Fritz Rau vs. Herbert Grönemeyer


Reihum knallten die verbalen Ohrfelgen, die Herbert Grönemeyer Im ME/Sounds-Interview (2/89) verteilte. Besonders schmerzhaft getroffen fühlte sich der Übervater des deutschen Veranstaltergewerbes, Fritz Rau. Nach seiner Firmen-Heirat mit MA-MA-Boß Marcel Awram In der Öffentlichkeit mehrfach gebeutelt, schlägt der 59Jährige Live-Oldie nun zurück, wir stellten Ihm vier Gretchenfragen zum Thema Kunst & Knete.

Herbert Grönemeyer warf Ihnen vor, nach außen den „Öko-Papst“ raushängen zu lassen, tatsächlich aber nur „an die Knete“ zu denken. Hat Fritz Rau zwei Gesichter?

„Mit Herbert Grönemeyer habe ich 1983 eine Deutschlandtournee mit durchschnittlich 80 bis 100 Besuchern unternommen. Die Tournee hat uns und der damaligen Plattenfirma Intercord viel Geld gekostet. Im selben Jahr habe ich auch für die Partei der Grünen die „Grüne Raupe“ organisiert. Mag sein, daß ich damals mehr über die Ziele des ökologischen Humanismus gesprochen habe, als es Herbert Grönemeyer interessierte. Dabei ging es nicht um Knete, da ich für diese Aktion sehr viel privates Geld eingesetzt habe.

Herbert Grönemeyer hat den Sinn der „Grünen Raupe“ nie begriffen, wenn er mir heute noch vorwirft, daß ich ihn „wieder ausgeladen“ hätte, obwohl er damals mein Künstler war. Die Veranstaltungen sollten kein Trittbrett für die Karriere von Künstlern sein; die Entscheidung, wer bei der „Grünen Raupe“ mitspielt, wurde von den zuständigen Gremien der Grünen getroffen. Selbstverständlich habe ich Grönemeyer und seine Band vorgeschlagen, aber er war bei den Grünen damals ganz einfach politisch nicht bekannt. Das mag sich heute geändert haben.“

Auch andere früher von Ihnen betreute deutsche Künstler scheinen auf Abstand zu gehen. Bröckelt das Image des väterlichen Freundes langsam ab?

„Es würde mich sehr betroffen machen, wenn Künstler, die mir am Herzen liegen auf „Distanz“ gingen. Dem ist aber nicht so. Konstantin Wecker arbeitet nach wie vor mit mir zusammen, mit Peter Maffay bereiten wir eine Tour für 1990 vor – und in diesem Frühjahr machen wir durch MAMA Concerts und L&R Tourneen mit Rainhard Fendrich, Richard Clayderman, Roger Whittaker, AI Jarreau,

Gary Moore, Elton John und vielen internationien Künstlern, die schon lange von Lippmann & Rau betreut wurden. Udo Lindenbergs heutige Wertschätzung mit gegenüber kann man nachlesen in seinem Buch ,El Panico‘. Mit dieser Veröffentlichung hat er mir eine große Freude gemacht. Auch der an anderer Stelle veröffentlichte Vorwurf, daß mich die Künstler Herman van Veen und Heinz Rudolf Kunze angeblich verlassen hätte, kann mich gar nicht treffen, da ich mit den beiden Sängern noch niemals Tourneen veranstaltet habe.“

Sind Herbert Grönemeyers Befürchtungen, daß nach der „Elefantenhochzeit“ mit Marcel Avram künftig wenig oder nichts mehr für den deutschen Nachwuchs getan wird, berechtigt?

„Es wird sich nichts daran ändern, daß MAMA Concerts und Lippmann & Rau viel für den deutschen wie internationalen Nachwuchs tun werden. Wir setzen uns für die noch relativ unbekannten Nina Corti und Lisa & Wendy genauso ein wie für Elton John. Für den Nachwuchs werden wir in unserer Firma eine Abteilung einrichten, die besonders mit der Clubszene zusammenarbeitet, denn auch diese muß gefördert werden und erhalten bleiben.“

Grönemeyer wirft den Veranstaltern vor, das Geld, das sie mit großen Acts verdienen, nicht in den Nachwuchs zu investieren. Demnach haben Avram und Rau „seit Jahrzehnten keine Band mehr aufgebaut“.

„Diese Behauptung ist genauso dumm wie infam. Zwischen 1978 und 1988 haben wir Aufbauarbeit mit folgenden deutschsprachigen Künstlern geleistet: Udo Lindenberg, Lake, Peter Maffay, Nina Hagen, Scorpions, Margot Werner, Kraftwerk, Stephan Sulke, Rainhard Fendrich, Ulla Meinecke, Herbert Grönemeyer, Howard Carpendale, Stefan Waggershausen oder Truck Stop – um nur einige zu nennen.

Auch ein Künstler wie Herbert Grönemeyer hat den Kopf nicht nur zum Maulaufreißen da, sondern auch zum Nachdenken. Er wirft mir vor, „meine Millionen“, die ich nicht gemacht habe, nicht in den Nachwuchs zu investieren. Wie steht es aber mit den Millionen, die Herbert Grönemeyer in den letzten Jahren erwirtschaftet hat? Wo bleibt das Herbert-Grönemeyer-Stipendium?

Vielleicht sollte er sich ein Beispiel an Peter Maffay nehmen, der sein hart verdientes Geld in ein Studio investiert hat, das er immer wieder jungen und älteren Künstlern, die finanziell schwach auf der Brust sind, äußerst günstig zur Verfügung stellt.

Herbert Grönemeyer sollte sich davor hüten, sich zum Mittelpunkt der Erde und zum Maß aller Dinge zu machen. Es ist recht einfach, mit einer preisgünstigen Tournee-Produktion populäre Eintrittspreise zu kalkulieren und damit PR für die Millionenumsätze seiner Schallplatten zu leisten. Ich wünsche Herbert Grönemeyer, vor der Einsamkeit bewahrt zu bleiben, in die er sich hineinschwätzt.“