Jethro Tull


Im Rahmen des seit einigen Jahren laufenden Großversuchs, wann weiße Menschen wohl „too old to rock V roll“ seien, steuerten die ein paar Jahre in der Versenkung verschwundenen Jethro Tüll einige Erkenntnisse bei. Und sie durften auf reichlich Wißbegierige zählen, denn immerhin knapp 5.000 Fans waren gekommen, um dem wohlbekannten Flötenton zu lauschen, der einst mit „Bourree“ und „Locomotive Breath“ die Feten würzte. Man freute sich auf Bekanntes, und vom Moment an, da Rattenfänger Ian Anderson geradezu jugendlich sportiv auf die Bühne stürmte, durften alle gewiß sein: Sie sollten es bekommen.

Mit einer fast schon beängstigenden Rasanz und aufgeräumten (um nicht zu sagen aufgesetzten) Behendigkeit parlierte Ian Anderson zwischen den Songs, so als wollte er seine vier Mitspieler ein wenig aufmuntern, denn speziell sein langjähriger Gitarrist Martin Barre und Bassist Dave Pegg, beide in Ehren ergraut und mit lichtem Haupthaar, standen mitunter leicht verlegen herum und schienen der Chose nicht recht zu trauen. Aber das war völlig unbegründet, denn eine Band, die solche Schlachtrösser wie „Living In The Past“ ins Rennen führen kann, darf sich des Fan-Jubels gewiß sein.

Murren gab es erst, als Keyboarder Don Airey sich zu einem ausufernden, wenig inspirierten Solo auf seinem Instrumentarium anschickte, das bis zum fast vergessen geglaubten Heulen mit dem Gleitregler am Synthesizer so ziemlich keine Sünde der frühen Elektronik-Jahre ausließ.

Dem eiferte Drummer Doane Perry flugs mit einem unterirdisch schlechten Schlagzeug-Solo nach, bei dem selbst das unbeholfene Geklopfe auf den Synthie-Pads nicht die Spinnweben vom Klang-Wust fegen konnte.

Besser wurde es, als Ian Anderson wieder für Ordnung sorgte und mit seiner verzwirbelten Stimme deutlich machte, wer hier eigentlich auf der Bühne stand.

Die Songs des neuen Albums Crest Of A Knave fügten sich nahtlos ins Programm, wobei besonders Andersons glasklare Parts mit der akustischen Gitarre an beste Tull-Zeiten erinnerten. Seine Ausstrahlung, seine physische Präsenz und Autorität waren der Lebensnerv der Bühnenshow, die sich ansonsten nicht auf allzuviel Licht-Effekte oder sonstiges Spektakel stützen konnte, wenn man von einigen biederen Schattenspielen oder plötzlich auftretendem Bodennebel absah.

Netter Gag zum Schluß: Fürs Rock ’n‘ Roll-Finale stürmte die (laut Anderson extra herbeigekarrte “ whole road-crew of Status Quo“ auf die Bühne, so an die zehn Mann, und schwang die Holzgitarren synchron im Rhythmus. Alle im weißen Kittel, mit weißem Hut und Sonnenbrille, immerhin eine Überraschung. Das war denn auch fürs Publikum das Signal zum Abtanzen, das bis zu diesem Zeitpunkt brav auf seinen Stühlen ausgeharrt hatte.

Auf jeden Fall hat Ian Anderson es noch einmal geschafft, eine Idee vom alten Jethro-Tull-Zauber zu entfachen. Ein Punktsieg, gewiß, aber, mal im Ernst, wer wollte mehr erwarten? Er kann noch ein paar der alten Tricks, neue bringen jetzt andere, und sexy war er eh nie.