Jefferson Airplane


Die Freaks von San Francisco feiern zehnjähriges Bestehen. Im Sommer 1965 rollte eine der ersten großen US-Gruppen von der Westcoast-Startbahn. Der Ex-Schauspieler, Maler, Poet und Folksänger Marty Balin, der Gitarrist Paul Kantner und sein Freund, der Gitarrist und Sänger Jorma Kaukonen, hatten zwei Jahre bei der Gruppe 'Bay Aea' gespielt und starteten zusammen mit Bassist Bob Harvey, Schlagzeuger Skip Spence und Sängerin Signe Toly Aerson den totalen Rock-Flugkörper —- Jefferson Airplane. Heute gehören Jefferson Airplane (Jefferson Starship) mit der attraktiven Gallionsfigur Grace Slick neben Grateful Dead zu den ältesten und bekanntesten Gruppen der Westcoast-Szene.

Es war eine Idee von Marty Balin. Zusammen mit Paul Kantner und Jorma Kaukonen wollte er seine eigene Formation gründen. Die Band sollte Folk spielen – elektrisch verstärkt allerdings. Marty kannte einige Geldleute und überredete sie zur Finanzierung eines Clubs, wo er und seine Freunde auftreten konnten.

Jefferson Airplane Takes Off

Am 13. August 1965 war es dann soweit. Marty eröffnete den Rock-Schuppen mit seiner eigenen Band. Der ‚Matrix‘-Club in San Francisco bildete die Kulisse zu dem spektakulären Start von Jefferson Airplane.

In der berauschenden Atmosphäre von Open Air-Festivals und Free Concerts, zwischen flackernden Lagerfeuern und exotischen Traumtänzern, dort wo sich der Duft von Räucherstäbchen mit einem Hauch von Blütenstaub vermischt, begann in diesem Sommer der Höhenflug von Jefferson Airplane, der die Symbole der Blumenkinder mit den psychedelischen Sound-Propellern in alle Welt trug.

Eingetaucht in das pulsierende Farbmeer der totalen Light-Show verband Jefferson Airplane schon damals Rock, Folk und Blues zu einer elektrisierenden Klang-Stimulanz. Nach der Veröffentlichung ihres ersten Albums ‚Jefferson Airplane Takes Off mit dem neuen Bassisten Jack Casady unterzeichnete die Gruppe Ende 1966 einen Management-Kontrakt mit Fillmore-Initiator Bill Graham und bekam wenig später von dem US-Riesenkonzern RCA einen Traum-Vertrag mit 20.000 Dollar Garantie. Damit gehörte Jefferson Airplane zu den bestbezahlten Formationen im amerikanischen Rock-Business. Die Entscheidung von RCA war keine Fehlinvestition. Zwar gab es bei den ‚Airplanes‘ einige interne Schwierigkeiten —- Sängerin Signe Toly Anderson erwartete ein Baby, und Schlagzeuger Skip Spence ging zu Moby Grape – doch schon im Frühjahr 1967 erschien auf dem RCA-Label der zweite JA-Longplayer ‚Surrealistic Pillow‘ mit der neuen Sängerin Grace Slick und Drummer Spencer Dryden.

‚Amazing‘ Grace Slick

Die attraktive Grace kam aus einem renommierten Mädchen-Internat, hatte anschließend bei einem Uhrmacher gearbeitet und nach einem Zwischenspiel als Fotomodell in den verschiedensten Filmen (darunter ein Warhol-Streifen) mitgewirkt. Dann heiratete sie den Musiker Darby Slick und spielte zusammen mit ihm und seinem Bruder in der Gruppe ‚Great Society‘. Doch nach zwei nur wenig erfolgreichen LP-Veröffentlichungen und mehr als einem Ehekrach hatte Grace von Darby und seiner Gruppe genug. Bei einem gemeinsamen Auftritt mit Jefferson Airplane lernte sie 1966 Paul Kantner kennen – und wechselte über zu den Airplanes. Natürlich brachte sie ihre ‚eigenen Kompositionen mit – bizarre Songs mit düsterer Weltuntergangsstimmung oder herausfordernder Sex-Symbolik. Die von Grace geschriebenen Stücke ‚Somebody To Love‘ und ‚White Rabbit‘ von dem Album ‚Surrealistic Pillow‘ kamen als Single-Auskopplungen bis hoch in die US-Charts, und die LP wurde vergoldet.

