Herbert Grönemeyer


AGIL IST ER. GAR NICHT SO BEHÄBIG UND STEIF, WIE MAN sich ihn vorgestellt hat. Rastlos trägt Herbert Grönemeyer seinen durchtrainierten Körper zur Schau. Die Jacke fliegt beiseite, Muskeln wölben sich, und der Star sprintet voller Energie auf einen vorgelagerten Bühnenanbau. Gröni gibt sich volksnah und badet im Meer der Zuneigung. „Das ist der Grund, warum man lebt“, jubiliert er übers Mikro. Da steckt wirklich Pep drin. Der frische Schwung des Sängers ist Ausdruck seines Ehrgeizes, im Alter um die 40 noch schnell eine Imagekorrektur zu zelebrieren, bevor es zu spät ist. Er hat seine Erscheinung verändert. Längst ist er verschwunden, der langgezogene Scheitel, der ihm jahrelang übers Konterfei wehte. Herbert hat aber auch, und das ist entscheidend, seine Musik verändert. Nichts ist mehr zu hören von unspektakulär tuckernden Synthie-Rock-Versuchen früherer Tage. Seit seinem Umzug in die Hauptstadt flirtet Grönemeyer rückhaltlos mit der Moderne. Im neuen Song „Fanatisch“ etwa zucken Techno-Rhythmen wie Blitze im Gewitterregen. An anderen Stellen darf es auch ein wenig Drum’n’Bass, Ska oder Acid-Jazz sein. Problem: Viele loyale Besucher, offenkundig im brandenburgischen Umland und nicht in der Nähe innerstädtischer Szene-Clubs Zuhause, sind nicht nicht gekommen, um sich einer Zeitgeistschulung zu unterziehen. Diese Menschen wollen ihren Gröni Gassenhauer schmettern hören und sehen. Und diesen Gefallen tut er ihnen punktuell auch.“Männer“, „Alkohol“ und „Was soll das?“ dürfen nicht fehlen, werden frenetischer als alles andere bejubelt und laden zum Mitgrölen ein. Aber selbst hier bieten Grönemeyer und seine fünfköpfige Band Kontrastprogramm zum vertrauten Klanggewand. Die Oldies werden vielfach ruppiger als seit Jahren gespielt, gelegentlich tönt es gar nach ausgewachsenem Hardrock. Grönemeyer überkommt, so scheint es, das kalte Grausen bei dem Gedanken, sich wie die Kollegen Westernhagen oder Niedecken im fortgeschrittenen Karrierestadium dem Schicksal der Mittelmäßigkeit zu ergeben. Er sucht die Herausforderung und kalkuliert das Risiko der Bauchlandung bewußt ein. Fürs erste kann er dabei beruhigt abtreten. Das Publikum schickte den vitalen Performer nach gelungenem „Versuch eines Heimspiels“ (O-Ton) auf einer Euphoriewoge nach Hause.