Elvis Costello – My Aim Is True


Ein unscheinbarer, linkischer, frustrierter Computer-Operator, der Declan Patrick McManus heißt, mit seiner Familie in den Londoner Suburbs lebt, seltsame Klamotten trägt, der mit einer Krankenkassenbrille auf der Nase aussieht wie ein Buddy Holly für Arme und in seiner Freizeit Tiraden über Gott und die Welt ins Mikrophon bellt: nicht gerade der Stoff, aus dem Rock’n’Roll-Träume gemacht sind? Falsch. Denn im Jahre 1976 finden sich tatsächlich zwei, die füreinander geschaffen sind: ein Künstler, der alsbald sehr zu Recht als einer der größten Songwriter seiner Generation gelten wird; und ein frisch aus der Taufe gehobenes Label, das mit Sprüchen wie, „If it ain’t Stiff, it ain’t worth a fuck“ und einer imposanten Künstlerriege für Furore sorgt. In weiteren Rollen: eine Pubrock-Band namens Clover [später in Teilen als The News in Diensten von Huey Lewis tätig]; ein gewisser Nick Lowe als Produzent; sowie Jake Riviera und Dave Robinson, die Gründer jenes Stiff-Labels, die für ihren Schützling das Alter ego Elvis Costello kreieren und abgefeimt genug sind, auf dem Cover von myaim is true zigfach – klein, aber unübersehbar – den Slogan „Elvis is king“ zu drucken. Kurz nach Veröffentlichung des Albums stirbt Elvis Presley, und schon raunen viele altvordere Rock’n’Roll-Gralshüter pikiert von „Blasphemie“. Doch ist es nicht dieser Zufall, der Elvis Costellos Erstling zu einem der bemerkenswertesten Debütalben überhaupt macht. Sondern die Tatsache, daß hier einer mit den richtigen Fähigkeiten zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Der Punkrock wirbelt die erstarrte britische Musikszene durcheinander, und Freund Costello ist mittendrin: mit dem falschen Outfit zwar, aber mit der passenden Attitüde, mit Power, mit Wut und vor allem mit durchgehend famosen Songs, in denen sich Pop und Punk, Pubrock und Rock ’n’Roll zu etwas grandiosem Neuen verdichten. In sechs jeweils vierstündigen Sessions [Gesamtkosten: 1.000 Pfund] werden die zwölf bzw. 13 Stücke – die im November 1977 veröffentlichte amerikanische Version des Albums enthält zusätzlich die Single „Watching The Detectives“ – eingespielt. Die ersten beiden 45er, das fulminante „Less Than Zero“ und das berückende „Alison“, verhallen zwar noch nahezu ungehört. doch die LP schlägt ein wie eine Bombe: Der komische Kauz mit der Krankenkassenbrille ist über Nacht ultrahip. „Popmusik macht plötzlich wieder Spaß“, frohlockte damals nicht nur der Musikexpress.

Aufgenommen: Ende 1976 / Anfang 1977 in den Pathway Studios, London

Produzent: Nick Lowe

Beste Songs: „Miracle Man“, „(The Angels Wanna Wear My) Red Shoes“, „Alison“

Höchste Chartsposition GB: 14