Schon 1967 zählte Jefferson Airplane zu den bedeutendsten Formationen der amerikanischen Westküste.

Entsprechend war auch der technische Aufwand: Neben 35 Lautsprecher-Einheiten ging eine Lichtanlage von über fünf Tonnen Gesamtgewicht mit auf Tournee. Der bandeigene ‚Licht-Meister‘ Glenn McKay entwickelte mit Dutzenden von Diaprojektoren und einigen auf Klangimpulse reagierenden Spezialgeräten zusammen mit Stroboskop-Blitzen und Filmeinlagen ein unvorstellbares Licht-Happening. Bei manchen Konzerten setzte er über vierzig Licht-Kanonen ein.

Die Legende von Monterey

Erster Höhepunkt der Frisco-Gruppe und der gesamten Hip-Bewegung war das 67er Monterey Pop Festival in Kalifornien. Jefferson Airplane spielte zusammen mit Jimi Hendrix, The Who, Byrds, Eric Burdon & The Animals, Canned Heat, Ravi Shankar, Country Joe McDonald und Moby Grape -50.000 Rock-Freaks erlebten das friedliche Open Air-Meeting der Supergroups.

Ende desselben Jahres erschien das dritte JA-Album ‚After Bathing At Baxters‘.

LPs und Filmpläne

Nach der ersten großen Tournee mit Auftritten in Stockholm, auf der Isle Of Wight, einem Free Concert in London und zwei Gigs mit den Doors im Londoner Round House schrieben Grace Slick, Paul Kantner, Marty Baiin, Jorma Kaukonen, Jack Casady und Spencer Dryden Anfang 1968 die Musik zu dem Jean Luc Godard-Filrn ‚An American Movie‘. In diesem Streifen über die Westcoast-Szene sollten all‘ die großen Gruppen wie Grateful Dead, David Peel und Country Joe McDonald mitwirken, und Godard begann mit Jefferson Airplane – er filmte sie auf dem Dachfirst eines brennenden Hauses. Doch das war auch alles: ‚An American Movie‘ wurde niemals vollendet.

Musikalisch ging es bei der Frisco-Formation indessen weiter sehr gut voran. Ende 1968 veröffentlichte Jefferson Airplane in unveränderter Besetzung die vierte LP ‚Crown Of Creation‘, und schon Anfang 1969 kam ihre ‚fünfte‘ -‚Bless It’s Pointed Little Head‘. Noch im selben Jahr erschien das sechste JA-Album ‚Volunteers‘. Außer der bekannten Airplane-Besatzung waren Jerry Garcia von Grateful Dead, ‚ David Crosby, Stephen Stills und Nicky Hopkins bei den Aufzeichnungen mit dabei. Die Zusammenkunft all dieser Musiker gab Paul Kantner den Denkanstoß für einen Film: Rock- und Filmemacher, Schreiber und andere Künstler gründen einen Freistaat, um sich nach ihren eigenen Gesetzen entfalten zu können. Später startet das friedliche Völkchen mit dem Raumschiff ‚Jefferson Starship‘ zu einem besseren Planeten. Leider wurde dieser fantastische Filmtrip bis heute nicht verwirklicht. Der kompromißlose Kantner setzte eine ganze Reihe der wichtigsten Leute aus der Szene auf die Darstellerliste – und zur Verwirklichung eines solchen Projekts fehlen Jefferson Airplane heute noch immer die nötigen Geldmittel.

Statt einer Filmproduktion nahmen Paul Kantner und Grace Slick indes eine gemeinsame Solo-LP in Angriff. Zusammen mit David Crosby und Graham Nash, sowie David Freiberg von Quicksilver Messenger Service, Jerry Garcia und Airplane-Bassist Jack Casady entstand ‚Blow Against The Empire‘. Mit ihrem gemeinsamen Dropout aus irdischen Frustrationen hatten Paul Kantner und Grace Slick ihre Starship-Vision akustisch verwirklicht.

Grace Slick, die sich mit Paul Kantner nicht nur musikalisch gut verstand, erwartete Ende 1970 ein Baby von ihm. Aus diesem Grunde wollte sie in diesem Jahr nicht mehr auf die Bühne gehen. Jorma Kaukonen und Jack Casady nutzten die Zeit und gründeten zusammen mit einigen Begleitmusikern die Session-Gruppe ‚Hot Shit‘.

