Instinkt stinkt


Kleinkrieg in der Traumfabrik — kein Film hat in letzter Zeit soviel Kontroversen verursacht wie "Basic Instincts". Homosexuelle fühlen sich diskriminiert, Moralapostel beschämt und der Drehbuchautor veräppelt. Ist der Sex-Thriller mit Michael Douglas und Sharon Stone tatsächlich so heiß wie die Diskussion?

Zwei. dreimal im Jahr passiert es, daß ein Film zum Medienereignis stilisiert wird. Dann redet kein Mensch mehr darüber, ob er gut oder schlecht, interessant oder langweilig ist. Bei „Batman“ beispielsweise lautete die Frage, ob die PR-Kampagne besser ist als der Film (Ja). in „Thelma und Louise“ ob Frauen die besseren Männer sind (Nein, nur klüger) und in „Fatal Attraction“, ob es nicht im AIDS-Zeitalter besser wäre, auf lustvolle Spielchen in Aufzügen zu verzichten und daheim bei Frau und Kind zu bleiben. (Naja, ähem … NEIN!) All diesen Filmen bekam die kollektive öffentliche Diskussion an der Kasse gut — sie waren plötzlich nicht mehr nur ein Produkt der Traumfabrik Hollywood, sondern ein gesellschaftspolitisches Spektakel, an dem jeder teilhaben wollte. „Basic Instincts“ hat diesem filmfremden Selbstläufer-Syndrom eine vollkommen neue Dimension eröffnet: dieser Film führt einen Mehrfronten-Krieg…

Drei Millionen Dollar war Carolco-Pictures („Terminator) das Original-Drehbuch von Joe Esterhasz wert. Die ursprüngliche Storyline handelte von einer Reihe von Morden, die an Männern im Augenblick höchster Verzückung während des Liebesspiels mit einem Eiszerkleinerer verübt werden. Hauptverdächtig: Catherine, eine laszive Schriftstellerin von zweifelhaftem Ruf. In San Francisco kam es am Set von „Basic Instincts“ zu unerfreulichen Szenen zwischen der Edelfeder Esterhasz und dem holländischen Erfolgsreosseur Paul Verhoeven („Robocop“. „Total Recall“). Der Grund der ausufernden „künstlerischen Meinungsverschiedenheiten“, Version Esterhasz: „Verhoeven interpretiert mein Buch vollkommen wisensibel und spekula«Vrverhoeven allerdings beharrt darauf, daß erst seine Korrekturen aus einem 08/ 15-Thriller den „besonderen Film“ gemacht hätten. Tatsächlich wird der rund 30 Mio. S teure Film „Basic Instincts“ als Revolution des erotischen Films gehandelt. In der Verhoeven-Version erhält „Catherine“ eine bi-se.xuelle Geschmacksnote: aus der schlicht lebensfrohen, aber durchaus konventionellen Dame wird ein ohne Slip und Schutz herumstreunender Sex-Maniac. Verhoeven war schon immer ein Freund der derben Spaße, exquisit gefilmt, radikal lustvoll. Mit „Basic Instincts“ geht er noch weiter: Die Darstellung der Liebesszenen zwischen Sharon und Michael Douglas bescherte den amerikanischen Kino-Zensoren rote Öhrchen. Oraler Sex ist da im Lichtspiel, sexuelle Praktiken, die der Nötigung recht nahe kommen, und überhaupt: Kein lackiertes Schattenspiel, kein Netz und Körper-Double — Sharon Stone und Michael Douglas sind beim nicht jugendfreien Tun deutlich zu sehen! Erst auf Druck von Verleiher Tri-Star und einigen Cuts des Regisseurs erhielt „Basic Instincts“ die verkaufsfördernde R-Rate, nachdem im Vorfeld die Kassengift-Einstufung „NC-17“ (Kids unter 1 8 müssen leider draußen bleiben) noch als sicher galt. Verhoeven: „Ich mußte dem Studio entgegenkommen, aber letztlich sind es nur kleine Cuts in einer Lunge von rund 45 Sekunden!“

Trotzdem ist „Basic Instincts“ noch ungewöhnlich freizügig, was letztlich den beiden Darstellern Sharon Stone und Michael Douglas zu verdanken ist. Michael Douglas liebt das Risiko — und er weiß, daß ihm sein Publikum eine Menge verzeiht — seinen nackten Hintern zum Beispiel. Selbst seine heißen, außerehelichen Sexabenteuer mit Glenn Close in „Fatal Attracüon“ konnten nicht verhindern, daß sich die prüden Amerikaner mit ihm identifizierten. In „Basic Instincts“ spielt er einen sexhungrigen Cop namens Nick, der seine Schmutzgriffel nicht von der mordverdächtigen Catherine lassen kann — ein typischer Fall sexueller Obsession.

