Foreigner: Erfolg im Exil


Im amerikanischen Exil stießen die britischen Rock-Veteranen um Mick Jones endlich auf Gold. Den Erfolg jenseits des Atlantiks mußten sie diesseits aber teuer bezahlen: In Europa gilt Foreigner vielen als Inkarnation gesichtsloser Rockmusik made in USA. Nach personellen und musikalischen Änderungen und einem überzeugenden Auftritt in der "RockPop"-Nacht könnte sich jetzt das Blatt wenden.

„Also, von Jahr zu Jahr kommt immer weniger echte Weihnachtsstimmung auf“, zeigt sich der Dortmunder Taxifahrer verschnupft.

Das liegt vor allem daran, daß im Radio nur noch dieser ausländische Scheiß von den Tommies läuft, aber keine schönen deutschen Weihnachtslieder mehr. Sie können mir das glauben. Ich verfolge das genau.“

Die Hoffnung, meinen Chauffeur am Steuer eines japanischen Datsun zu ertappen, zerschlägt sich mit einem Blick auf das Handschuhfach. Er fährt – treudeutsch – VW Passat und entspricht auch mit seinen forschen Sprüchen dem gegenwärtigen „Hoch“ einer neuen Ausländerfeindlichkeit. Daß dennoch das ganze Volk abwechselnd Hamburger und Pizza in sich hineinstopft und im Urlaub nach Mallorca jetten muß, wundert nur noch den Chronisten.

Der nach wie vor grassierenden Ausländer-Feindlichkeit haben Foreigner mit ihrem Namen anscheinend gleich den Wind aus den Segeln nehmen wollen. Der schlichte Bandnamen Foreigner bezieht sich auf die Emigration zweier verdienter britischer Rock-Veteranen: Mick Jones (Leadgitarre/Keyboards), einst Ur-Mitglied der Spooky Tooth sowie Ian McDonald (Keyboards/Blasinstrumente), der an der Seite von Robert Fripp für das erste Kapitel King Crimson mitverantwortlich zeichnete, verließen die Heimat, um ihr Heil im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu suchen. Frustration über die bestehende Management-Situation in England und mangelnde Anerkennung ließen beide den Traum von einer „ordentlich geführten Band, die man zum Erfolg führen könnte“ träumen.

Zusammen mit Landsmann Dennis Elliot (Schlagzeug) und den Einheimischen Lou Gramm (Gesang), Al Greenwood (Keyboards) und Ed Gagliardi (Baß) ging man an die Realisierung. Schon mit ihrem ersten Album FOREIGNER (1977) gelang dem Sextett mit den Singlehits „Cold As Ice“ und „Feels Like The First Time“ der Durchbruch in der neuen Welt.

Überlegungen, warum Foreigner auf Anhieb akzeptiert wurden, laufen immer auf die Mutmaßung hinaus, es habe wohl an „der richtigen Chemie“ (ein erklärtes Lieblingswort meiner Gesprächspartner) gelegen, meint: die richtigen Elemente seien zusammengekommen und die richtige Verbindung eingegangen. Dabei wurden in frühen Rezensionen immer das gleichberechtigte Nebeneinander englischer und amerikanischer Rocktraditionen als wesentlicher Erfolgsfaktor herausgestrichen.

Heute, nachdem mit Bassist Rick Wills zu den Aufnahmen von HEAD GAMES ein weiterer Brite in die Reihen Foreigners eintrat, nachdem sich die Gruppe vor den Aufnahmen zu „4“ von Ian und Al trennte, hat sich das Verhältnis Engländer/Amerikaner auf 3 :1 verschoben. Wer allerdings im Foreigner-Sound heute der wird sich vergeblich bemühen. Foreigner gilt als eine der amerikanischsten unter den amerikanischen Bands. Und selbst Rick, der erst vor gut zwei Jahren nach New York übersiedelte, ist bereits so weit vom american way of life vereinnahmt, daß Lou, Amerikaner, witzelt:

