Holger Biege


„Mir ist alles sehr unangenehm, was vom Kern her nicht ehrlich ist“, meint der 33jährige Komponist, Pianist, Arrangeur und Sänger. Mit dieser psychischen Konstitution wird er nach den bürokratischen Schwierigkeiten in Deutschland-Ost bald eigene, auf anderer Ebene negative Erfahrungen in Deutschland-West machen.

Doch Biege biegt so leicht niemand. Schon auf einer seiner beiden DDR-LPs brachte er ein astreines Stück Zwölftonmusik unter. Und wer einen Gesprächspartner in Sachen moderne Klassiker von Bartok bis Reich sucht, ist bei ihm an der richtigen Adresse: vom Bachschen Kontrapunkt bis zu Sonnenflecken-Theorien eingeschlossen, denn eigentlich wollte der gebürtige Greifswalder Astronom werden.

Nach klassischer Musikausbildung und mehreren Brötchen-Jobs begann er – die Soulhits und Rockpop-Stars der späten 60er im Gedächtnis – 1976 als Autodidakt seine Solokarriere. Kompositorische Originalität stellte er dabei über großartige Soundgebäude. Mit der Meinung, daß erst mal die musikalische Idee und dann die Verpackung kommt, arbeitete sich Holger Biege an die Spitze der DDR-Interpreten.

Im letzten Frühjahr blieb er nach einem West-Berlin-Gastspiel gleich dort, zog inzwischen nach Hamburg um und nahm mit Texten von Michael Kunze, zu dessen gelungenen Arbeiten die Übertragungen der Andrew Lloyd Webber-Erfolgsstücke gehören, seine erste LP auf: DAS EIGENE GESICHT (Polydor).

Am wenigsten geschminkt wirkt er dabei in den Gesangsstücken mit eigener Pianobegleitung. Doch auch in den mit großem Studioaufwand produzierten Stücken überzeugt der Musiker Biege mit Ideen, die der Interpret Biege mit einer (und das ist keine Floskel) eigenständigen und sehr ausdrucksstarken Stimme präsentiert. Kurzum: Holger Biege ist zu individuell, um mit anderen Namen beschrieben zu werden Und ein Gewinn für die Musikszene in Deutschland-West allemal.