Fliegende Holländer


Sie bescherten nicht nur dem Österreicher Falco mit „Rock Me Amadeus“ den ersten Welthit, auch die alternden Rock ’n‘ Roller von Status Quo erlebten mit der B & B-Komposition „In The Army Now“ ihre erste Nummer-Eins-Single. Nun wollen die Brüder vom Mischpult in den Mittelpunkt. Das heißt: Dort waren sie eigentlich immer schon. Aber das ist eine eigene Geschichte. Martin Brem erzählt sie.

Blenden wir zurück. 1972. Amsterdam liegt im Spät-Hippietaumel mit Blumen im Haar, Flötenspielern auf Hausbooten — und den ersten kriminellen Auswüchsen, die der ständig steigenden Anzahl Heroin-Abhängiger zuzuschreiben sind. In einer dieser — auch im holländischen TV — unsäglichen Samstagabend-Shows treten zwei pubertierende Buben auf, die mit breitem Grinsen und einer gräßlichen Schnulze namens „The Summer of 71“ die Großmuttis der Nation zu erfülltem Jauchzen hinreißen.

Nach einigen Jahren großer Erfolge brachte die Omi-Schiene keine neuen Reize mehr, und so verlegten sich Rob (heute 30) und Ferdi Bolland (31) aufs Komponieren und Produzieren. „Das war eine lehrreiche, weil frustrierende Phase“, erzählt Ferdi, der ältere und bedächtigere Bruder. „Wir waren drei Jahre lang bei der holländischen EMI als Hausproducer verpflichtet. Jedesmal wenn wir eine Idee hatten, ein Demo davon machten, gab es eine Konferenz — und irgendwelche Plattenfirmenleute meinten plötzlich, das Intro wäre zu lang oder die Strophe müsse geändert werden. Und wenn am Ende der Refrain der Putzfrau nicht gefallen hat, konntest du gleich wieder einpacken!“

Die spärliche Bilanz nationaler Erfolge war den Brüdern bald zuwenig. Vor fünf Jahren faßte man dann den Entschluß, in Zukunft nur mehr für sich selbst verantwortlich zu sein, und gründete die Produktionsfirma „Le Disque Holland.“

Die erste selbstproduzierte LP trug den Titel THE DOMINO THEORY und der Erfolg gab den beiden Jungunternehmern recht. Die Single „In The Army Now“ schaffte in Italien und Skandinavien Nummer Eins-Positionen und verkaufte auch in Deutschland passabel.

Mit dieser Basis schoben sich die Brüder langsam aber sicher in den internationalen Markt. Von Beginn an war man auf der MIDEM, der größten Musikmesse der Welt in Cannes, vertreten und handelte dort jedes Jahr neue Deals mit Vertragspartnern aus aller Herren Länder aus. Rob: „Wir suchen uns unsere Kompagnons ganz genau aus. Denn was haben wir davon, bei irgendeinem Multi mit großem Namen unterzukommen, bei dem du die dritte Ablage rechts unten bist. Lieber haben wir Leute, bei denen wir wissen, daß die sich für unser Produkt richtig einsetzen. „

Was mittlerweile auch von größeren Plattenfirmen garantiert werden kann. Denn spätestens seit dem gigantischen Erfolg des österreichischen Falken Johann Hölzel, dessen kränkelnde Karriere durch die Bollands wundersam gesundete, nicht zuletzt auch durch die Revitalisierung der angegrauten Drei-Griff-Athleten Status Quo, meint die Fachwelt, die Sunnyboys aus Holland hätten zur Zeit den goldensten aller Riecher.

So soll man beispielsweise nun den guten alten Roger Chapman wieder aufmöbeln. Die Brüder wollen ihn vom Image des schwitzendschmutzigen Live-Club-Acts befreien, zwar schon mit gitarrenorientierter und tanzbarer Rockmusik operieren, aber mit zeitgemäßeren Sounds eben auch Radiomacher auf der ganzen Welt und den CD-Käufer begeistern.

Ferdi: „Der Mann hat eine ungeheure Persönlichkeit, und wir stellen uns vor, daß selbst kleine Kinder in den Plattenladen laufen müßten, einfach weil sie die Songs so toll finden. Wenn die Kinder die Platte hören, dann darf es in diesem Moment nicht relevant sein, daß der Typ schon 40 ist und ein ganzes Leben hinter sich hat. Es wird aber sicher so sein, daß wir uns an ihn anpassen und nicht umgekehrt. „

Die Bollands machen keinen Hehl daraus, daß sie nie zu der Sorte Musiker gehörten, die man gemeinhin als „ehrlich“ definiert, weil sie jahrelang in dunklen Kaschemmen ihren privaten Blues zelebrierten. “ Wir haben immer im Studio gearbeitet und nur da sind wir kreativ!“

Und so verstehen sich die beiden auch mehr als Stylisten. Steht eine Produktion an, so ziehen sich die Holländer — jeder für sich — zurück, um ihre musikalischen Ideen genau passend zum Gesamtbild des jeweiligen Künstlers zurechtzuschneidern. Zusammen werden die Demos sortiert und die besseren Songideen weiter ausgearbeitet.

„Bei den I2-inch-Mixereien fängt für uns das Abenteuer über erst richtig an“, schildert Robbie. Da wird bis zum Exzess mit Sounds experimentiert —und es passierte auch schon mal, daß vom Original-Song nur mehr die Stimme des Sängers übrigblieb; der Rest des Arrangements wurde komplett neu instrumentiert. Allein von „Rock Me Amadeus“ existieren schätzungsweise an die 50 verschiedenen Versionen. „Wobei man hier zwischen Mixing und Edit — also Mischen und Schneiden — unterscheiden muß. Die offizielle Single-Version in den Staaten beispielsweise wurde von der amerikanischen Firma aus drei verschiedenen Maxi-Mischungen, die wir gemacht hatten, zusammengeschnippelt.“

Zur Zeit basteln die Brüder am eigenen Album, das noch keinen Titel trägt, wo man auch noch nicht weiß, welcher Song als erste Single veröffentlicht wird, aber bereits zwei werbewirksame TV-Gigs in großen deutschen Shows fix gebucht sind, ohne daß die Programmacher auch nur einen Ton gehört hätten. Ferdi dazu spitzbübisch: „Wir Holländer haben das Kaufmännische halt einfach in uns!“

Gibt’s eigentlich den Traumkünstler, für den die Gebrüder einmal arbeiten möchten? Ferdi: „0 ja, Frank Sinatra! Mit seiner ganzen Geschichte und dem Mafia-Drumherum… der würde mich schon reizen. Der kann singen und hat soviele schöne Skandale hinter sich!“

A propos — wo sind eigentlich die Skandale bei Bollands? „Hm… gibt’s bis jetzt keine, da suchen wir noch einen richtig schönen. Hast Du eine Idee?“

Und Rob? Wen bewundert er?

„Das ist schwierig, ich mag von Country & Western-Leuten bis zu den Beastie Boys und wieder retour so ziemlich alles und jeden. Aber einen Produzenten wie Arif Mardin (Culture Club, Aretha Franklin u. v. a. abfinde ich toll. Der ist 64 und total gut drauf.

So gut und so alt macht‘ ich in dem Geschäft auch mal werden. Das wünsch‘ ich mir zum Geburtstag. Jedes Jahr.“