Hot Chip: Alle Alben im Ranking
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Mit ihrem zweiten Album THE WARNING haben sich Hot Chip 2006 durch die Hintertür in die Herzen der Post-Indie-Generation gespielt. Die Band aus London macht scheinbare Gegensätze konsensfähig: Melancholie und Tanzbarkeit, Melodien und Beats, Pop und Experimente. Ihre kreative Kraft schöpfen die fünf Engländer aus den unterschiedlichen musikalischen Sozialisationen der beiden Gründungsmitglieder Alexis Taylor und Joe Goddard. Und am Ende steht eine Diskografie, in der das „schlechteste“ Album immer noch gut ist.
HOTTEST CHIP
The Warning (2006)
Was für ein Album! Aus ihrem Nerdwissen über 40 Jahre Popgeschichte collagieren diese Londoner ein hochgeschmeidiges, tanz- und songfreundliches Wunderwerk. Pop, Disco, House, Gospel, Folk, R’n’B und Funk werden unter der Regie von Alexi Taylor und Joe Goddard zur Hot-Chip-Musik und die Band selbst wird bald zum großen Konsens in der Post-Indie-Ära. Fast jeder Song auf THE WARNING ist ein Hit: „Boy From School“, „Colours“, „Over And Over“, „Just Like We (Breakdown)“ und, und, und. Man kennt Indietronics, aber wie hier die „Joy of repetition“ der elektronischen Musik mit traditionalistischen Pop-Tugenden verheiratet wird, ist ohne Beispiel.
Sechs Sterne
HOTTER CHIP
Made In The Dark (2008)
„Are you ready for the floor?“, fragen Hot Chip im Grammy-nominierten Hit ihres dritten Albums. Aber selbst wer nicht dazu bereit ist, seinen Körper rhythmisch zu dieser Musik zu bewegen, wird aus ihr etwas ziehen. Auf den ersten Blick wirkt alles auf MADE IN THE DARK ein bisschen überambitioniert. Hot Chip wollen sehr viel auf diesem Album, es gibt Ausflüge in Electro-Rock, Country, tribale Beats, Andeutungen von Rock-Gitarren, verzerrte Techno-Beats, und die Balladen strahlen eine gewisse Marvin-Gaye-Haftigkeit aus. Aber all das dient nur als Glasur für eine Sammlung von Songs mit unwiderstehlichen Pop-Melodien.
Fünfeinhalb Sterne
In Our Heads (2012)
Als wäre eine Last von den Schultern dieser doch sehr ernsthaften jungen Männer gefallen. Das fünfte Album von Hot Chip kommt ohne melancholische Grübeleiene aus, stattdessen versprüht es vom Anfang bis zum Ende good vibrations, ohne in Happy-go-lucky-singalong auszuarten. IN OUR HEADS ist das Dancefloor-Album der Band, seine Wurzeln reichen bis tief in die Achtziger- und Neunzigerjahre zurück. Es gibt verspielte Synthesizer-Melodien, mitunter käsige Effekte aus vergangenen Dance-Epochen und mächtige Beats, die die Musik dann doch in der Gegenwart verorten. Und der komplexe House-Entwurf „Flutes“ ist ein Hot-Chip-Song für die Ewigkeit.
Fünfeinhalb Sterne
Why Make Sense? (2015)
Auf manchen Alben operieren Hot Chip hauptsächlich in einem musikalischen Dreieck, an dessen Eckpunkten Prince, Kraftwerk und Daft Punk stehen. Das gilt prinzipiell auch für ihr sechstes Album, aber WHY MAKE SENSE rekurriert zusätzlich auf R’n’B, Oldschool-House und HipHop. Überhaupt lassen die Londoner auf diesem Album die Funk-Sau aus dem Stall. Manche Backing-Tracks („Love Is The Future“, „Started Right“) klingen wie der heißeste Electro-Funk der Saison. Und im Titelsong stellt Alexis Taylor eine Frage, die heute noch viel wichtiger erscheint als vor zehn Jahren: „Why make sense when the world around us refuses?“
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HOT CHIP
Coming On Strong (2004)
Die meisten Hörer:innen lernen Hot Chip erst mit ihrem zweiten Album kennen, weil das den Durchbruch der Band markiert. Aber es gab für die Londoner ein Leben vor THE WARNING, und das war gar nicht so langweilig. Auf dem Debütalbum COMING ON STRONG ist bereits alles angelegt, was Hot Chip ausmacht und später zu Indie-Lieblingen werden lässt. Es ist eine Sammlung von minimalistischen Downtempo-Funk- und Soul-Variationen, die unter Kenntnis der Gesetze des Indie-Pop entstanden sind. Leider ist dieses kleine Meisterwerk damals im Getöse um The Strokes, Franz Ferdinand und The Libertines untergegangen.
Viereinhalb Sterne
One Life Stand (2010)
Ein Album mit dem übergeordneten Thema Monogamie, ein ONE LIFE STAND, ist nicht unbedingt das, was man allgemein mit der unheiligen Dreifaltigkeit des Pop assoziiert: Sex and Drugs and Rock and Roll. Das vierte Album der Band ist von Introspektion und Melancholie gekennzeichnet. Musikalisch gibt es keine großen Ausreißer, nicht den ultimativen Floorfiller, nicht die ganz große tränenziehende Ballade. Es wirkt so, als hätten Hot Chip die Ausschläge am oberen und unteren Rand ihrer stilistischen Skala gekappt und zum ersten Mal etwas gemacht, was ihnen immer wieder unterstellt wird: ein hundertprozentiges Synth-Pop-Album.
