High Noon in Big Easy


Wie war's mit ein bißchen Voodoo? Auf der Suche nach einer exotischen Video- Location fanden sich Peacock Palace plötzlich in New Orleans wieder. Und entdeckten in Louisianas Sümpfen unerwartetes Neuland.

DASS ER VOR DER ZEREMONIE noch nach Cheeseburgern und einem Six-Pack verlangt, ist schon ein wenig befremdlich. Schließlich soll der Mann Mr. Voodoo persönlich sein und, so er trancemäßig gut drauf ist, die vergilbten Zahnruinen bevorzugt in unschuldige Hühnchen bohren. Lebende, versteht sich.

„Chickenman“, der seine Tranchiertechnik schon im Voodoo-Film „Angel Heart“ dokumentieren durfte, soll auch dem Videodreh der deutschen New Orleans-Expedition die letzten Weihen verleihen. Auf die unsittliche Hühner-Hinrichtung wird zwar schon im Vorfeld verzichtet, trotzdem herrscht im Bus ein beklommenes Schweigen, als man sich zu nächtlicher Stunde in Louisianas Siimpfe aufmacht.

Bevor die beiden Kleinbusse im Schlamm vollends abschmieren, geht’s matschtriefenden Fußes weiter an den Ort des rituellen Geschehens. Und da es inzwischen stockduster ist. muß zunächst mal das Licht angeknipst werden. Alligatoren und Schwarze Mambas schnöde ignorierend, greifen wir mannhaft ins morsche Unterholz, um den Sumpfgöttern ein zünftiges Lagerfeuer anzudienen.

Was nun folgt, ist…Touristen-Nepp der müdesten Art. A little bit of Singsang, a litlle bit of Bongobongo – während Chickenman zügig den Six-Pack leert und ständig auf die Uhr schaut.

ABER SCHÖN WAR’S DOCH! Vor allem, wenn man – wie unsere Band aus Berlin – erstmals im Land von Blues und Cajun ist und dort erstaunt feslslellt, daß die Musik, die man daheim macht, letztlich hier zuhause ist. Wie zum Beispiel „Heatwave“, die erste Single des zweiten Albums: Nicht nur durch den unorthodoxen Einsatz von Banjo und Akkordeon erinnert der Goodtime-Ohrwurm an die Zydeco-Musik aus Louisiana. Nur: Was Zydeco ist und wie man es buchstabiert, mußte sich Keyboarder/Produzent Nhoah vor Ort erstmal verklickern lassen. Er kannte das Wort nämlich nicht. Musik aus dem globalen Dorf. Auf die Idee, das zugehörige Video gerade in New Orleans zu drehen, wäre die Band denn auch nie gekommen allein schon wegen der Kosten. Daß Sony, Peacocks Plattenfinna, den Betriebsausflug nach New Orleans ohne Murren finanzierte, zeigt immerhin, wieviel Hoffnungen man dort in das zweite Album „Paraphernalia“ setzt. Das erste, das den Mini-Hit „Like A Snake“ abwarf, habe sich immerhin schon 35.000 mal verkauft. Und außerdem, so Sony-Mann Thomas Mohl. seien die Kosten für den US-Trip gar nicht mal so astronomisch. „In deutschen Studios wäre das teurer geworden.“

Wie herzlich das Verhältnis zu der großen, bösen Plattenindustrie ist, will Sängerin/Texterin Petra Jansen noch immer nicht glauben. „Als wir mit den Aufnahmen fertig waren, sollte es im Studio eine Hörprobe für unseren Sony-Kontaktmann geben. Wir wollten unseren Augen nicht trauen, als plötzlich die gesamte Geschäftsleitung einmarschierte und sich rührend für jedes noch so kleine Detail interessierte.“

Petra, frischgebackene Mutti und Nhoahs bessere Hälfte, gibt im Quartett (mit Gitarrist Moritz von Herder und Bassist Knut Knutson) nicht nur den Ton an, sondern besorgt auch gleich die Texte. Auf englisch, „weil es da einfach so unglaublich schöne Formulierungen gibt. Like a snake slips into the water‘ habe ich geschrieben, weil ich zufällig aufschnappte, wie ein Engländer ‚It slipped my mind‘ sagte. So bildhaft kann man das auf deutsch nie ausdrücken.“

Auch wenn man sich als Berliner Band fühlt und – im Dunstkreis der Rainbirds und Poems For Laila – eine romantische Ader kultiviert, die unverkennbar deutsch ist, bleibt Amerika das Licht am musikalischen Horizont. Mächtig stolz ist man darauf, für die neuen Aufnahmen die Geigen-Legende Scarlet Rivera gewonnen zu haben – die große Scarlet, die doch einst schon Übervater Dylan zur Seite stand.

Scarlet, terminlich verhindert, wird in New Orleans schmerzlich vermißt. Den neuen Song „Isis“, der sich auf Dylans gleichnamige Nummer bezieht, hat man ihr gewidmet. Und schwärmt von einer Frau, die „sicher schon über 50 Jahre alt ist und mit Lederhose und ihren hochhackigen Cowboystiefeln in unser Studio kommt, die Geige auspackt und spielt. Einfach so spielt!“

Mehr will man eigentlich auch nicht.