„Fritten und Bier sind das Geburtstagsgeschenk an mich selbst“ – Nilz Bokelberg im Interview


Fritten und Bier feiern am 12. Oktober 2016 eine vorerst einmalige Livereunion. Wir sprachen mit Nilz Bokelberg über die Neunziger, Zynismus, ehemalige VIVA-Kollegen und eine Teilnahme am „Dschungelcamp“.

Wären Fritten und Bier heute, dank Internet, wohl erfolgreicher als damals?

Mit der Egal-Haltung, die wir damals hatten, würden wir auch heute nicht besonders weit kommen. Man braucht ganz andere Ambitionen, um auch YouTube, Facebook und Co. richtig durchzuziehen. Die Art von Musik, die wir damals machten, ist heute sehr unangesagt. Es ist so wenig emotional. Das Funpunkgenre ist weitgehend ausgestorben. Die Abstürzenden Brieftauben zum Beispiel haben neulich einen Anti-Pegida-Song gemacht. Eigentlich ganz hübsch geworden, dennoch ein aussterbender Ast der Musikgeschichte.

Einen wirklichen Hit hattet Ihr auch damals nicht.

Wir hatten auf dem zweiten Album einen Hidden Track namens „Bravo“. Und der ist offenbar über die Jahre ein Festival-Schunkler geworden, siehe YouTube. Auf den Campingplätzen diverser deutscher Festivals wird der am Lagerfeuer gesungen. Der ist mir auf Napster und anderen mp3-Tauschbörsen immer wieder untergekommen, aber von Tocotronic bis Kool Savas immer anderen Interpreten zugeordnet worden. Hätten wir dieses Lied als Single ausgekoppelt, vielleicht wäre es wirklich ein Hit geworden. Das hat sich verselbständigt.

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So ist man wenigstens doch nicht nur wegen seiner Haarfarbe in Erinnerung geblieben.

Genau! Ich will ja auch keine Musik machen zum Geld verdienen.

Auch Oli P hat vor ein paar Wochen sein Comeback mit einer neuen Single angekündigt.

Das finde ich super. Oli P ist einer der höflichsten Menschen des Showbusiness‘. Er hat es verdient, nochmal Erfolg zu haben. Der hat eine gesunde Selbstironie.

Wen wünschst Du Dir aus den Neunzigern noch zurück?

Mit dem Tod von MCA ist alles gestorben, was an den Neunzigern toll war. Die Beastie Boys sind eine Band, die ich immer wieder schmerzlich vermisse.

Was sind für Dich gelungene, was misslungene Comebacks?

Ich freue mich auf die Guns-N‘-Roses-Reunion. Slash ohne Axl und umgekehrt war nie Guns N‘ Roses. Dass James Iha mit Billy Corgan versöhnt ist, gefällt mir auch. Corgan hat ohne ihn nur Quatsch gemacht. Toll war auch die Livereunion von Throw That Beat In The Garbage Can im Lido, meine absolute Lieblingsband der Neunziger. Mit Sänger Klaus Cornfield habe ich danach übrigens lange zusammengewohnt, er hatte auch unser zweites Album produziert. Fan von denen war ich lange vor VIVA und Fritten und Bier. So wie ich Fan der Fantas war, bevor Michi Beck unser erstes Album produzierte.

In Deinem Buch „Endlich gute Musik“ und auf Facebook zum Beispiel vermittelst Du eine aufrichtige Liebe zur Musik und überraschend wenig Zynismus im Vergleich zum Rest der Branche. Wie schaffst Du es, Dir den fernzuhalten?

Das fühle ich selber so und das war mir auch immer wichtig. Anders geht es nicht. Es gäbe genug Gründe, an der Branche zu verzweifeln und sich in Zynismus zu flüchten. Ich finde aber Popkultur im Generellen und Musik im Speziellen zu wertvoll dafür. Mit meiner 14-jährigen Tochter teile ich Dinge, die mir gefallen und sie mit mir, auch wenn sie sich mittlerweile nicht mehr so leicht anstecken lässt. Dieser Austausch aber half mir bei der Bewusstwerdung dessen, dass ich mir einen unvoreingenommenen Blick erhalten will und nicht zynisch werde. Es ist viel sinnvoller, schöne Dinge mit der Welt und seine Begeisterung zu teilen. Eine Begeisterung, die andere ansteckt, bewirkt und erreicht viel mehr als jedem zu sagen wie scheiße alles ist.

