Eric Clapton


Mit Live-AIben hatte es schon immer eine besondere Bewandtnis: Meist kamen sie heraus, wenn die Band kurz vor der Auflösung stand bzw. wenn sie schon aufgelöst war. Wenn wahrscheinlich kein neues Material mehr kommt, dann müssen schnell noch ein paar alte Live-Mitschnitte dran glauben. Besonders bei Eric Clapton traf diese Situation von jeher den Nagel auf den Kopf.

Das liebe Management Da Eric nun mal nicht einer der Fleißigsten ist, gönnt er sich zwischen jeder Gruppe eine längere Pause, die seinem Management, der Robert Stigwood Organisation (RSO) natürlich nicht sonderlich viel einbringt und daher nicht in den Kram paßt. Aber zum Glück ist Stigwood ja nicht auf den Kopf gefallen. Kr hat längst ein eigenes Label ins Leben gerufen, um auf diese Weise sogar den größten Happen des ganzen Kuchens abzubekommen. Mit andern Worten: F.s liegt ihm sehr am Herzen, so viele Platten wie möglich herauszubringen. Und wenn kein neues Material vorhanden sein sollte, wird kurzentschlossen auf altere Live-Aufnahmen zurückgegriffen. Und sollten diese auch mal nicht mehr auszuwerten sein -, selbst Stigwoods Gewissen kennt Grenzen – erreichen „Greatest Hits“-Pakete, „Best of . . .“- und „History“-Platten den Markt. So kommt es, daß Stigwood heute mit riesigem Vorsprung der größte „Zauberer“ der Szene ist: Aus den nur vier Cream-Alben zauberte er mit Leichtigkeit inzwischen runde zwanzig Stück. Weitaus haarsträubender ist aber, daß wahrscheinlich noch die 50. Verschnitt-LP von ihm ihre zahlreichen Käufer finden wird . . .

Gibt’s die Band nicht mehr?

Aber zurück zu den Live-Platten. Nach „E.C. Was Here“, einer übrigens absolut unwichtigen und minderwertigen Veröffentlichung, die F.rie in keiner Weise gerecht wird, liegt die Vermutung nahe, daß seine letzte Hand, mit der er auch in Deutschland unterwegs war, in nächster Zeit aufgelöst wird, oder vielleicht schon ist. Kinc definitive Nachricht in dieser Sache wird natürlich erst herausgegeben, wenn’s geschehen ist. Gehen wir einmal von der Tatsache aus, daß es bald soweit ist, dann bleibt die Frage offen: Sollen wir um sie trauern oder sie zum Teufel wünschen? „Gott“ Clapton hat sich seit seiner „Auferstehung“ Anfang letzten Jahres so sehr verändert, daß die meisten alten Fans vermutlich dafür plädieren werden, die „Ocean Boulevard“-Truppe zu vergessen. Wir sind da etwas anderer Ansicht!

Falsche Vorstellungen In erster Linie weil wir meinen, daß F’ric seit seiner Dclaney & Bonnie-Zeit und „Layla“, um 1970 herum, erstmals wieder in einer Gruppe spielt, in der er sein kann, was er eigentlich immer (nur) sein wollte: Gitarrist innerhalb einer guten Band. Nicht Leadgitarrist mit einer Baekinggroup und schon gar nicht Solo-Musiker mit einer Rhythmus-Sektion hinter sich. All die Jahre hindurch hat er immer wieder versucht, mit diesen völlig falschen Vorstellungen aufzuräumen, aber die Fans, so treu sie ihm auch sein mögen, wollten es ihm schlicht und einfach nicht abnehmen. Sie klammerten sreh verzweifelt an ihren „Slowhand“ mit den stundenlangen (am Fncle meist nichtssagenden) Soloexkursionen und an den „besten Gitarristen aller Zeiten“.

Der Schlußstrich F.s ist eine Tatsache, daß dieses Mißverständnis und der daraus resultierende psychische Druck lange Zeit auf Clapton zentnerschwer lastete. Fr hält sich nämlich absolut nicht für einen Weltklasse-Gitarristen. Dies ist einer der Hauptgründe für sein späteres Versagen, ebenso für seine Frustrationen und die spätere Heroin-Abhängigkeit, deren Folgen er nur sehr knapp entkam. Man stelle sich nur mal vor, mit welchen Gefühlen er auf der Bühne gestanden haben muß. Kr sah nicht die geringste Chance zu sich selbst zurückzufinden. Man kann ihm nur zu der Kraft gratulieren, die er brauchte, um Cream aufzulösen, mit Blind Faith Schluß zu machen und den Dominos den Laufpaß zu geben. Danach war denn aber auch endgültig Schluß. Die Reserven waren verbraucht.