„Natürlich ist dieser Film ein Risiko für mich, aber das waren, Wall Street‘ ¿

und .Fatal Attraction‘ auch — und auf diese Rollenauswahl bin ich heule stolz!“

Sharon Stone setzte sich im Kampf um die weibliche Hauptrolle der „Catherine“ gegen hochkarätige Konkurrentinnen durch: Michelle Pfeiffer. Geena Davis, Ellen Barkin, Mariel Hemingway — alle wollten sie den Job und alle bekamen schließlich das große Flattern, als sie über das ganze Ausmaß der geforderten „Freizügigkeiten“ informiert wurden. Nicht so die begnadete Selbstvermarkterin Sharon Stone („Total Recail“): „Der Stoff verlangt danach, daß ich nackt bin, also zieh‘ ich mich aus.“ Und es ist nicht ganz sicher, ob sie über sich oder ihren Filmcharakter spricht, wenn sie sagt: „Wenn Du eine Vagina UND einen Standpunkt hast, dann kann das eine tödliche Kombination sein!“ Michael Douglas über seine Partnerin: „Sharon Slone ist perfekt fiir die Rolle, sie IST Catherine — ohne die Morde!“

Moment — Catherine ohne die Morde? Ist Douglas verrückt? Warum verrät der Mann die Täterin in seinem eigenen Thriller? Will er SAT 1 überflüssig machen? Keineswegs — es ist nur in Amerika längst kein Geheimnis mehr, daß Sharon Stone die „bad girP‘-Rolle übernommen hat. „Catherine did it“ stand schon auf großen Schrifttafeln und Plakaten, die von Mitgliedern aller möglichen Homosexuelien-Bewegungen vor die Kinos getragen wurden. Warum der Aufruhr und die vermeintlich kleinkarierte Spielverderberei? Die Antwort gibt Chris Fowler von der „Gay and Lesbian Alliance Against Defamation“ in L.A.: „Basic Instmets bt ein typisches Beispiel dafür, wie Homosexualität in Hollywood-Filmen seit jeher stereotyp gezeichnet wird: Homosexuelle sind unsympathisch, irre, gewalttätig. Gegen diese vollkommen einseitige Darstellung muß endlich etwas unternommen werden.“

Unter diesem Aspekt wird der geradezu panische Rückzug des teuren Mainstream-Schreibers Esterhasz von „Basic Instincts“ deutlicher, mit diesem Skandalpotential wollte er nichts zu tun haben. Paul Verhoeven versteht die ganze Aufregung nicht: „Natürlich ist Catherine bisexuell — aber sie ist ein Einzelcharakter.

Es gibt selbstverständlich keine kausalen Zusammenhänge zwischen Bi- oder Homosexualität und den Charakteren in meinem Film!“ Das allerdings stößt bei den homosexuellen Interessenverbänden auf Unverständnis. Robert Bray vom „National Gay und Lesbian Task Force“ in Washington D.C. bringt die Stimmung unter den „Queer People“ in den Staaten auf den Punkt: „Wir haben ja gar nichts gegen ein paar homosexuelle Mörder oder Ausgeflippte im Film, aber wir liätten zur Abwechslung auch mal gern einen homosexuellen Helden!“

Daß aber die „Queer Nation“ durch die aufwendigen und publicityspendenden Aktionen gegen „Basic Instincts“ tatsächlich erreicht, daß sich den Film niemand ansieht, darf tunlichst bezweifelt werden. Tatsächlich ist wohl eher das Gegenteil der Fall. Am Starrwochenende des Films glichen sich in Amerika die Bilder: Volle Kinosäle, enttäuschte Demonstranten, deren „Catherine did if-Botschaft von der neugierigen Besuchermenge emotionslos aufgenommen wurde — „Wer will das wissen?“ In den Zeitungen war später dann zu lesen, was „Basic Instincts“ nach Meinung der Filmkritiker wirklich ist: „Ein aufgeblasener, im Grunde konventioneller Thriller mit der Erotik einer pastellfarbenen Hotellobby!“ Enttäuschend, was?