Hirnflimmern


Letztens unterhielt ich mich mit einer Lektorin eines großen Verlages wegen meiner Memoi… nein, einfach so. Und wir kamen auf die so genannten „Testimonials“, Äußerungen von Prominenten oder zumindest Leuten, die der Zielgruppe eines bestimmten Buches bekannt sein könnten, die dann vom Verlag das Buch vorab geschickt bekommen und um ein wohlwollendes Zitat gebeten werden, das dann auf der Buchrückseite abgedruckt wird. Und dann steht da zum Beispiel: „‚Ich habe dieses Buch in einem Zug durchgelesen!‘-Flops Hopsy“. Dabei ist es vielleicht nur so, dass Herr Hopsy das Buch in einem Regionalexpress durchgelesen hat, der auf der Strecke liegenblieb, weil der Lokführer in Streik ging und er die Schwarte zwar lahm fand, aber nichts anderes zum Lesen dabei hatte. Und dann gibt es die „Pressestimmen“. Auszüge aus Rezensionen des Buches, die z.B. in Werbeanzeigen abgedruckt werden. Da steht dann: „‚Faszinierend …!‘- Niederfischinger Kreiskurier“. Dabei hat der Rezensent vom Niederfischinger Kreiskurier vielleicht geschrieben: „Faszinierend, wie der Autor es wieder geschafft hat, ein Scheißbuch zu schreiben.“ Haha. Was haben wir gelacht ob unserer überspitzten Frotzeleien über den Medienbetrieb. Hoho. Und dann kam ich heim, schlug den neuen ME auf – und was haben wir da auf Seite 109? Eine Anzeige für das neue Stereophonics-Album Pull The Pin, mit einer Pressestimme, die sich schier überschlägt vor Salbungen, mit den Worten „weltbewegend“ und „gottgleich“ operiert und den Satz kredenzt: „Es gibt Alben, bei denen weiß man sofort, dass sie ganze Generationen inspirieren werden.“ Und als Zitatquelle steht da „Musikexpress, Oktober 2007“. Komisch, denke ich, hatten wir, resp. der Kollege Weiland, die Schundplatte nicht mit eineinhalb Sternen verrissen? Nachschlagen im Oktoberheft: Aber sicher doch hatten wir die Schundplatte mit eineinhalb Sternen verrissen. Der Kollege Weiland hatte das Pferdchen, also seine Rezension, nur so kunstvoll von hinten aufgezäumt, dass der Pressestimmensammler der Plattenfirma den dünnen doppelten Boden darunter, also unter dem Pferdchen, nicht sehen konnte oder nicht sehen wollte. Wobei man einen Vorspann, der von „gähnend langweiligem Trad-Rock“ spricht, sowie die eineinhalb Sterne durchaus als Fingerzeig hätten werten können…

Aber „die Industrie“ muss schließlich sehen, wo sie bleibt und dem Schreiberling ab und zu etwas unter die Arme greifen bzw. zeigen, wo der Hammer hängt. Frage: Sind Sie schon mal mit Nachtsichtgeräten überwacht worden? Cut, wahrscheinlich ja. Man muss ja heute nicht mehr auf Geiselbefreiungsmission in den indochinesischen Busch abtauchen, um mit Nachtsichtgeräten ausgespäht zu werden. Da reicht in Schäublecountry ja wohl, abends nach neun vorm Niederfischinger Rathaus rumzulungern. Abersind Sie schon mal wissentlich mit Nachtsichtgeräten überwacht worden? Ich ja, vorgestern. Da war ich in der Pressevorführung des soundsovielten Director’s Cut von „Blade Runner“, und ich weiß ja nicht, wie geheim dieser 25 Jahre alte Film immer noch ist (na gut: es waren neue Szenen drin!)- jedenfalls waren die Sicherheitsvorkehrungen und Einschüchterungsmaßnahmen auf Alarmstufe geschaltet. „Raubkopierer sind Verbrecher!“, schrie eine Tafel vordem Eingang, und als erster Hinweis stand da: „Diese Vorstellung wird mit Nachtsichtgeräten überwacht“ Woah. Einerseits fand ich’s cool, so agentenfilmmäßig. Andererseits nicht. Ich hab dann grad extra in der Nase gebohrt und mit den Tortillachips mit Salsadip eine Riesensauerei gemacht, damit es den Überwacher recht graust. Ich meine: Wie soll man sich denn sonst wehren?