I send an SMS to the world


...oder: Follow you, follow me. Vom Auf- und wohl nahem Abstieg des Online-Tagebuchs Twitter.

Wenn sogar dem Split der innovationsfeindlichen Oasis ein Twitterkrieg vorangeht (Auszüge: Noel mokiert sich über Liams Modemarke Pretty Green und zieht in Erwägung, ein Konterlabel namens „Ugly Red“ zu gründen; Liam nennt Noel u.a. “ eine alte Hausfrau“ ), dann ist dieser 2006 der Öffentlichkeit vorgestellte Microbloggingdienst drei Jahre später tatsächlich popkulturelles Zentralthema. Dann muss ein eigener Account her.

Keine Minute nach Registrierung bietet ein so genannter „Follower“ bereits seine Lustdienste an. Der (nach Profilbild) junge Mann ist ein „aggressive follower“, dessen Ziel es ist, möglichst vielen Twitter-Usern seinen digitalen Müll zukommen zu lassen. „Naja, solange so einer von der Straße weg ist“, hätte man früher noch gesagt. Aber der Kerl ist ja vermutlich auf der Straße, verbreitet seine maximal 140 Anschläge langen „Tweets“ per iPhone, per BlackBerry. Gut, so was nervt. Richtig kritisch wird’s aber, wenn sich reale News aus erster Hand mit Schlagzeilenstuss wie dem Tod Morrisseys oder einem nie stattgefundenen Anschlag auf ein Hotel in Mumbai vermengen.

Twitter erwies sich aber nicht nur als Spielplatz für Wichtigtuer, man kann mit dem Tool tatsächlich auch Wichtiges tun. Zum Beispiel, in seinem Profil Teheran als Standort angeben, um die Arbeitsgrundlagen iranischer Sicherheitskräfte, die inländische Twitter-Autoren verfolgen, durcheinanderzubringen. Das wird langfristig Mahmud Ahmadinedschad ebenso zum Rücktritt bewegen wie „Pace“-Fahnen den Irakkrieg stoppen, oder? Abwarten.

Welche Breitenwirkung von Twitter ausgeht, konnte man dieses Jahr an der box office Performance von Sacha Baron Cohens „Bruno“ in den USA ablesen. Vom erfolgreichen Filmstart am Freitag zum Samstag brach der Kartenverkauf um imposante 39 Prozent ein. Enttäuschte Kinogänger warnten ihren Bekanntenkreis vor dem Besuch der als geschmacklos wahrgenommenen Komödie. „Bruno“ wurde so zum ersten One-Day-Wonder der Filmgeschichte.

Doch wird Twitter die Auslotung seines Machtpotenzials überhaupt noch ergeben? Im November beklagten die Betreiber bereits einen Userrückgang in den USA um acht Prozent im Vergleich zum Vormonat, Tendenz steigend. Investoren, die Ende des Jahres mit der Vermarktung der Plattform beginnen wollten, zogen sich schnell zurück.