Ein Stuntman für ein Hallelujah


Der Filmverleih verspricht eine „unterhaltsame, abernachdenklich stimmende Studie über das Wesen von Realität und Illusion“. Nichts in „Stuntman“ sei so, wie es angeblich aussieht. Für den Zuschauer wird daraus an erschöpfendes Film-im-Film-Spektakel, das mit dem Anspruch nicht fertig wird.

Auf der Flucht vor der Polizei läuft ein junger, athletisch durchtrainierter Mann (Steve Railsback) mitten in die Dreharbeiten zu einem Action-Film. Unter den Filmleuten verlieren die Verfolger seine Spur. Der Regisseur des Films (Peter O’Toole) interessiert sich für den geheimnisvollen Fremden, der nicht ganz unschuldig am Tod seines besten Stuntmans ist Er verpflichtet den Flüchtling als Ersatzmann, verpaßt ihm per Maske das Aussehen des Toten und schützt ihn so vor dem Zugriff der Polizei.

Vor der Kamera erweist sich Cameron als gelehriger Schüler. Dennoch empfindet sich der junge Mann als Spielball des Regisseurs, ja, er leidet sogar unter der Zwangsvorstellung, daß der Filmemacher ihm bei Drehschluß einen letzten, tödlich endenden Stunt abverlangen könnte.

So weit, so gut. Ärgerlich nur, daß sich das Film-im-Film-Lichtspiel des Regisseurs Richard Rush nicht entscheiden konnte, welche der möglichen Geschichten es nun erzählen oder zumindest hervorheben wollte – und in der Qual der Wahl alles ablichtete, was vor die Kamera kam.

Es wird der Krimi des Flüchtlings in der Manier des Kreuzworträtsel-Kinos erzählt Es wird die lebensgefährliche Arbeit der Stuntmen beschrieben, wobei es dem Regisseur gefiel, die Stunt-Szenen mit prallem Hallelujah-Klamauk zu garnieren. Es wird das Psycho-Horror-Duell zwischen Cameron und seinem gottahnlichen Regisseur in immer neuen Verästelungen zwischengeschnitten. Es gibt eine Liebesgeschichte zwischen Cameron und der Hauptdarstellerin (Barbara Hershey) und schließlich das Nachdenken der Filmleute über Realität, Illusion und die Passion des Filmemachens.

Rush porträtierte einen Filmregisseur, der seine sexuelle Impotenz durch spektakuläre Inszenierungen zu bewältigen sucht, der jedoch an seinen Ambitionen scheitert. Sein Darsteller O’Toole war vor allem an den Neurosen dieses Mannes interessiert, dessen berufliches Schicksal es ist, daß er seinen Antikriegsfilm erst nicht drehen durfte, dann durfte er, aber der wirkliche Krieg war vorbei“. Daß ihm der Zufall einen echten Vietnam-Kämpfer vor die Kamera laufen läßt („Vietnam war ein höllischer Stunt“), soll dem Film-im-Film-Regisseur ermöglichen, „den authentischen Hauch von Verwesung in meinem Film spüren zu lassen“.

Doch die Action-Blödeleien vom Schlage Bud Spencers, die hier vorgeführt werden, sind nicht die Apocalypse, die die Filmleute stets im Munde fuhren. Überhaupt schien es das dramaturgische Konzept dieses Films zu sein, die Kinobesucher so lange zu irritieren, bis sie die Suche nach Scherz, Satire, Ironie oder tieferer Bedeutung erschöpft aufgeben würden: Die Information zur Charakterisierung der handelnden Personen werden, wenn überhaupt, erst kurz vor Filmschluß nachgeliefert; die ohnehin überstrapazierte Story mit immer neuen und immer verrückteren Pointen wird jeglicher Interpretation durch den Zuschauer entzogen und die schweißtreibenden Stunts selbst enden zuweilen ebenso sinnlos wie peinlich im Bett der Hauptdarstellerin.

Für den geplagten Stuntman ist das eigene Leben schließlich .nur noch eine Drehbuchseite“. Dem Kinopublikum illustriert „Der lange Tod des Stuntman Cameron“ bestenfalls die Unfähigkeit der Filmleute, wirkliches Leben und echte Gefühle zu inszenieren.