Große Kunst und kleine Leute dienen Blur als Inspiration


Man mag es kaum glauben: Selbst aus Musikern werden manchmal ganz normale Menschen. Dämon Albarn beispielsweise, als Sänger und Keyboarder Superstar bei der britischen Band Blur, neigt heute zur Selbstreflektion: „In den ersten paar Jahren war ich nicht wirklich verliebt in die Sachen, die ich da machte. Denn als es zuvor an der Zeit gewesen war, etwas zu finden, was man machen konnte im Leben, hatte ich mich als Sänger einer Band in eine seltsame Situation manövriert — ich suchte Anerkennung, wollte wichtig sein, wußte aber nicht, warum.“ Dann hat der frühe Erfolg dem jugendlichen Herz am Ende geschadet? „Nein“, wehrt Albarn ab, „der Erfolg kam nicht zu früh für uns. Aber wir hatten zuviel davon, gemessen daran, wie wenig wir über das nachdachten, was wir da machten.“ Da bei Blurs heute ein ganz anderes Bewußtsein herrscht — wie anders könnte man Albarns altersweise Worte interpretieren? — dürfen die erfolgreichen britischen Jungunternehmer in eine einigermaßen sichere Zukunft blicken. Ganz anders als noch zu Zeiten des ersten Albums. ‚Leisure‘ war lediglich ein Achtungserfolg beschieden. Doch schon damals wurde deutlich, daß Blur zwar einerseits im erdigen Humor Ostlondons wurzeln, daß sie sich jedoch andererseits eng mit der Boheme der Kunstschulen verbunden fühlen. Vater Albarn, der als Manager der Avantrock-Combo Soft Machine zur Creme von Londons Psychedelikern gehörte, gründete im vergangenen Jahr auf Mauritius eine Kunstakademie. Wie auch immer. ‚Leisure‘ hinterließ bei seinen Schöpfern ein schales Gefühl. Aus diesem Feeling heraus entstand später das Album ‚Modern Life Is Rubbish‘. „Endlich machten wir etwas“, so Albarn, „dem wir uns wirklich verbunden fühlten.“ Es folgte ‚Parklife‘, vertonte Geschichten über liebenswerte Kleinganoven und Torremolinos-Fans mit frisierten Escorts. Dann schließlich ‚The Great Escape‘, vierter Album-Streich und zugleich Blurs Eintrittskarte in die Lounge der britischen Superstars. Die publikumswirksame Schlammschlacht, die Oasis ihrem Lieblingsfeind Blur lieferten, beherrschte wochenlang die Medien, und auch künftig wird manchens über beide Bands zu berichten sein. Zum Beispiel, daß Dämon Albarn über neue Songs nachdenkt: „Im Dunkeln fangen Kinder an zu pfeifen. Solche Lieder wollen wir singen. So wie es Brecht und Weill gemacht haben. Lieder, die etwas Wärme bringen in eine Zeit, die angst macht.“