Frauenbands: Der Mythos bebt


„Vollkommener Blödsinn, jetzt gleich die neue Frauenrevolution ankündigen zu wollen“, sprach’s und macht uns die Geschichte zunichte. Hole-Sängerin Courtney Love, namentlich mehr als prädestiniert dazu, die neue Sumpfblüte feuchter Rockträume zu werden, hält nichts von stilisierten Hypes und gleichgeschlechtlichen Vergleichen. Trotzdem: Mädchen graben mehr denn je im Ursprungland des Rock ’n‘ Roll den Untergrund um, wühlen im Dreck verzerrter Gitarren und schreien Haß und Aggression in eine männliche Musikwelt, die so Love „nichts anderes kann, als lange Soli spielen und sich von Groupies einen blasen lassen. Und wenn sie uns sehen, sagen sie beleidigt,, Wenn wir doch nur Mädels wären, dann hätten wir’s leichter, entdeckt zu werden.‘ Weißt du, was ich denen antworte? ,Wenn ihr Mädels wärt, dann würdet ihr wahrscheinlich mit irgendeinem Star ins Bett hüpfen und sonst brav euren Mund halten. ‚“

Frauen gemeinsam sind stark, und so verwundert es nicht, daß vergangenes Jahr mit Babes In Toyland die ersten Vorbotinnen vehement lauter Frauenpower ausgerechnet mit Sonic Youth erstmals auf europäischem Boden spielten und Sonic Youth-Bassistin Kim Gordon ebenso die Debut-LP von Hole produzierte. Wenn die harten Mädchen sonst nichts gemein haben wollen, dann verbindet sie doch wenigstens der Gedanke der absoluten Unabhängigkeit. Kein Frauenbonus, keine Schublade. Babes In Toyland-Sängerin Kat Bjelland:

„Wir sind drei starke Persönlichkeilen, die rein zufällig als Frauen das Licht der Welt erblickten. Und wir machen Musik, weil wir für den Rest des Lebens ein bißchen Spaß haben wollen.“

Einen Höllenspaß, den Kat Bjelland ganz bravourös zelebriert, wenn sie auf der Bühne stöhnend und kreischend im Feedback-Gewitter mit Titeln wie „Vomit Heart“ oder „Fork Down Throat“ ihre Männerkisten zerhackt. „Girls Just Wanna Have Fun“ hat allerdings auch schon Cindy Lauper gesungen, und vielleicht ist das der Grund, warum Courtney Love ihre Kolleginnen respektvoll aber distanziert als „weibliche Cramps“ bezeichnet, die mit ihrer Musik „nicht das Geringste zu tun haben. Hole hat eine spirituelle Dimension, wir schreien nicht einfach unseren Haß raus, wir geben unserer Wut Würde und Qualität. Denn ich hasse diesen Rockstar-Mythos und die mittelmäßige Art und Weise, wie er von fast jeder Band fortgesetzt wird.“

Loves kritischem Urteil halten wenige Kollegen stand: Nirvana, Sonic Youth, Jane’s Addiction als ideologischer Grenzfall („Halb-Macho“). Den gewissen Unterschied markiert Eric Erlandson, Gitarrist zwischen der Drei-Frauen-Front, „der neue Mann“, wie ihn Courtney nennt, der nicht nur feministisches Bewußtsein hat, sondern auch sinnlicher Gitarre spielt als durchschnittliche Hauruckschrammler. Und tatsächlich birgt die Musik von Hole auf der Debut-LP PRETTY ON THE INSIDE trotz all ihrer bösartigen Härte eine unvergleichlich verführerische Qualität. Vielleicht ist ja die andere Weltsicht die richtige Perspektive: „Rock ’n‘ Roll ist keine Männersache. Wir Frauen haben ihn doch erfunden. Oder wer glaubst du hat sich damals Elvis an die Wand geklebt?“