„Ich wünschte, ich wäre schwul!“


Vier Jahre nach Era Vulgaris lässt ein neues QOTSA-Album weiter auf sich warten. Kurzzeitig überlegte Josh Homme gar, die Musik Musik sein zu lassen. Dann entschied er sich jedoch, das ’98er-Debüt neu aufzulegen, ging auf Selbstfindungstour, traf John Paul Jones und entdeckte die Vorzüge homoerotischer Männerfreundschaften.

Mister Homme, warum eine Tour, auf der Sie ausschließlich Material vom allerersten Queens-Album spielen?

Da gibt es eine nette, kleine Vorgeschichte. Nämlich meine gesundheitlichen Probleme im vergangenen Jahr. Ich möchte da nicht zu sehr ins Detail gehen, aber ich hatte einen schweren Unfall, und es dauerte ewig, bis ich wieder auf den Beinen war. Ich lag fast drei Monate im Bett, und habe all die fiesen psychologischen Phasen durchlaufen, lag darnieder, gequält von Selbstzweifeln. Am Ende war ich fast so weit, dass ich gar keine Musik mehr machen wollte.

Wie bitte?

Na ja, das Touren an sich wird eben immer schwieriger. Was nicht nur mit dem Alter zusammenhängt, sondern auch damit, dass da so viele andere Dinge sind, die ich im Grunde viel lieber tun würde. Und richtig zu touren, also überall aufzutreten, wo man dich sehen will, ist ja eine extrem langwierige Sache. Was mir erst bewusst geworden ist, als ich dalag und anfing, über mich und mein Leben nachzudenken. Insofern wollte ich damit aufhören – und mit der Musik ebenfalls. Ich wollte mich nur noch um meine Familie kümmern und endlich das erste Album wiederveröffentlichen. Denn das hatte ich schon ewig vor. Also bin ich ins Studio, um es neu zu mastern, habe letztlich aber kaum etwas verändert.

Warum dann all die Mühe?

Weil es bereits in der alten Fassung das gewisse Etwas hat. Es ist nicht so laut wie andere Platten und auch nicht so fett produziert. Außerdem schwingt da etwas Nostalgisches mit, was mich zum Nachdenken gebracht hat. Eben darüber, wo ich gerade stehe, wie ich dahin gelangen konnte, und dass ich bereits vor dem ersten Queens-Album darüber nachgedacht hatte, komplett mit der Musik aufzuhören.

Sie meinen nach dem Ende von Kyuss und Ihrer Zeit bei den Screaming Trees, als Sie einfach müde und ausgepowert waren?

Richtig. Da stand ich an einem ähnlichen Punkt in meinem Leben – und dieses Album hat sich als regelrechtes Heilmittel erwiesen. Und alle Hinweise, die ich damals wahrgenommen habe, machten mir jetzt noch einmal unmissverständlich klar: Komm runter, lass es ruhiger angehen und achte mehr auf die kleinen Dinge um dich herum.

Irgendwann meinten jedoch die anderen: „Wir würden gerne anfangen, neue Songs zu schreiben.“ Daraufhin ich: „Sorry Jungs, aber momentan habe ich nichts in mir. Können wir nicht einfach ein bisschen touren? Mit dem ersten Album – genau so, wie es ist?“

Damit sind QOTSA zur klassischen Rockband geworden, die konzeptionell geschlossene Album-Shows spielt.

Warum auch nicht? Ich habe erlebt, wie Cheap Trick das machen. Die haben ihre ersten drei Alben am Stück gespielt. Und zwar drei Abende hintereinander.

Warum erscheint eigentlich die Neuauflage erneut ohne Sticker?

Welcher Sticker?

„Trance Robot Music For Girls“ – Ihre ureigene Umschreibung Ihres Sounds und Stils?

Verdammt! Ich wünschte, ich hätte daran gedacht! Dabei finde ich das immer noch lustig – und bin nach wie vor der Überzeugung, dass es die beste Formulierung ist, um unsere Musik zu beschreiben. Obwohl ich mich nach wie vor frage, was das bei einigen Jungs auslöst: Ob sie sagen würden: „Was soll das – so etwas höre ich mir nicht an!“? Gott, wie ich mir das wünschen würde!