„Hör mal, wie der „Quarterpound“ ausspricht.“ Rick versucht die Blöße zu verdecken, indem er darauf verweist, er sei lediglich müde geworden, auf jedes Bekenntnis, ja, er sei Engländer, mit der Frage konfrontiert zu werden: „Dann müßten Sie eigentlich meinen Verwandten kennen. Der wohnt auch in England.“

Auch Album Nr. 2, DOUBLE VISION, schlug in die gleiche Kerbe wie das Debüt. Diesmal hießen die Hits „Double Vision“ und „Hot Blooded“. Mick Jones, dem musical director, war es gelungen, den Übermachtserfolg zu stabilisieren. Dreieinhalb Jahre war man fast ohne Unterbrechung auf US-Tournee, hat die Szene abgegrast und allen Platten zu mehrfachem Platin-Status verholfen.

Nach Europa kamen Foreigner bereits in einem Frühstadium ihrer Karriere. Die Gigs damals waren – so Zeugen der BRD-Tour reichlich in die Hose gegangen. Schlechter Sound, schlechte Organisation – eine einzige Katastrophe. Lou kommt nicht umhin, das Desaster zu bestätigen. Das schlechte Gewissen drückte sie noch bis in den Sommer ’81 hinein. Die schlechte Reputation reizte jedoch gleichermaßen, dem Image der selbstgefälligen Superstars ein korrigiertes Bild entgegenzusetzen.

Apropos Superstars: man könnte den Eindruck gewinnen, daß sich Foreigner mit den stark frequentierten Sommer-Open-Airs und den beiden RockPop-Abenden, deren Ausstrahlung im Januar ihnen ein Millionenpublikum beschert haben dürfte, nur die Rosinen aus dem Angebot herausgepickt haben. Gehört das zum Konzept?

Die Band ist peinlichst darauf bedacht tiefzustapeln. Klar, in den USA sei man top. „4“ wurde gerade erst von AC/DCs neuestem Streich vom ersten Rang der Album-Charts verdrängt. Der Rest der Welt auf dem Globus sei zwar kein unerforschtes Gebiet mehr, doch hart zu arbeiten habe man noch allemal. Lou: „Es beginnt langsam, so richtig zu laufen. Zum ersten Mal haben wir einen Nr.-l-Hit in Südafrika. In Venezuela notierte man uns auf Rang 2 – und zum ersten Mal überhaupt platzierte sich eine unserer Singles in der englischen Top 30. Ich glaube, ein Problem außerhalb Amerikas war immer, daß man aufgrund unseres Riesenerfolges dort eine vorgefaßte Meinung von uns hatte. Jetzt, wo man auch anderswo die Chance bekommt, uns live zu sehen, hat das Publikum die Möglichkeit, sich fernab jeden Hypes eine eigene Meinung zu bilden.“

Das Stichwort Rehabilitation hierzulande muß zwangsläufig fallen. Lou: „Klar kamen wir auch rüber, um die Fans nachträglich zu entschädigen.“ Und Rick ergänzt: „Das neue Album läuft besser als alle anderen zuvor. Wir haben jetzt auch hier festen Boden unter den Füßen.“

Foreigner sind Günstlinge des kaum durchschaubaren amerikanischen Radiosystems. Selbst eine Band wie Saga, deren Sound man mit Bestimmtheit nicht revolutionär nennen kann, hat bislang wenig Eingang in amerikanische Programme gefunden und konzentrierte sich, was ihre Arbeit betrifft, neben Kanada vor allem auf Europa. Junge Bands haben kaum eine Chance“, bestätigt Lou.

