Hoch die Internationale


Stampfiger Disco-House angereichert mit globalem weiblichen Charme. Mathias Modica ist ausgewandert, der Musik von Munk merkt man das an.

Reden wir endlich mal über eine andere Stadt. Reden wir über Marseille, die neue Heimat von Mathias Modica, Chef des stilbildenden Labels Gomma, Musiker von Munk und Disco-Protagonist aus München. „Für mich ist das der spannendste Ort, den es in Europa derzeit gibt. 70 Prozent der Leute, die im Stadtzentrum leben, sind Immigranten. Da entsteht eine ganz andere Reibungsfläche als etwa in Berlin, wo sich fast alles wie sicheres deutsches Terrain anfühlt.“

Das sagt der gebürtige Bayer, der viel als DJ unterwegs ist und auch mal länger an einem fernen Ort bleibt. In der alten Heimat arbeitet Modica weiterhin zusammen mit seinem langjährigen Partner Jonas Imbery und inzwischen vier Mitarbeitern am stetig wachsenden Repertoire des Gomma-Labels zwischen Disco und Dancefloor. WhoMadeWho, Phenomenal Handclap Band und Le Le gehören zu ihren Künstlern.

Natürlich hat er auch in Berlin ein Zimmer und ist in Rom unterwegs. Für den Sohn einer italienischen Mutter zählt jetzt aber hauptsächlich Marseille. „Es ist interessant zu sehen, wie man dort den Gegensatz zu Paris pflegt. In der Stadt der Eleganz regiert der prollige Sound, aber in Marseille gibt es nicht eine Ed-Banger-Party. Man kann mehr mit Disco-House anfangen. An jeder Straßenecke stehen Blaskapellen. Arabische Musik spielt natürlich überall eine große Rolle. Aus dem Zusammenspiel dieser Einflüsse resultiert ein ganz eigener Klang der Stadt.“ Auf dem neuen Album von Modicas eigenem Musik-Projekt Munk ist zumindest ein Song enthalten, der mit der südfranzösischen Hafenstadt zu tun hat. „Rue de Rome“ wird von einer gewissen Amandine Morin besungen, die jetzt auch die Freundin des Metropolen-Hoppers ist.

Mathias Modica hat in den letzten Jahren viele Frauen kennengelernt, die er uns auf The Bird And The Beat schön der Reihe nach vorstellt. Mit dabei sind eine Pariserin, eine Londonerin, eine Malaysierin, eine Brasilianerin, eine Italienerin und eine Russin. Eine internationale Zusammenkunft also. „Am Anfang hatte ich drei Stücke mit Sängerinnen gemacht. Da dachte ich mir:, Warum baue ich das nicht aus?‘ In der Musik gibt es so viel Gekrächze und Lärm von Jungs, gerade im Techno und Electro, da fand ich es spannend, dem etwas Netteres entgegenzusetzen.“

Angenehm könnte auch das werden, was Modica noch in petto hat. Zurzeit komponiert er verstärkt Stücke, die überhaupt nicht in die Richtung von Clubmusik gehen und in denen keine Stimmen zum Einsatz kommen. Modica sitzt am Klavier und lässt sich von einer Band und einem Streicherquartett begleiten. Wann davon etwas erscheinen wird, steht noch in den Sternen. Aber man erkennt jetzt schon, wie sehr der Tapetenwechsel seine Kreativität beflügelt hat.

Albumkritik S. 90