Wieso?

Weil ich kein Vorbild für irgendwelche extra-harten Machos sein möchte. Ich bin froh, dass die ersten Reihen bei unseren Konzerten hauptsächlich weiblich besetzt sind – und nicht von irgendwelchen hässlichen, schwitzenden Typen.

Da wir gerade in Nostalgie schwelgen: Wie kommt es, dass Sie nicht an der Kyuss-Reunion beteiligt sind? Und sei es nur als Spaßprojekt, um auf andere Gedanken zu kommen?

Auf keinen Fall!

Darf man fragen, warum Sie das so kategorisch ablehnen?

Weil ich keine Lust darauf habe. Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist nicht so, dass ich ihnen den Erfolg nicht gönne. Ich wünsche John und Nick nur das Beste. Deshalb sollen sie das ruhig machen – allerdings ohne mich. Denn was die meisten Leute vielleicht nicht verstehen, ist, dass ich schon mit 14 bei Kyuss gespielt habe. Und ich habe keine Lust, noch einmal das zu machen, was ich mit 15 getan habe.

Dann lassen Sie uns das Thema wechseln: Mit Rekords Rekords betreiben Sie jetzt Ihr eigenes Label. Wie muss man sich das vorstellen? Josh Homme hinter einem Mahagonischreibtisch?

Mein Büro existiert nur in meinem Kopf – und dort hat es goldene Wände, schwere Kronleuchter und edle Ledermöbel. (lacht) Nein, jetzt im Ernst: Ich sehe Rekords Rekords als eine Art Gütezeichen, von dem die Leute ablesen können, dass sie etwas Besonderes in den Händen halten. Wie zum Beispiel die Alben von Alain Johannes oder den Mini Mansions. Die würden im heutigen Musikgeschäft geradezu untergehen, weil die Labels gar nicht mehr nach guten Songs suchen. Die schauen nur noch auf Facebook und MySpace und nehmen irgendwelche Leute mit wer-weiß-wie-vielen Klicks unter Vertrag – selbst wenn die nie live gespielt haben. Das ist einfach töricht.

Wen verpflichten Sie als Nächstes? Ihre Freunde von den Arctic Monkeys?

Eigentlich nehme ich niemanden unter Vertrag – ich lizenziere nur und überlasse den Künstlern alle Rechte. So werden wir es in Zukunft auch mit den Queens-Alben halten. Ich bin Gott sei Dank nicht mehr bei Universal und mache nie mehr Sklavenarbeit für Jimmy Iovine. Er kann sich jetzt meinetwegen ganz auf „American Idol“ konzentrieren und sich selbst ins Knie ficken. Was er ja schon seit Jahren tut. (lacht)

Herr Homme, warum sind seit dem letzten Queens-Album fast vier Jahre vergangen? Haben Sie zu oft mit anderen auf der Bühne gestanden?

Ja, nehmen Sie allein die Vultures und die Eagles Of Death Metal. Das sind Dinge, die mich wahnsinnig viel Zeit gekostet haben. Und dann habe ich ja auch noch ein paar Sachen produziert. Wie die Arctic Monkeys. Und ich habe diverse Soundtrack-Geschichten und Remixes angefertigt, beispielsweise für Grinderman. Ich habe einfach das Gefühl, dass ich auch mal andere Stellen meines musikalischen Körpers kratzen muss. Sonst wird es einfach ein wenig monoton auf Dauer.

Das könnten Sie dadurch verhindern, endlich mit Björk zu arbeiten. Wie lange gehen Sie eigentlich mit dieser Idee schon schwanger?

Wahrscheinlich zu lange. Es gibt ja so etwas wie die Kollaborationsfalle, die allein darin besteht, dass du öffentlich darüber redest. Ich bewundere Björk als Künstlerin. Aber ich bezweifle mittlerweile, dass zusammen etwas Gutes entstehen könnte, weil die Leute schon davon wissen, und die Erwartungen dementsprechend übertrieben hoch wären. Außerdem wüsste ich nicht, warum sich Björk überhaupt darauf einlassen sollte. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, warum ich nie gefragt habe: Ich hasse es, abgelehnt zu werden. Und so ein Nein ist normalerweise vorhersehbar. Dann lieber etwas anderes angehen.

