Huey Lewis – Small World


Der Mann hat Mut! Anstatt mit einer Kreuzung aus SPORTS und PORE auf Nummer sieher zu gehen, begibt sich Huey Lewis auf eine stilistische Tour de force, die ihn nach Jamaika, Lateinamerika und Afrika führt.

Bei dieser Reise könnte es allerdings passieren, daß er alte Fans verprellt, ohne neue zu gewinnen. Denn nach dem ersten Hören kommt man zu diesem — voreiligen — Schluß: grob, skizzenhaft, unfertig, zuviel Reggae, mittelmäßiges Material, Momentaufnahmen einer Jamsession. Nicht schlecht für den Probenraum, aber untauglich für den Weltmarkt.

Doch wie gehabt: Erste Eindrücke trügen oft. SMALL WORLD ist ein kleines, schlampiges Meisterwerk mit großen Party-Qualitäten, schnell, tanzbar, gutgelaunt… Daß dabei auch die anfangs schwachbrüstig-erscheinenden Songs an Dimension gewinnen, beweist die heimliche Qualität der LP. Das Titelstück „Small World (Part One)“ ist eine Bläser/Keyboard-getragene Umwelthymne, deren dräuende Thematik Huey im Gegensatz zu anderen Müsli-Männern fingerschnippend serviert. Der legendäre Sax-Tenorist Stan Getz veredelt diese Komposition mit einem perfekt gefaßten Solo.

Und auch die Band The News agiert hier und überall spieltechnisch sicher und mit lockerer Präzision. Auffällig, daß nicht jede Minute auf den rauhkehligen Frontmann zugeschnitten ist. Im Gegenteil: SMALL WORLD ist ein Bandalbum.

Das rasante Soul-Instrumental „Slammin“ in allerbester Tower Of Power-Tradition zeugt von der Dominanz des Ensembles und seiner Solisten. SMALL WORLD schreit danach, aus dem Studio in die große weite Welt der Bühne getragen zu werden. Anstatt in der sauerstoffarmen Höhenluft von Kommerz und Erfolg zu verharren, begibt sich der 37jährige New Yorker in die Niederungen der Provinz, der „kleinen Welt“. „Old Antone’s“, eine Stil-Melange aus TexMex, Zydeco und Fiesta-Atmosphäre, erzählt ganz banal von einer Kneipe. Lewis-Protege Bruce Hornsby läßt das Akkordeon atmen; „Perfect World“, einzige Fremdkomposition und zugleich erste Single auf diesem Werk, hat große Ska-Anteile. Huey & Co. haben überhaupt öfter als sonst üblich die Rhythmik der Karibik genutzt. So auch bei dem kargen, dubmäßigen, von Gitarre und Schlagzeug getragenen Jam „Bobo Tempo“, ein Song, der aus einer Zeit stammt, als Lewis ohne Fortune der Bay Area-Band Clover vorstand. Natürlich gibt es auch jede Menge typisches News-Material, geradeaus, rockig, mit einprägsamer Hookline. „World To Me“, ist die einzige Ballade -— Orgelsolo, Reggae-Touch, Gitarrenführung und die naive Liebesbotschaft: „You are the world to me…“ In „Give Me The Keys“ huldigt Lewis wieder einmal dem amerikanischen Traum von Schnelligkeit, wortspielend verbrämt mit sexuellen Andeutungen: „gimme the keys and I’ll drive you crazy…“Und dann der krönende Abschluß: „Slammin“, eine Hommage an den Sixties-Soul.

Die Tower Of Power-Hornsection, die Lewis schon während seiner letzten Tournee unterstützte, setzt nun auch im Studio Akzente: Perfekte Stimmstaffelung, hervorragend herausgearbeitete Soli, wunderbar sichere Interaktion zwischen dem Formationsflug der Bläser und dem Bodenpersonal an Baß, Schlagzeug und Gitarre. SMALL WORLD zündet spät, dann aber verwandelt sich anfängliche Enttäuschung in schiere Bewunderung. Man muß nur ein wenig Geduld haben mit Huey.

Huey Lewis über das neue Album

„Ich habe mit meiner Band bisher vier Platten eingespielt, und alle waren stilistisch im gleichen Eck angesiedelt. Ich hatte das Gefühl, daß es Zeit für eine drastische Änderung war: eigenwilliger, anspruchsvoller und auch musikalisch überraschender sollte es werden. Es war wichtig für uns, etwas anderes zu machen — etwas, auf das wir auch als Musiker stolz sein können. Eigentlich waren wir immer musikalische Schmuddelkinder, nein — Puristen waren wir nie. Ich habe gelesen, daß sich Michael Jackson die Zahl 100 Millionen auf den Spiegel geschrieben hat — so viele Exemplare von BAD wollte er verkaufen. Auf meinem Spiegel steht seitdem die Zahl 105 Millionen. Nein, im Ernst: Wir haben uns nicht angestrengt, jetzt krampfhaft ein kommerzielles Album zu machen. Wenn es sich nicht verkauft, gehen wir einfach raus und spielen uns live den Arsch ab.“ Genau das tun sie denn auch:

16.10. Dortmund, Westfalenhalle,

17.10. Nürnberg, Frankenhalle,

18.10. München, Olympiahalle,

19.10. Stuttgart, Schleyerhalle,

21.10. Köln, Sporthalle,

22.10. Hamburg, Sporthalle,

24.10. Berlin, Deutschlandhalle,

25.10. Frankfurt, Festhalle,

26.10. Mannheim, Eisstadion