Foreigner, die sich seit jeher Experimente nur im eng abgesteckten musikalischem Rahmen erlaubt haben, können trotz ihres Status kein Risiko eingehen. Wollen es auch nicht. Saga-Schlagzeuger Steve Negus sagt unverblümt, wie er Foreigner einschätzt. „Es ist eine Formel die funktioniert.“

Und er sagt das ohne Neid. Rick: „Jedermann ist gezwungen, so vorsichtig und achtsam wie möglich zu sein. Wir haben einen Status erreicht, den es zu festigen und erhalten gilt.“ Noch sind sie in der glücklichen Lage, daß jedes neu veröffentlichte Album automatisch Airplay erhält.

Die rein business-orientierte amerikanische Szene scheint die Engländer zu faszinieren. „Warum es drüben bessere Managements gibt als hier?“, stellt Rick eine Frage, die er gleich selbst beantwortet.

„Ein Problem außerhalb Amerikas war immer, daß man aufgrund unseres dortigen Erfolges eine vor gefaßte Meinung von uns hatte.“

„Weil in Amerika alle an Geschäft und Geld interessiert sind. Es bleibt einfach keine Zeit für Durcheinander. In Amerika zu versagen, bedeutet eine große Null zu sein.“

Versucht man Foreigner jedoch, pure Strategie zu unterstellen, indem man frech die Frage stellt, ob sie den Erfolgsproduzenten Robert ‚Mutt‘ Lange (AC/DC) engagiert hätten, um die Nummer Eins vorzuprogrammieren, dann betont Rick, daß „man einen Plan haben muß, nachdenken muß und sich über jeden Schritt, den man tut, im Klaren sein muß hin auf dem Weg zu einem klaren Ziel“ und Lou läßt keinen Zweifel daran, daß man zwar eine Nr. 1 angestrebt habe, doch: „Kein Produzent kann das garantieren“.

‚Mutt‘ Lange war derjenige, der den Musikern in der schwierigen Situation ihrer Laufbahn den nötigen Rückhalt und darüber hinaus die benötigten Kicks (auch in den Hintern) gab, als diese nach der Trennung von zwei Gründungsmitgliedern der Blues befiel. Die Arbeit im Quartett wirkte, nachdem der erste Schock überwunden war, dennoch beflügelnd. Man mußte nicht mehr darüber nachdenken, wie jeder der vormals sechs Musiker innerhalb eines Arrangements ausreichend beschäftigt werden könnte, sondern man konnte zu viert die basic tracks einspielen und sich dann darüber Gedanken machen, wie weitere Instrumente zu integrieren seien. Rick: “ Wenn du eine Idee hast, sie anbietest, dann erwartest du doch, daß damit etwas passiert, daß der eine Funke einen weiteren entfacht, der den nächsten, du dir Bälle zuspielst wie beim Tennis. Diese Situation war mit Ian und Al nicht mehr gegeben. Hätten wir diese Situation nicht geändert, wäre eine Stagnation unausweichlich gewesen. Es wurde einfach lächerlich. Und so steril, nicht wahr?“ wendet er sich an Lou. „Nicht die Ideen selbst waren steril. Die Ausarbeitung der Ideen verlief in allzu starren Bahnen“, schwächt Lou ab.

Stellt sich automatisch die Frage, wie Foreigner selbst ihre Platten im Vergleich beurteilen. „Dennis und Lou konnten als Rhythmussektion erstmals richtig losziehen „, meint Lou. „Das hat immer gefehlt. Und wir haben diesmal mehr Wert auf die Texte gelegt.“

Das wäre freilich ein Punkt, dem man einen eigenen Artikel widmen könnte. „Unsere Texte bewegen sich heute mehr auf einem street level“, erstaunt Rick mit der Feststellung, daß man früh morgens, wenn man aus dem Studio kommt, zwangsläufig mit dem vielschichtigem Leben in New York konfrontiert wird. NYC, der Schmelztiegel, dem wir Künstler wie die Talking Heads, Blondie und Kurtis Blow verdanken, beeindruckt auch Rick Wills.

„Das prägt. Du siehst von all dem jeden Tag ein bißchen. Und du kannst unzählige Ideen sammeln.“