Ich habe euch was mitgebracht: Hass, Hass, Hass


"Bad Vibes. Britpop und der ganze Scheiß": Herrlich zynische Abrechnung mit der englischen Musikszene im allgemeinen und dem Britpop im besonderen

Wenn die Sache mit dem Neunziger-Revival also wirklich ins Rollen geraten sollte, dann wird es spannend zu sehen sein, wie sich auf Britpop bezogen wird. War vielleicht die Gitarrenband-Schwemme, die auf die Libertines und Franz Ferdinand folgte, schon das Britpop-Revival? Die Kaiser Chiefs etwa? In

Luke Haines

würde schon die Frage einen Wutanfall auslösen – oder sie ginge ihm am Arsch vorbei.“Yanks go Home” stand im April 1993 auf dem Cover des britischen Monatsmagazins Select. Brett Anderson von Suede posierte vor dem Union Jack, und Saint Etienne, Denim, Pulp und die

Auteurs

wurden auf den Titelzeilen zu einem “Battle of Britain” einberufen. “Obwohl nichts davon zutraf, wurde ich unter anderem bezeichnet als: der Pionier, der Pate, der Erfinder, der Vollstrecker, respektive der Vergessene des Britpop”, schreibt Luke Haines in seinen Erinnerungen an seine Zeit als Sänger und Songwriter der Band The Auteurs in den neunziger Jahren – Haines hasste all die Bands um sich herum, die plötzlich die Charts beherrschten, und er hat diesen Hass beim Schreiben aufs Prächtigste in sich wiederaufleben lassen. “Ich verabscheute vor allem die Unverfrorenheit, die aufgesetzte Fröhlichkeit – wie man sie sonst nur von Diakonen und Nutten kannte -, die die Allianz aus Blur und Elastica zur Schau stellte”, heißt es da zum Beispiel.

Bad Vibes

ist die Abrechnung eines sich stets unverstanden fühlenden Künstlers, der auf dem Titel des Melody Maker zum “Neuen Retter des Rock” ausgerufen wurde, obwohl er doch Rock hasste. Es ist der Rundumschlag eines Misanthropen, der die Musiker seiner Band verachtete und die Medien- und Musikbusiness-Figuren um sich herum als lästiges Geschmeiß wahrnahm. Aber weil Luke Haines schon als Songwriter ein Mann des geschliffenen Satzes war und ist, ist dieses Buch in seinem Zynismus, in seiner Bereitschaft, Namen zu nennen, in seiner Rechthaberei gerade großartig.Die Wege des begabten Popmusikers Luke Haines waren oft unergründlich – ein Nebenprojekt nannte er

Baader-Meinhof

, die Vorabsingle zum dritten Album handelte von einem Kindsmord – und das weiß er auch. Mit sarkastischem, bitterbösen, selbstironischem Witz teilt er aus und schont sich selbst dabei nicht im Geringsten.Dass sich das im Deutschen ein bisschen weniger elegant liest als im englischen Original, macht dabei wenig: “Bad Vibes” ist ein weiteres Beispiel dafür, dass die hellsichtigsten Erinnerungen an popgeschichtliche Epochen nicht unbedingt von den vermeintlichen Siegern der Geschichte geschrieben werden. Um eine Stimme unterlagen die Auteurs bei der Juryabstimmung zum Mercury Music Prize den Konkurrenten von Suede – vielleicht werden es die spröderen, beleseneren Auteurs sein, wenn eines Tages doch eine Band aus der Britpop-Epoche als Vorbild für ein Revival dienen soll.

(Heyne Hardcore, 320 Seiten, 12 Euro) Felix Bayer – 12.10.2010