Sprich: Wann fangen Sie mit dem neuen QOTSA-Album an?

Nach der Tour und den ganzen Festivals. Ich denke, das Album wird in der ersten Hälfte des nächsten Jahres erscheinen.

Vorher werden Sie zum zweiten Mal Vater.

Richtig. Mein zweites Kind ist gerade unterwegs, was mich wahnsinnig freut.

Wie steht es um die Crooked Vultures, und das Vorhaben, relativ schnell ein zweites Album an den Start zu bringen?

Die Ansage war wohl etwas optimistisch. Und ich persönlich habe das auch nie so gesagt. Dabei hatten wir definitiv eine Menge Spaß. Gerade, was das Touren betrifft.

Also war dieses Trio schon etwas Besonderes?

Ohne Frage! Es hat sich wahnsinnig gut angefühlt. Nach dem Motto: Bauch einziehen, Schultern hoch und jeden anlächeln, den man trifft. Eben, als ob man in anderen Sphären wäre, geradezu unbesiegbar. Ich meine, selbst wenn du Leuten begegnet bist, die zu dir meinten: „Ich mag die Platte nicht“, schwebten wir auf Wolke sieben.

Dave Grohl behauptet, Sie hätten sich während der Tour zu Spezialisten für Gourmet-Restaurants entwickelt.

Wir hatten einen regelrechten Wettkampf am Laufen. Wo immer wir auch waren, hieß es: „Ich habe da von diesem oder jenem Restaurant gehört“, was meistens von John Paul Jones kam. Und Dave und ich haben ständig versucht, das zu überbieten. Was vielleicht auch damit zusammenhängt, dass wir es genossen haben, mal anders zu touren, als wir es mit unseren alten Bands gewohnt sind. Und das bedeutet bei John Paul immerhin Led Zeppelin. Wir saßen also da und tauschten Geschichten aus dem Krieg aus.

Erzählen Sie ruhig …

Ich wurde zum Beispiel mal aus einer Bar geworfen – mit den beiden Lautsprechern unterm Arm, die zuvor noch an der Decke hingen. (lacht) Das ist so mein Level. Aber bei John Paul heißt es halt: „Bonzo und ich haben dies und das gemacht“, wo Dave und ich nur abwinken konnten. Ich meine: Wer will sich schon mit John Bonham messen?

Das ist nie langweilig geworden?

Kein bisschen! Ich muss sogar sagen, dass ich mehr von John Paul Jones gelernt habe als von den meisten anderen Menschen, die ich kennenlernen durfte. Man muss nicht sterben, um große Kunst zu schaffen.

Wie viel unternehmen Sie dieser Tage mit Ihrem Buddy Dave? Treffen Sie sich noch regelmäßig?

Eigentlich kaum – weil wir beide wahnsinnig beschäftigt sind. Früher sind wir mit den Motorrädern durch die Welt gedonnert, haben tolle Restaurants besucht – und jetzt bin ich wieder auf Tour und er hat sein neues Album am Start, weshalb wir uns kaum sehen. Deshalb wünsche ich mir manchmal, ich wäre schwul. Dann könnte ich nämlich die ganze Zeit Party machen und mit meinen Freunden abhängen.

Das meinen Sie jetzt nicht ernst.

Doch, das wäre bestimmt eine große Hilfe, um diesen ganzen Stress zu kompensieren, den das Arbeiten und Touren mit einer Rockband mit sich bringt. Ich würde auch Lederhotpants und Federboa tragen.

Sie wären bestimmt eine imposante Erscheinung.

Glauben Sie wirklich?

Mit Sicherheit! Dave Grohl spielt im Sommer in Deutschland, sollen wir Ihrem Freund etwas ausrichten?

Lassen Sie mich kurz überlegen … OK, here we go: „Hallo Hagan, hier ist Tragus. Hagan, bitte melden. Ich vermisse dich. Was machst du? Wie geht es dir? Bye!“