Ein neuer Anfang Drei Jahre verkroch er sich in seinem Landhaus in Sussex undverfiel mehr und mehr dem „Naughty Powder“. Kr war wie geliihmt und konnte so gut wie nichts mit sich anfangen. Erst als ihm langsam das Geld ausging („Es ist sehr teuer so zu leben“) und ihm klar wurde, daß er nicht beides gleichzeitig haben konnte (Drogen und Konzerte), riß er sich zusammen und beschloß, es noch einmal zu versuchen. Er unterzog sich den Strapazen einiger Entziehungskuren und fuhr daraufhin nach Wales, wo er einige Zeit als Farmer wirtschaftete. Als er schließlich von dort zurückkehrte, ging es ihm schon wesentlich besser und er begann, neuen Mui zu fassen. Also besuchte er Stigwood, der die ganze Zeit schon nervös in den Startlöchern gescharrt hatte, und teilte ihm mit, daß er für ein Comeback bereit sei. Den Rest kennt ihr sicher: Pressekonferenzen (Old Slowhand is back), die Sessions im Criteria-Soundstudio in Miami, die neue Band und die USA- und Europa-Tourneen.

vom Heroin zum Alkohol und wie sieht es inzwischen aus? Den harten Drogen hat er Gott sei Dank entsagt. Mierdings ist er nunmehr auf dem sogenannten A-Trip. was‘ heißen soll, daß er momentan meist stockbetrunken auf der Bühne steht und ohne Flasche nicht mehr allzuviel mit ihm anzufangen ist. Das Kapitel „unbewältigte Vergangenheit“ ist ganz offensichtlich noch lange nicht abgeschlossen. Eric ist trotz seines neu erblühten Lebensgefühls (Erinnert ihr euch noch an die ersten neuen Fotos von ihm im farbigen Pullover, dem Bart und mit kurzen Haaren und einem Lachen im Gesicht, wie man es lange nicht mehr bei ihm gesehen hatte?) heute nicht sonderlieh weit von dem Punkt entfernt, der ihn vor ca. vier Jahren zum Einsiedlerdasein zwansz.

Wieder ein leichter Abfall Das für die meisten so plötzlich eingetretene neue Bild ihres Eric Clapton müßte konsequenterweise eigentlich wieder korrigiert werden. Sein „Ocean Boulevard“-Album zeigte ihn zwar in Glanzform und ließ vor allem diejenigen aufjubeln.

die ihm zwar die ganze Zeit über die Treue gehalten, ihn aber an sich aufgegeben hatten. Er bewies damit, daß er nach wie vor zu den ganz großen Könnern (und Neuerern) zählte, freilich auf einer völlig anderen Ebene als man’s von ihm gewojint war. Mit dieser Platte hatte er endlich eines seiner gesteckten Ziele erreicht: Mit möglichst wenig Tönen einen optimalen Eindruck zu hinterlassen. Aber leider schon der Nachfolger fiel dagegen flacher aus. wirkte teilweise abgeschlafft und ohne Feuer. „There’s One In Everv Crowd“ war ein recht durchschnittliches Album gemessen an Erics Maßstäben. Von der Livc-LP reden wir besser nicht. Am besten man sieht sie als einen bösen Streich der Stigwood-Organisation an – einen Schiac ins Wasser.

Die Gleichberechtigung Einer der Gründe, warum Clapton immer und immer wieder Schwierigkeiten mit sich selbst bekam, war sein Wunsch nach Gleichberechtigung innerhalb seiner Gruppen. Er sähe es am liebsten, wenn alle Mitspieler gleichbedeutend und wichtig nebeneinander spielen würden, und mit“.Ocean Boulevard“ wollte er vorrangig seine Mitmusiker befriedigen und erst in zweiter Linie das Publikum. Natürlich liegt so etwas nicht im Interesse seiner alten puritanischen Fans und auch nicht im Sinne von Stigwoods Organisation. Er lebt schließlich vom Superstar-Status seines Schützlings. Insbesondere „On The Road“ blieb Eric meist nichts anderes übrig, als seine Supergitarristen-Rolle mundgerecht zu servieren, ob er nun wollte oder nicht. Nach seinen üblen Erfahrungen der Cream-, Blind Faithund Delaney & Bonnie-Periode dürfte es niemanden mehr verwundern, wenn er schon bei dem Gedanken an Verantwortung und Solistenposition butterweiche Knie bekommt.

..Es könnte sein, daß ich wieder drei Jahre arbeite und spiele, um mich danach wieder für drei Jahre zum ‚Winterschlaf zurückzuziehen“, erklärte Eric Clapton anläßlich seines Comebacks letztes Jahr, aber es scheint, als ob es dieses Mal nicht mal drei Jahre würden.