„Hey, wir nehmen das auf!“


Es passt ins Bild, dass der Berliner Produzent und Studiotechniker Moses Schneider soeben ein 95-Seiten-Handbuch veröffentlicht hat, das zur kompakten Bibel der Do-It-Yourself-Musikkultur werden könnte („Das etwas andere Handbuch – oder: How to pimp my Übungsraum“, Transporterraum Verlag).

Schneider, der bereits mit so verschiedenen Charakteren wie Beatsteaks, Tocotronic, Kreator und Fehlfarben zusammengearbeitet hat, stellt sein Wissen in den Dienst der künstlerischen Autonomie. Der „dicke Sound“ ist das Ziel, die Liveaufnahme der Weg.

Hierfür geht es direkt ans Eingemachte – vom Aufbau der Instrumente, über die Lautstärke der Verstärker, zu leicht umsetzbaren Profi-Tipps. Nach dem „Plug and play“-Prinzip wird der Proberaum umgemodelt, Bleistiftskizzen und Fotos helfen bei der Umsetzung. Das fachlich versierte Vademecum orientiert sich eng an den heutigen Realitäten, nach denen der Löwenanteil aller Bands und Musiker ihre Karriere komplett selbst steuern müssen.

Wir haben mit Moses über seine Mission gesprochen:

Wie kam es zu diesem Buch?

Moses Schneider: Bei den meisten Bands, mit denen ich arbeite, sind die Budgets so weit im Keller, dass es sich nicht mehr lohnt, großartig im Studio zu arbeiten. Als wir 2010 beschlossen, auch die Platte der Beatsteaks im Proberaum aufzunehmen, war das die Initialzündung.

Die Aufnahmen waren auch für Dich ein Experiment …

Im Studio nimmst du die Band an die Hand, da bist du der Papa. Den Proberaum kennt die Band jedoch besser als der Produzent, und sie weiß auch, ob sie den Take noch besser hinkriegt oder nicht. Dort darfst du auch nicht anfangen, an der Band-Hierarchie herumzubasteln. Was die Sache mit den Beatsteaks erleichtert hat, ist die Tatsache, dass wir schon so lange zusammenarbeiten und wir deshalb die gleichen Vokabeln benutzen.

Eine eigene Sprache zu finden ist sehr wichtig innerhalb einer Band, oder?

Es ist wichtig, das, was man tut, mit möglichst viel Emotionen darzustellen. Wie, einen Take „schwitzender Take“ zu nennen, damit du später noch eine Vorstellung davon hast, wie er klingt. Wenn dir zu einem Take nichts einfällt, kannst du sicher sein, dass dir auch später nichts mehr dazu einfallen wird.

Gibt es schon andere Bücher wie Deines auf dem Fachmarkt?

Nein. Über Tontechnik gibt es genügend Handbücher … die noch nie jemand gelesen hat. Denn darin wird nicht darüber gesprochen, was den Charakter ausmacht. Dass eben ein billiges Mikrofon im Kontext genau der kleine „Drecksfaktor“ sein kann, der die Aufnahme zu etwas Besonderem macht. Und deshalb ist mein Handbuch so subjektiv geschrieben – extrem subjektiv.

Würdest Du es als Beitrag zu einer neuen DIY-Bewegung sehen, die dadurch entsteht, weil immer weniger Geld in Bands investiert wird?

Ich war selbst jahrelang Assistent, deshalb weiß ich es zu schätzen, wenn einer einem Wissen vermittelt. Aber das Buch ist vor allem der technischen Entwicklung zu verdanken: Es wäre nie entstanden, wenn wir heute nicht einfach auf einem Laptop aufnehmen könnten. Der einzige Grund, überhaupt noch ins Studio zu gehen, ist der, dass eine Platte in einem gut klingenden Raum aufgenommen werden muss.

Dein Buch hilft dabei, einen Proberaum möglichst weit zu pushen. Durch das richtige Aufstellen von Mikrofonen dafür zu sorgen, dass er auch gut klingt …

Nun, eigentlich kann man einen Proberaum nicht pushen. Der ist klein, eng, muffig. Man muss lernen, mit ihm umzugehen. Er hat aber einen großen Vorteil: Im Proberaum wachsen die Dinge zusammen. Einer hat die Idee für einen Song, es wird arrangiert, das Stück weitergeschrieben, die Musiker üben und üben. Und irgendwann ist man bereit: „Hey, wir nehmen das auf!“ Das ist etwas anderes als die Ansage: „In drei Wochen geht’s ins Studio!“

Was sind nach Deiner Meinung die häufigsten Fehler, die Bands bei der Aufnahme begehen?

Das Wichtige ist – und da geht es gar nicht ums Aufnehmen -, dass im Arrangieren und im Zusammenspiel bereits ein eigener Charakter zu hören ist. Wenn ich den typischen Rockgitarren-Sound nehme, ein Riff spiele wie das von „Smoke On The Water“ und das noch mit dem entsprechenden trockenen Schlagzeug kombiniere, kommt nichts Neues dabei raus.

Was muss eine Band ausgeben, um eine ordentliche Aufnahme im Proberaum hinzubekommen?

Bei acht Mikrofonen, einem Rechner, einem Wandler … irgendwas zwischen 8 000 und 9 000 Euro. Wenn man wirklich alles neu kaufen müsste. Aber bei der Kalkulation ist zu beachten: Man wird mit diesem Equipment ja nicht nur einmal aufnehmen.

Abgesehen von den technischen Tipps – welchen Effekt soll Dein Buch auf Musiker haben?

Es soll sagen: „Komm, wir probieren es einfach mal!“ Es kommt garantiert kein Mist dabei heraus. Und das Erste, was es dir zeigen wird, ist: Wie funktioniert eigentlich unsere Band, was machen wir hier eigentlich?