Nach Krach mit der Plattenfirma: Eigenes Airplane-Label ‚Grunt‘

Bei einem der ersten Konzerte von ‚Hot Shit‘ wurde ein Live-Album mitgeschnitten und im Herbst 1970 von Jefferson Airplane’s Plattenfirma RCA veröffentlicht – mit dem abgeänderten Namen ‚Hot Tuna‘. Die Musiker fluchten . ..

Erneuten Ärger gab es, als RCA eine LP mit alten Airplane-Hits herausbringen wollte. Jefferson Airplane nahm sich vor, die Plattenproduktionen und -Veröffentlichungen in Zukunft selbst in die Hand zu nehmen und ein eigenes unabhängiges Platten-Label zu gründen: Grünt.

Im Dezember 1970 brachte Grace eine Tochter zur Welt und nannte sie ‚god‘. Doch ‚Gott‘ wurde später wieder umgetauft – in ‚China‘. In der Zwischenzeit kam es bei Jefferson Airplane auch zu inneren Spannungen — Sänger Marty Baiin und Drummer Spencer Dryden fühlten sich durch die Solo-Exkursionen der anderen ausgeschlossen, und so erschien die erste LP-Veröffentlichung auf dem gruppeneigenen ‚Grunt‘-Label ohne Marty und Spencer. Statt dessen hatte sich Violine-Altmeister Papa John Creach bei den Airplanes eingereiht, und am Schlagzeug saß diesmal Joey Covington, der aushilfsweise auch schon bei ‚Volunteers‘ mitgespielt hatte. Nach der Herausgabe eines zweiten Live-Mitschnitts von Jorma Kaukonen + Jack Casady’s Hot Tuna mit Papa John Creach und Schlagzeuger Sammy Piazza, einer gemeinsamen LP von Papa John Creach mit Jerry Garcia, dem zweiten Kantner/Slick Alleingang ‚Sunfighter‘ sowie der dritten Hot Tuna-LP ‚Burgers‘ erschien Ende 1972 das achte JA-Album ‚Long John Silver‘ — diesmal mit abwechselnder Mitwirkung der drei Schlagzeuger Joey Covington und Sammy Piazza sowie John Barbata, der auch schon mit Crosby, Stills, Nash & Young zusammenspielte. Inzwischen trugen auch Projekte in anderen Medienbereichen das ‚Grunt‘-Etikett. Paul Kantner brachte sein Manuskript ‚Jefferson Starship‘ heraus, und auch die lang gehegten Filmpläne fanden teilweise Verwirklichung.

Jefferson Starship

1973 veröffentlichte Jefterson Airplane den Longplayer ‚Thirty Seconds Over Winterland‘ mit Live-Mitschnitten von Konzerten im Auditorium Theatre in Chicago und ‚Winterland‘ in San Francisco. David Freiberg war als ständiges Mitglied bei Jefferson Airplane eingestiegen, und er verwirklichte auch zusammen mit Paul Kantner und Grace Slick deren drittes LP-Werk außerhalb der Gruppe — ‚Baron Tollboth & The Chrome Nun‘. Neben den JA-Mitgliedern Jorma Kaukonen, Jack Casady, Papa John Creach und John Barbata waren auch wieder David Crosby und Jerry Garcia sowie die Pointers Sisters mit an den Aufnahmen beteiligt, und so formte sich allmählich eine neue Airpiane-Familie.

Auch bei Grace Slick’s 74er Solo-Produktion ‚Manhole‘ waren sie mit Ausnahme von Jerry Garcia, Papa John Creach und den Pointer Sisters wieder alle dabei. Welch ein Unterschied zu den Aufnahmen aus den ersten Tagen von Jefferson Airplane, die Ende 1974 für die LP ‚Early Flight‘ zusammengetragen wurden. Anfang 1975 erschien eine neue Gemeinschaftsproduktion von Paul Kantner, Grace Slick & Co. mit dem Titel ‚Jefferson Starship‘, und zwischen den Studio-Arbeiten an ihrem neuen Album ‚Red Octopus‘, (wieder mit Gründer Marty Baiin) bewies die Airplane-Crew Mitte dieses Jahres bei einem Free Concert einmal mehr ihre ganze Größe. 50.000 strömten zusammen und feierten im New Yorker Central Park das zehnte Jubiläum von Jefferson Airplane.