, so als wäre ich mir in diesem Moment meiner Existenz irgendwie bewusst geworden. Und ähnlich hält es sich auch mit den B-Sides. Auf NOT FROM HERE geht’s ja viel darum, dass man irgendwie nie richtig da ist – man ist irgendwie die ganze Zeit irgendwo im Kopf, in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Und diese B-Side beschreibt so ein bisschen den Spiegel davon. Man ist jetzt eben genau da, wo man gerade ist. So sind halt auch die Tracks auf (NOT) FROM HERE – B-SIDES: Alles ist ein bisschen rougher, und es ist auch nicht so poliert – also vielleicht einfach die ehrlichste EP bisher. (lacht)
Live im Rough Trade: Ein Abend, der nach Sommer klingt
Intuitiv, experimentell und komplett aufeinander abgestimmt schaffen Kopp und Kaspers eine Energie, die spürbar Leben in den verregneten Donnerstagabend bringt. Es klingt nach Sommer, wenn Dolphin Love spielen. Die Stimmung ist hervorragend: Mit dem ersten Klang aus der weißen E-Gitarre bis zum letzten Trommelschlag hängt das Publikum an den Lippen Kopps und kommt aus dem Tanzen und Jubeln fast nicht mehr heraus. Kopp und Kaspers müssen zwischendrin ganze drei Minuten warten, bis der begeisterte Applaus nach ihrer beeindruckenden Parcels-like Jam-Session rund um ihren Song „Sun“ (2023) versiegt. Constantin Kopp und Jani Kaspers beweisen auf ihrem Gig eine volle Wucht an musikalischer Versatilität, technischer Präzision und rohem Spaß.
Würde das Publikum nicht sowieso schon stehen, hätten Dolphin Love nach ihrer Show Standing Ovations erhalten. „Och nö!“, rief es aus der hinteren Reihe, als die beiden die Bühne gerade verlassen wollten. Dasselbe dachten sie sich dann aber auch – also spielten sie mit „Bangalow“ eine unter Jubelrufen empfangene Zugabe. Nach 90 Minuten entließen sie ihr Publikum mit geröteten Wangen, strahlenden Augen und der neuen Platte NOT FROM HERE in den Händen in die Nacht.
Wie geht es weiter mit Dolphin Love?
Kopp: Also ganz toll wäre ja, wenn wir irgendwie ins Ausland könnten – die USA, Australien, sowas. Oder beim Glastonbury zu spielen, einfach weil das so eine Institution ist. (lacht) Jetzt geht’s aber erst mal auf Tour. Im Februar 2026 spielen wir fünf Shows, eine davon am 28. Februar in der Kantine im Berghain in Berlin.



