Happy Ends: Es gibt sie noch


Die Beatsteaks haben nach verdächtig langer Pause wieder zusammengefunden, in ihrem geliebten Kreuzberger Proberaum. Dort haben sie auch gleich ihr sechstes Album aufgenommen.

Er sei schon auch ein bisschen paranoid, gibt Arnim Teutoburg-Weiß zu. Der Sänger hat die eingeladenen Journalisten gerade gebeten, in ihren Artikeln nicht so genau zu beschreiben, wo sich der Proberaum seiner Band befindet. Ein paar Fans hätten tatsächlich schon dort hin gefunden, in diese eher weniger belebte Ecke von Berlin-Kreuzberg. Im Sommer erst saßen drei Mädchen auf der Treppe im Hof und hielten ihre Handys mit aktivierter „Record“-Funktion in die Höhe. Durch das gekippte Fenster war frischer Sound der Beatsteaks zu hören, im Inneren liefen Gesangsaufnahmen. Arnim überraschte die drei Spione und bemühte sich um Autorität: „Klar, wir können gerne ein Foto miteinander machen – aber die Handys tun wir jetzt mal weg!“

Im „Chez Cherie“-Studio in Neukölln wäre das wohl nicht passiert. Dorthin war die Band mit ihrem Produzenten Moses Schneider gezogen, um ihr sechstes Album – es wird Boombox heißen – einzuspielen. Doch „es wurde einfach nicht so geil wie die Demos“, erzählt Arnim, „irgendwie klemmig“. Da sprach Moses: „Warum bleibt ihr denn dann nicht einfach in eurem Proberaum?“ Von dem Geld, das sie sonst für das Studio ausgegeben hätten, kauften die Beatsteaks teure Mikrofone (und eine Klimaanlage, weil sonst im heißen Sommer nichts zusammengegangen wäre), „und ab Juli lief es dann“. Sie nahmen fast alles live auf, fast keine Overdubs. „Warm und rotzig“ im Sound sollte die Platte, nach „35 Minuten bei uns zu Hause“ klingen, sagt Arnim … hofft Arnim, der gemeinsam mit Moses produziert hat. Alle Bandmitglieder fummelten sich aber schließlich so gut in die Technik rein, bis jeder jeden aufnehmen konnte.

Dass der Proberaum überhaupt wieder ihr Zuhause wurde, das ist vielleicht die spannendste der zahlreichen Geschichten, die sich zu Boombox erzählen ließen. Im Spätsommer 2008 hatten sich die Beatsteaks auf unbestimmte Zeit von ihrem Publikum und als Band voneinander verabschiedet. Gitarrist Peter Baumann sagte dem Musikexpress: „Die Pause ist wichtig. Das heißt ja nicht: Wir lösen uns auf! … Und selbst wenn es so wäre, dreht sich die Welt morgen auch weiter.“

Im folgenden Februar waren die Fünf jedoch schon wieder voller Tatendrang formulierten eine für sie typische Fünf-Strolche-Idee: „Wir machen einfach jetzt schon weiter, erzählen es aber keinem!“. Doch die Pause sollte länger dauern, viel länger – bedrohlich lange. Das restliche Leben, vor allem das ihrer Partner und Familien, zog an den Mitgliedern – in unterschiedliche Richtungen. Die Beatsteaks waren nicht mehr diese Gang, die auch privat viel miteinander herumhängt. Vor allem wollte es aber nicht gelingen, alle fünf wieder in ihrem Hauptquartier zu versammeln. Torsten Scholz, der die Auszeit unter anderem dafür genutzt hat, Bass-Unterricht zu nehmen, spricht den Gedanken aus, den jeder der Bandmitglieder für bange Momente hatte: „Was ist, wenn es das jetzt war?“. Und sein nächster Gedanke war: „Was mach ich denn dann? … Mich nimmt doch keiner!“ Jetzt lachen alle laut. Ist ja noch mal gut gegangen.

Ein Film mit Happy End, zu dem jetzt noch der Soundtrack fehlt: Boombox erscheint am 28. Januar. Es ist, so der erste Eindruck nach sieben Songs, die uns vorgespielt wurden – vor dem Mix, den Nick Launay (u. a. Produzent von Nick Cave und Maxïmo Park sowie Mixer von Arcade Fire) in Los Angeles noch erledigen muss – ein Album mit vergleichsweise gezügeltem Tempo. Kraftvoll ist es trotzdem, erneut recht abwechslungsreich in seinen stilistischen Anleihen und Arrangements. Es gibt mehr Klavier, ein Reggae ist wieder dabei und auch ein paar sperrigere Stücke, aber den Popappeal, der diese Band nicht zuletzt ausmacht, haben sie nicht vergessen. Und Arnim traut sich als Sänger immer weiter immer mehr zu.

Ob man das allerdings auch auf den Handy-Aufnahmen der drei Mädchen aus dem Innenhof hören konnte? Vielleicht wenn Nick Launay da noch mal drüber geht …