Interview mit Reinhard Mey


Reinhard Mey, einziger deutscher Chansonier mit Auslandserfolgen (u.a. Prix International de la Chanson Francaise) ist immer mehr auf dem Wege, Udo Jürgens seine Spitzenposition streitig zu machen. Seine Masche ist entwaffnende Ehrlichkeit. Ein Image hat er nicht. Unter Deutschlands Sängern nimmt er deshalb eine Aussenseiterstellung ein. Seine Lieder sind lyrisch, gewürzt mit Humor und Satyre. Viel zu anspruchsvoll eigentlich, um sich als „Hits“ bezeichnen zu lassen. Und trotzdem hat Reinhard Mey mit seinen Liedern Karriere gemacht. Wie er sich das erklärt, erfuhren wir in Köln, der Endstation seiner 42 Städte-Tournee, die ihn kürzlich durch die ganze Bundesrepublik führte.

Wie lange machen Sie eigentlich schon Musik?

Das, was ich jetzt mache, also Chansons, seit 1963. Davor, das heisst genauer gesagt seit 1956, habe ich in einer Berliner Skiffle-Gruppe Trompete und Gitarre gespielt. Wir nannten uns „The Rotten Radish Skiffle Guys“.

Wider aller Erwartungen haben Sie Deutschland nun doch nicht beim Grand Prix Eurovision de la Chanson vertreten. Woran lag das?

Ich hatte die wohl berechtigte Bedingung gestellt, nur mit einem meiner eigenen Lieder aufzutreten. Das allerdings war, den verantwortlichen Herren nicht recht. Ich sollte mir von einem Erfolgskomponisten ein „Lied nach Mass“ schneidern lassen. Ich bin jedoch der Meinung, wenn ich mich schon blamiere, dann mit einem eigenen Stück. Ausserdem sind es ja gerade meine Lieder gewesen, auf die mein Erfolg zurückzuführen ist. Es wäre also völlig unlogisch gewesen, jetzt auf etwas anderes überzuwechseln.

Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass Sie trotz ihrer anspruchsvollen Lieder beim deutschen Publikum so grossen Erfolg haben?

Ich erzähle Geschichten, in Lieder verpackt und besinge die Alltagsprobleme, die eigentlich jeden von uns irgendwie angehen. Die Leute finden ihre eigenen Sorgen, Probleme, Freuden und Erlebnisse in meinen Songs wieder. Ausserdem merken sie wohl, dass ich hundertprozentig hinter meinen Liedern stehe. Alles, was ich singe, ist mir selbst irgendwann, irgendwo einmal passiert. Alle meine Lieder basieren auf ganz persönlichen Erlebnissen oder Beobachtungen.

Man liest immer wieder, dass Sie gegen den Starrummel sind. Wie vereinbart sich das mit Ihrem augenblicklichen Erfolg? Kann ein Künstler wie Sie sich überhaupt dagegen wehren?

Ja, was heisst Starrummel? Wenn ich zum Beispiel auf Tournee bin, werde ich natürlich von Fotografen und Journalisten verfolgt. Das macht mir nichts aus, es ist ganz abwechslungsreich und lässt wenigstens keine Langeweile aufkommen. Ausserdem bin ich mir darüber imklaren, dass ich als Künstler ohne die Presse kaum existieren könnte. In meinem Privatleben will ich allerdings unbedingt in Ruhe gelassen werden. Meine Abneigung gegen den Starrummel bezieht sich auf Skandale und Affären, die manchen Leuten dazu dienen, die notwendige Publizität zu bekommen. Ich möchte nicht mit erfundenen Geschichten Schlagzeilen machen.

Welche Art von Musik bevorzugen Sie ganz privat? Gibt es irgendwelche Popgruppen, die Sie mögen?

Mein Hauptinteresse gilt auch privat den Chansons. Ich kenne mich, ehrlich gesagt, auf dem Gebiet der Popmusik nicht besonders gut aus. Von Chicago und Blood, Sweet & Tears gibt es ein paar Stücke, die mir ganz gut gefallen, sonst fällt mir im Moment eigentlich nichts weiter ein … Ich höre mir nicht allzu viel andere Sachen an. Wenn man weiss, dass man leicht zu beeinflussen ist, achtet man wohl ganz unwillkürlich darauf, dass man durch fremde Einflüsse nicht seine eigene Richtung verliert.

Was halten Sie von politischen Songs, wie sie z.B. Franz-Josef Degenhardt singt? Nicht besonders viel. Ich glaube nicht, dass man mit den sogenannten Protestsongs die Gesellschaft in irgendeiner Form verändern kann. Vielleicht ist es möglich, mit diesen Liedern eine Beeinflussung in Richtung Pazifismus zu erreichen, aber wirklich verändern lässt sich damit sicher nichts.