Gurten-Festival


Auf dem Berner Hausberg bleibt die Sau drin. Aber zwei, drei Scheiben Begeisterungs fähigkeit darf man sich trotzdem abschneiden.

„Mensch, seid doch mal höflich!“ ruft Bela B. und grinst sein Bela-B.-Grinsen. Da hat er gerade einen Witz gemacht, der kann das auch ohne Farin, aber das eidgenössischen Publikum hat gar nicht daran gedacht, sich wegzuschmeißen. Es beschränkt die Interaktion, ja eben, auf Höflichkeiten; und Frohsinnsbekundungen meist nur nach eindeutiger Anweisung bühnenseits. Kein Selbstdarstellungsteufel reitet die Jugend auf dem Gurten, die Sau bleibt, soweit vorhanden, drin. Wozu Belas Nadelstreifenanzug, der sich praktisch in ein nicht minder feines Salonrockeroutfit mit ohne Arme umfunktionieren lässt, wiederum bestens passt. Und die Musik seiner nicht minder schmukken Kapelle Los Helmstedt auch. Live wollen sich einem auch ein paar von Belas Solostücke besser erschließen, Twang, Surf, Billy kriegen eindeutiger Gestalt. Warum er aber mit „Deutsche, kauft nicht bei Nazis!“ (..Schweizer, ihr auch nicht!“) und „Loverboy“ zwei der besten Songs nicht mit aufs Album genommen hat [gut, den einen gibt’s kostenfrei im www), bleibt sein Geheimnis. Und warum bei „1,2,3“ als Charlotte-Roche-Ersatz ausgerechnet Sternchen Mia Aergerter (u.a. GZSZ) auf die Bühne springen muss, ebenso. Auch geheimnisvoll: Das fahrige Mädchen Sia Furier, das neben Singer/Songwriterbeschäftigung unter eigenem Namen der verwobenem Pop von Bacharach bis Mouse On Mars (an einem sonnensturmfreien Tag) nachspürenden Produzentenkapelle Zero 7 einen so großartigen brüchigen Soul eingurrt, dass es ein einziges Kribbeln ist. Manche Songs gehen weite Wege, am Ende wächst oft ein: ja, hypnotischer Beat in sie hinein – das Eaststage-Zelt tanzt. Das tut es auch bei Fettes Brot, die es mit famoser Liveband inkl. Hitdropping von Rage Against The Machine bis Eurodisco verdient haben, alles und überall nur noch zu headlinen. Für Wir sind Helden, die es sich mit vollem Bläsersatz nicht nehmen lassen, ihr „Gekommen, um zu bleiben“ kurzerhand in eine famose Version von Cures „Why Can’t I Be You“ münden zu lassen, gilt das sowieso. Und, ja. auch für die Sportfreunde und ihre ewig jungen Publikumsspielchen. Besonders schön ist es aber zu erleben, wie ..kleinere Bands wie We Are Scientists, Editors, Mattafix hier allergrößte Aufmerksamkeit kriegen, wohl weil es in der Schweiz noch keine Festivals gibt, auf denen man mit großen Namen fast schon erschlagen wird.

www.gurtenfestival.ch