Fräulein Funk


Aus Liebe kam sie, zum Leben blieb sie. Chaka Khan tauschte Manhattan mit Mannheim. Und will den Duft der kleinen alten Welt nicht mehr missen

Seit drei Jahren lebt sie schon hier — mit deutschem Boyfriend und zwei Kindern aus einer früheren Ehe. Jch fühle mich hier sehr wohl“, sagt sie. „Das Lehen in Mannheim läuft so geordnet, daß man gar nicht erst auf die schiefe Bahn kommt. „

Das traute Familien-Idyll beendete eine der zahlreichen „turbulenten Phasen“ im Leben der 39jährigen Sängerin, der man früher wegen ständiger Drogen-Eskapaden prophezeit hatte, sie werde das 31). Lebensjahr nicht erreichen. Frage an Chaka: Braucht sie ein gewisses Maß an Chaos, um kreativ sein zu können?

„Auljeden Fall: Angst, Chaos und Unglück verschaffen dir den Energieschuh, den du brauchst, um dich selbst auszudrücken. “ Nicht immer (genauer gesagt: „meistens!‘) gelinge es ihr jedoch nicht, eine vernünftige Balance zu finden …

Die Exzesse vergangener Zeiten, die der damaligen Frontfrau von Rufus den Spitznamen „Chaka The Terrible“ eintrugen („Wer immer mich so genannt hat, hat esbestimmt verdient, daß ich mich ihm gegenüber damals so furchtbar aufgeführt habe!“), seien vor allem ein Ausdruck von Unsicherheit gewesen, fügt sie hinzu.

Jch habe immer noch Selbstzweifel, aber ich habe gelernt, unfeine weniger lebensgefährliche Weise mit ihnen umzugehen!“ Ihre Jahre als Twen wolle sie auf keinen Fall noch einmal durchmachen: „Meine .zwanziger Jahre‘ waren schmerzhaft, ich hatte keine Kontrolle über mein Leben. “ Chaka Khan, die es in den 8üern von Los Angeles nach New York zog, weil sie die 24-Stunden-Action von Manhattan dem relaxten Kalifornien vorzog, sieht man heutzutage mit Einkaufskörbchen durch Mannheim wandern. Jch besuche meine Freundin in ihrem Gemüseladen und radle in der Stadt herum. Mittwochs und freitags ist Waschtag“, berichtet die singende Hausfrau. „Mich stört nur, daß die Geschäfte so früh schließen!“

Das Stichwort“.Ausländerfeindlichkeit“ ist für die einstige Black Panthers-Aktivistin kein Thema. „Ich habe in Deutschland in punklo Rassismus noch nichts erlebt, mit dem ich nicht fertiggeworden wäre — nichts, das ich nicht schon in den USA erlebt hätte. Was bei euch die Neo-Nazis sind, ist in den USA der Ku Klux Klan. „

Die Jahre in Deutschland haben auf Chakas neuem Album „The Woman I Am“ Spuren hinterlassen. Jch habe hier eine Menge Freunde mit Mini-Studio, die mir ständig Demo-Bänder zustecken. In Deutschland steht die Technologie noch stärker im Vordergrund als in den USA, weil sie mehr experimentieren — und weil es hierzulande nicht so viele Musiker gibt.“

Chaka arbeitet seit geraumer Zeit mit der deutsch-amerikanischen Band Zebra zusammen, „vor allem weil sie große Jazz-Fanatiker sind.“

Der LP-Track „Telephone“ führte sie sogar ins tiefste Bayern, ins Studio von Haindling-Mastermind Hans Jürgen Buchner. „Für mich der Bob Dylan Deutschlands“, schwärmt sie von ihrer „heftigen Zusammenarbeit“ ‚mit dem bajuwarischen Original. „Ich war zwei Tage in seinem kleinen Dorf. Er spielte mir eine Menge seiner Songs vor – mit Soundeffekten wie Schniefen, Schnaufen und Furzen. Ein bizarrer Typ — und übrigens ein hervorragender Rapper.“

Szenenwechsel – von Bayern nach Burbank. Während eines Besuchs in LA, bei dem sich Chaka „ums Business“ kümmert, schaut sie bei ihrer amerikanischen Plattenfirma vorbei. „Mittlerweile ist es ftir mich ein größerer Kulturschock, wenn ich nach Amerika zurückkehre“, erzählt sie im Konferenzzimmer ihrer US-Firma. „Es ist eine Tragödie, wie viele Jugend-Gangs es allein hier in LA gibt. Die Gesellschaft kümmert sich einfach nicht mehr um ihre Kids. Mir geht auch das ständige Bombardement durch die kommerziellen Medien auf die Nenen — in Europa ist das zum Glück noch sehr viel schlichter.“

Eine weitere Einsicht der Emigrantin:

„Mir ist in Europa klargeworden, wie das Bild vom .häßlichen Amerikaner‘ entstund. Sie sind die einzigen Leute, die sich weigern, eine fremde Sprache zu lernen. Sie haben einfach keinen Respekt für irgend etwas, das nicht ihrem Weltbild entspricht. „Sie selbst spricht inzwischen passabel Deutsch und läßt sogar in ihre englischen Sätze unbewußt ein paar deutsche Fetzen einfließen f“.Be A/v Exes‘ is »IV lieblings song on the new record. „).

Welche Kollegen schätzt sie? Eine Aufzählung der Cassetten. die sie mit auf die „Dienstreise“ genommen hat, verrät’s: Joni Mitchell, meine Lieblinesmusikerin, Miles Davis, Oleta Adams, die .Greaiest Hits‘ von Aretha Franklin und die neue LP von Roger. Seine Musik erinnert mich an meine Jugend in Chicago, als wir uns in Funkadeltc-Konzerte hineinschmuggelten. Das war eine starke Zeit, die alten Acid-Tage … Alle Erfahrungen, gute wie schlechte, sind letztlich positiv. Wenn man sie überlebt!“