Joe Cocker: Berlin, Waldbühne


Man muss schon ein Herz aus Stein haben, um nach einem solchem Konzert den nörgelnden Kritikaster zu geben. Ein lauer Sommerabend in der bis auf den letzten Platz gefüllten Waldbühne, ein geschmackvolles Bühnenbild, dezente Lichtspiele und nicht zuletzt der geradezu wohnzimmertaugliche P.A.-Sound – perfekte Rahmenbedingungen für eines der Auftaktkonzerte der diesjährigen Cocker-Tour. Bezeichnend, daß die Arena schon nach wenigen Songs einem Meer von brennenden Feuerzeugen gleicht; bezeichnend auch, daß dies auch bei der aktuellen Single, „N’oubliez Jamais“, einer mit melancholischen Akkordeonsprengseln verzierten Ballade, der Fall ist. Keine Frage: Hier stehen Fans, die ihren guten alten Joe lieben und feiern wollen. Und der, obwohl nicht eben ein Freund langatmiger Zwischenansagen, zeigt sich ebenso gutgelaunt wie bei Stimme und kerngesund. Die sechsköpfige Begleitband plus zwei Backgroundsängerinnen spult glatt und routiniert das Greatest Hits-Programm ab. Die Highlights des neuen Albums „Across From Midnight“ passen nahtlos ins erprobte Cocker-Repertoire. Nur gelegentlich gönnt sich Multiinstrumentalist Steve Grove dynamische Soloausflüge, die auch prompt mit Beifall auf offener Szene quittiert werden. Auffällig schwach hingegen die Reaktion der 22.000 auf die solistischen Ausflüge von Gitarrist Gene Black – seinen Einwürfen mangelt es schlicht an Herz. Geschickt plazierte Evergreens wie „The Letter“, „You Can Leave Your Hat On“, „Delta Lady“ und „You Are So Beautiful“, das Joe mit rührender Geste der zwei Tage zuvor verschiedenen Lady Diana widmet, halten die Menge souverän bei der Stange. Alle wissen zudem, daß der ewig gleiche Höhepunkt mit dem grandiosen Finale naht: „With A Little Help From My Friends“, Cockers Trademark-Song inklusive Urschrei. Ein Monster von einem Lied. Die Waldbühne bebt. Nach kurzer Pause gibt’s noch drei Zugaben zum Abkühlen. Fazit: solide und verläßlich. Überraschungen bleiben Fehlanzeige. Aber wer will schon Überraschungen, wenn er sich zum siebten Mal seinen Lieblingsfilm reinzieht?