Auch im Musikjournalismus?

Verrisse lese ich zwar gerne, weil sie oft lustig sind. Aber es bringt mir sonst nichts. Wenn ich eine begeisterte Kritik lese, hole ich mir die Platte sofort. Wenn ein Mensch für etwas, das er nicht selbst erschaffen hat, so brennen kann, dann will ich das auch hören. Das ist auch mein Ansatz der öffentlichen Kommunikation, zum Beispiel auf Facebook: Ich teile viel lieber Begeisterung als alles andere.

Jeder assoziiert etwas Bestimmtes mit den 80ern und 90ern. Was ist für Dich aus den Nuller Jahren hängen geblieben?

Nicht viel. Die Nuller Jahre sind das Jahrzehnt, in dem ich mich am allerwenigsten mit Musik beschäftigt habe. Mit 20 ist Musik das Wichtigste der Welt, ein Emotionsanker. Mit 30 passieren andere Dinge. Kinder kriegen, Zukunft planen und so weiter. Die Leidenschaft darbt dann eine Zeit lang. Danach habe ich mir diese Leidenschaft zurückgeholt. Habe wieder Vinyl und einen neuen Plattenspieler gekauft, mir Musik zurückerobert.

Und woran wird man in 10 oder 20 Jahren denken, wenn man an die gegenwärtigen 10er Jahre denkt?

Ich könnte mir vorstellen, dass das Vinylcomeback auf die Zehnerjahre angerechnet wird. Was wird noch popkulturell übrig bleiben? Superheldenfilme als das neue große Ding. Serien als die neue Erzählform. Streamingdienste als die neue Vertriebsform. Das hat alles in den vergangenen Jahren seinen Siegeszug angetreten.

Guckst Du Dir heute noch Musikvideos an?

Ja. Und ganz besonders gerne, wenn OK Go ein neues Video herausbringen. Manche mögen mir da widersprechen, aber diese Band lohnt sich auch musikalisch!

Du bist aber auch Verfechter von jedem Weezer-Album.

Hey, ich habe deren „W“ auf dem Armrücken tätowiert! Das ist die tollste Band, die es gibt. Und das weiße Album müsste doch auch die Hater wieder ruhig stimmen.

Hast Du noch Kontakt zu VIVA-Kollegen von damals? Zu wem und inwiefern?

Nein, aber ich freue mich immer, wenn wir uns mal treffen. Bei Heike (Makatsch, Anm.) freue ich mich ganz besonders, sie war ja meine beste Freundin damals. Ich freue mich auch total über Aleks Bechtel. Niemand von uns ist böse auseinander gegangen, Lebenswege verlaufen sich halt. Ein schöner Moment,wenn sie sich mal wieder kreuzen.

Aber Du hast nie mit Heike geknutscht, wie damals im Song „Heike, bitte knutsch mit mir“ gewünscht?

Das wird für immer unser Geheimnis bleiben!

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Was treibt Frank Lämmermann?

Keine Ahnung. Ich weiß, dass der vor Jahren mal in Hollywood in einem Stand-Up-Club als Moderator gearbeitet hat. Mit ihm hatte ich nie viel zu tun.

Er blieb ja auch viel mehr als Du nur wegen seiner Frisur in Erinnerung. Letzte Frage: Du bist großer Fan des „Dschungelcamp“-Formats auf RTL. Wurdest Du schon mal als Kandidat angefragt – und würdest Du einziehen?

Nein, ich wurde noch nicht angefragt. Aber für 250.000 Euro würde ich es machen. Es ist albern zu denken, dass nicht jeder seinen Preis hätte, aber ich setze meinen bewusst so astronomisch hoch an, dass ich nie auch nur die Versuchung kommen würde, mir eine Teilnahme zu überlegen.

Du lebst bei allem Respekt vermutlich nicht in den finanziell abgesichertsten Verhältnissen. Bist Du sicher, dass Du nicht doch überlegen würdest, wenn, sagen wir, 50.000 Euro auf dem Tisch lägen?

Das ist mir meine Selbstachtung nicht wert. Da muss dann schon mehr kommen!