Joe Strummer & The Mescaleros – Streetcore


Am 26. Dezember 2002 empfing Newcastle United in einem Ligaspiel mit 52.000 Zuschauern den Liverpool FC. Beim Anstoß gab es eine Schweigeminute für Joe Strummer, der vier Tage vorher völlig überraschend gestorben war. England zog den Hut vor einer Legende. Strummer steckte mitten in den Aufnahmen zu einem neuen Album, bevor er aus seinem Leben gerissen wurde. Er hat die final mixes der Stücke nie gehört, sie wurden erst nach seinem Tod fertig gestellt. Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Album ist das beste, das er seit den Tagen mit The Clash eingespielt hat. Es ist keine Rock- oder Reggae-Scheibe, es ist einfach nur eine typische Joe-Strummer-Platte, und er ist dabei in Bestform. Frei von jeder Zeitgeist-Panik und ohne sich bei neuen Musikrichtungen anzubiedern, zieht er seinen Stiefel durch. Dabei umspannt er eine große stilistische Bandbreite und wird von seiner Band, den Mescaleros, hervorragend unterstützt. Die Palette reicht von sparsamen Liedern mit der Akustik-Gitarre bis hin zu richtig krachigen Nummern und erfreut die Ohren. So, dass sie fast anfangen zu leuchten. „Coma Girl“, „Get Down Moses“, „Arms Aloft In Aberdeen“ – das sind alles Stücke, die nicht nur an die Glanztage von The Clash erinnern, sondern locker an sie heranreichen. „The Long Shadow“ und die Version vom „Redemption Song“ bestechen durch ihre Intimität. „Ramshackle Day Parade“ wäre auf dem sanoi-NisTRA-Album eines der besseren Lieder gewesen, und „Midnight Jam enthält lauter Anspielungen auf frühere Tage. Bei aller Melancholie strahlt dieses Album viel Kraft aus. Strummer wirkt, als hätte er nach einer längeren Phase der Unsicherheit endlich einen Platz gefunden zwischen seiner Position als ehemaliger Held einer Jugendbewegung und der Herausforderung, auch für das Hier und Jetzt noch relevante Lieder zu schreiben. Mit jedem Hören wird die Scheibe besser. Was für ein wunderschönes Abschiedsgeschenk an seine Fans! Strummer hat mit seiner Musik eine ganze Generation beeinflusst. Es ist ihm gelungen, über all die Jahre integer zu bleiben, dabei hat er es noch nicht mal drauf angelegt. Seine Gelassenheit und Coolness machten ihn frei von jeder Peinlichkeit, frei vom schlechten Geschmack der Nostalgie. Den besten Nachruf schrieb Joe Strummer mit dieser Platte selbst.