Vier Sterne
A Bathfull Of Ecstasy (2019)
Zum ersten Mal arbeiten Hot Chip mit externen Produzenten: Sie verpflichten den Schotten Rodaidh McDonald (The xx, FKA Twigs, Sampha) und Philippe Zdar vom French House Duo Cassius zur Mitarbeit. Zdar stirbt tragischerweise zwei Tage vor Veröffentlichung des Albums. Vor allem er ist es, der jener Dancefloor-Melancholie auf dem siebten Album der Band den butterweichen French Touch verleiht. Es sind die kleinen experimentellen Ausreißer im Sound und in den Songstrukturen, die die Grenzlinie zum Pop-Mainstream ziehen. Hot Chip können nichts falsch machen, selbst ihr vermeintlich schlechtestes Album ist immer noch gut.
Vier Sterne
Freakout/Release (2022)
Auf dem bisher letzten Studioalbum der Band ist der stromlinienförmige Pop des Vorgängers A BATHFULL OF ECSTASY noch in homöopathischen Dosen vorhanden. So wirkt das verhuschte „Not Alone“ wie eine Mischung aus Taylor Swift und Bon Iver. Aber gleich darauf führen Hot Chip mit „Hard To Be Funky“ den Titel dieses Songs ad absurdum und erinnern daran, dass sie die Band sind, die 16 Jahre vorher den modernen Klassiker THE WARNING veröffentlicht hat. Es sind bewusst gesetzte Zäsuren wie die Roboter-hafte Vocoder-Stimme im Titelsong und der disco-punkige Rausschmeißer „Out Of My Depth“, die verhindern, dass Hot Chip zu Katy Perry werden.
Vier Sterne
CHIP-MIX
DJ-Kicks: Hot Chip (2007)
Der Tracklist, die Hot Chip für die legendäre Mix-CD-Reihe DJ-KICKS ausgewählt haben, wirkt auf ersten Blick wie eine krude Mischung aus allen möglichen unpassenden Stilen: Old-School-HipHop (Positive K) steht neben Avantgarde (This Heat), Minimal Techno (Audion), Electro-Rock (New Order), Soul (Etta James) und Electro (Gramme). Der Soulschleicher „Nitemoves“ von Grosvenor, dem Projekt des ehemaligen Hot-Chip-Schlagzeugers Rob Smoughton, eröffnet den Mix, der Ray-Charles-Hit „Mess Around“ von 1953 beendet ihn. Dazwischen erzählen Hot Chip eine spannende Geschichte, die von ihren unterschiedlichen musikalischen Vorlieben handelt.
Fünf Sterne
Late Night Tales (2020)
Sinn und Zweck von Mix-CD-Reihen wie LATE NIGHT TALES ist es – neben der Zurschaustellung der eigenen musikalischen Bescheidwisserei – vor allem einem aufgeschlossenen Publikum unbekannte alte und neue Künstler:innen nahezubringen. Mit ihrer Auswahl legen Hot Chip hier unter anderem den Fokus auf die Speerspitze der zeitgenössischen internationalen Avantgarde: Christina Vantzou, Kaitlyn Aurelia Smith und Beatrice Dillon sind mit Tracks dabei. Während Hot Chips DJ-KICKS einen exklusiven eigenen Song enthält, kommt LATE NIGHT TALES mit vieren, darunter das Velvet-Underground-Cover „Candy Says“.
Viereinhalb Sterne
SOLO CHIP
Joe Goddard – Harvest Festival (2009)
Auf seinem ersten Soloalbum erzählt Joe Goddard im Jahr 2009 eine kurze Geschichte der elektronischen Tanzmusik – vom Synth-Pop über Detroit Techno bis hin zum damals noch aktuellen Dubstep. Die elf Tracks des Albums werden durchzogen von vielfarbigen Sounds aus Goddards Arsenal an analogen Synthesizern, wabernden Sequenzer-Flächen und federnden, elastischen Beats. Im Track „Lemon & Lime“ kommt dieser ganze Wahnsinn zusammen. Was es hier kaum gibt, ist Gesang. HARVEST FESTIVAL markiert nicht Goddards Ausbrechen aus dem Bandkontext, im Gegenteil, das Album stellt die elektronische Seite seiner Hauptband in den Vordergrund.
Vier Sterne
Alexis Taylor – Piano (2016)
Was Hot-Chip-Soloarbeiten betrifft, legt Alexis Taylor den weitesten stilistischen Spagat hin. Er kann so einiges zwischen Avantgarde, melancholischer Dance Music und Indie Pop. Und er kann Klavier spielen. Auf PIANO gibt es nur den Mann, seinen Gesang und ein Klavier. Er interpretiert den von Elvis popularisierten Klassiker „Crying In The Chapel“, Crystal Gayles „Don’t It Make My Brown Eyes Blue“, zwei Songs seines Avantgarde-Projekts About Group sowie „So Much Further To Go“ von Hot Chip und ein paar neue Songs. Dass das alles wie aus einem Guss klingt, liegt an der Minimal-Instrumentierung und an Taylors wehmütiger Stimme.
Viereinhalb Sterne
Plus: JOY IN REPETITION, das Best-of-Album von Hot Chip ist am 5. September erschienen.


