Hirnflimmern


Berlin. Berlin Berlin. Alles muss nach Berlin ziehn. Meine Schwester ist oben. MTV packt die Kisten. Und, wie ich eben erfuhr, jetzt auch noch Mellow Mark! Hört das nicht mehr auf? Susann meint, wahrscheinlich bekommt bald die tektonische Platte, auf der Deutschland klebt, Schlagseite, weil so viele Leute in das Eck da raus drängeln und irgendwann geht’s 000AAAHHH! und die Angelegenheit kommt ins Rutschen, und denn aber man tau, Freunde des Blues. Mir scheint dies aber unrealistisch. Ich habe viel dunklere Befürchtungen, weil ich nämlich was gelesen habe. Wissenschaftler haben festgestellt, dass sie vermuten, dass es in Berlin, bedingt durch den andauernden Hauptstadtzuzug, seit langem eine anormale Kohlenstoffverdichtung gibt, die täglich zunimmt. Mit jedem Zuzügling wächst die Dichte von Berlin und damit auch die Gravitation der Stadt, die so immer noch mehr Zuzüglinge anzieht. Eine sich aufschaukelnde Entwicklung. Und es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis das Ganze kippt und Berlin – jetzt halten Sie sich fest – zu einem Schwarzen Loch kollabiert! Das System ist mittlerweile so instabil, dass jeder Neuberliner der letzte sein kann. Das Ding ist, ich fahre morgen nach Berlin, meine erwähnte Schwester besuchen, und was, wenn ich nun der Tropf bin, der das Fass zum Überlaufen bringt? Wenn mein ICE bei Ankunft am Bahnhof Zoo gar nicht mehr am Bahnhof Zoo ankommt? Wo kommt man hinter dem Schwarzen Loch raus? Durch ein Wurmloch in einer anderen Zeitebene? Vielleicht ja im Berlin der 20er Jahre, soll ja recht roaring gewesen sein. Oder in einem Paralleluniversum, in dem sich gar niemand für Berlin interessiert und alle nach Wiesbaden wollen, Braunschweig. Oder München.

Habe ich eigentlich jemals erzählt, dass ich einmal vor Jahren nachmittags in Berlin in einem Cafe saß und plötzlich kam Franka Potente rein und setzte sich da so an einen Tisch? Hab ich nie, ich weiß, denn ich gehe nicht gern groß mit meinen Rockstories hausieren. Aber die hier muss ich jetzt doch loswerden, denn sie enthält ein reizendes Karma/Zufalls-Element. Durfte ich mir doch letztens in London Radiohead anschauen (da geht’s ja schon los) und vor dem Theater stehen Gavin Rossdale (35, Bush) und der Supergrass-Schlagzeuger Danny Goffey (und ein Schwarzhändler versucht gerade, ihnen ihre Tickets abzuschwatzen, aber das gehört jetzt nicht zu der Story). Der Clou: Über beide Rockstars hatte ich mich im letzten Heft unabhängig voneinander beömmelt, und eben diese beiden, keine anderen Rockstars weit und breit, lungerten jetzt hier rum, und waren auch noch zusammen da. Das soll man nicht paranoid werden. Bloß gut, dass sie das Juni-Heft offensichtlich noch nicht gelesen hatten. Ich hab mich ihnen dann schon irgendwie verbunden gefühlt, den Jungs, weil ich mich ja schon mal über sie beömmelt hatte, nicht wahr. Das ist überhaupt DER Claim to fame: Sich über jemanden beömmelt haben. „Ah, da drüben ist Jack Nicholson, über den habe ich mich ja im Frühjahr in meinem Essay im New Yorker hinreichend beömmelt. Hey, Jack! Alles senkrecht? Jack?“

P.S.: Wenn übrigens jemand meine Überschrift brauchen kann, zum Beispiel für ein „Kochen mit Marihuana“-Buch, soll’s ja geben: Ich würde sie zur Verfügung stellen, sie ist auch noch kaum benutzt.