Faith No More


Die ‚Live-Music-Hall‘ ist zum Bersten voll. Immer wieder wühlen sich Ten-Somethings mit schweißnassen T-Shirts zurück zum Ausgang, jeder kämpft um jeden Zentimeter Raum, es ist die Hölle. Und es ist Vollmond. Ein Mädchen reißt sich den BH vom Leib und wirft ihn Sänger Mike Patton vor die Füße. Der reagiert gelassen. Bewundernd hebt er den schwarzen Fummel auf und erkennt fachmännisch: „It’s too big for me.“

Patton wirbelt wie ein Springteufel über die Bühne. Der Mann schont seine Kräfte nicht. Während Stakkato-Riffs den Rhythmus zu ‚Get Out‘ anfeuern, krümmt sich Patton wie besessen über seinem Mikrofon und röchelt unverständliche Textbrocken. Wie immer bei Live-Gigs, überpowert er seine Stimme ohne Rücksicht auf Verluste.

So wie Faith No More mit verschleppten Rhythmen, Tempowechseln und kruden Brüchen zwischen metallischer Härte und Filigranarbeit ihre eigene Handschrift gefunden haben, lebt auch das Konzert von der Dramaturgie der Abwechslung. Kaum zu glauben, daß sich Patton in wenigen Sekunden vom Berserker in einen charmanten Balladensänger verwandeln kann. Als das Intro zu ‚Easy‘ erklingt, lassen sich die Mädels auf den Schultern tragen. Patton selbst meint zwar, er habe den Song in einem Anflug von schlechter Laune geschrieben. Doch er singt ihn mit einer unterkühlten Prägnanz, die keinen Vergleich zum Studiowerk scheuen muß.

Spätestens beim Solo stellt sich dann die Frage, ob der Gitarrist und ehemalige Roadie Dean Menta ein gleichwertiger Ersatz für den ausgeschiedenen Jim Martin ist. Die Antwort: Obwohl dem Neuen die Expressivität und Ausstrahlung von Martin fehlen, spielt er seine Parts solide und scheint voll ins Bandgeschehen integriert zu sein.

Zum rasenden Höhepunkt des 90 Minuten-Sets gerät ‚Epic‘, jener Song, mit dem FNM 1990 erstmals die Charts besetzten. Nur hin und wieder schenkt Sänger Mike Patton den Fans ein bißchen Raum zum Luftholen, etwa am Ende mit der Ballade ‚Evidence‘ und – als Zugabe mit einer Cover-Version der Bee Gees-Schnulze ‚I Started A Joke‘ – auch das gestatten sich Faith No More inzwischen.