Jukebox Heroes


Was tun, wenn der langersehnte Chartbreaker ausbleibt? Wenn trotz Hirn-Gymnastik der Hit nicht flut- schen will? Keine Panik: 40 Jahre Popmusik sind ein reich gedeckter Tisch. Und ein erfolgreicher Cover-Song ist immer noch besser als der hausgemachte Flop.

Recycling lohnt sich — die erfolgreichsten Cover-Songs

Vor allem deutschsprachige Versionen anglo-amerikanischer Hits waren hierzulande stets Garanten für allerhöchste Chartplazierungen. Doch nicht nur teutonische Schlagerschmuser oder drittklassige Amateurcombos segelten erfolgreich im Windschatten vorgegebener Hits — auch arrivierte Stars zeigten beim Ausschlachten oft erstaunlich wenig Skrupel. Kreativen Leerlauf zu unterstellen wäre ungerecht, denn so manche Cover-Version ist schlichtweg besser als das Original: Wer — außer Robert Zimmermann — denkt bei „All Along The Watchtower“ etwa noch an Bob Dylan?

Nicht mal das neunmalkluge „Guiness-Buch der Rekorde“ kann eindeutig belegen, welcher Song Plagiatoren-Herzen am höchsten schlagen läßt; frühere Ausgaben des Standardwerkes benennen allerdings „Yesterday“ von den Beatles. Die folgende Auswahl hat folglich keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

YESTERDAY (Lennon/McCartney) 1965

Die Beatles nannten ihr geigenumschwebtes Alltagsdrama wenig schmeichelhaft „Rührei“ — nicht ahnend, daß „Yesterday“ zum meistkopierten Stück der Geschichte avancieren sollte: Angeblich existieren über 2500 Versionen. Daß jeder Altenheimbewohner von Liverpool bis Lüdenscheid Paulchens Melodie mitsummen kann, liegt in erster Linie natürlich an den Fab Four, doch die Wegelagerer machten sich früh ans Werk: Zwar konnten die Beatles mit „Yesterday“ ihren elften Nr. 1-Hit in den USA verbuchen; das Versäumnis, auch England mit der Single zu beliefern, bedeutete für Matt Monro die Chance seines Lebens: Noch 1965 war der Schnulzier erfolgreich. Die Cover-erprobte Marianne Faithful („As Tears Go By“) roch ebenfalls Lunte, Brother Ray Charles brachte dem Rührei gar den Blues — und hunderte von Kur-Orchestern den gerührten Muttis das lenorweiche Instrumental. Eine deutsche Version — „Gesterntag, als der Trubel noch so ferne lag …“ blieb uns erspart.

SATISFACTION (Jagger/Richard) 1965

Wie man mit zwei Akkorden die Welt verändert, demonstrierten 1965 die Rolling Stones. Die Erleuchtung überkam Keith Richard in einem Hotelzimmer. „Ich hafte nie gedacht, daß ‚Sotisfaction‘ kommerziell genug sein könnte, um als Single zu erscheinen“, sinnierte der Ahnungslose später. Otis Redding dachte anders: 1966 verpaßte er dem gewinnbringenden Riff einen Soul-Background; der Einzug in die US-Charts folgte umgehend. Den Chart-Notierungen von Jaggers Mannen konnte jedoch weder Reddings Version noch die ein Jahr später aufgenommene Variante Aretha Franklins das Wasser reichen. Die umtriebigen Amerikaner Devo retteten den Song zwar in die Siebziger, ein Erfolg blieb allerdings ebenso aus wie bei Patrick Gammons Versuch, Anfang der Achtziger eine funky Version unters Volk zu schleusen. Erst die Schokoriegel-Werbung der Gegenwart („Snikkers“) vermittelt neue Werte: Die wahre „Satisfaction“ ist für eine Mark an jedem Kiosk zu erwerben.

WHEN A MAN LOVES A WOMAN (Lewis/Wright) 1966

Als Thema mit Variationen erweisen sich auch die Bekenntnisse verliebter Jungs: „When A Man Loves A Woman“ war für Percy Sledge im Frühsommer 1966 das Nr. 1-Debüt in den USA: ,lch habe nicht groß darüber nachgedacht … es war einfach so verdammt traurig. „

Bald darauf zeigte sich, daß auch andere traurige Männer ihre Frauen lieben: Noch im gleichen Jahr röhrte Steve Winwood bei der Spencer Davis Group die eindringlichen Zeilen. Art Garfunkel, Jimmy Barnes und Michael Bolton gaben ihren Senf dazu. Den alten Haudegen Jerry Lee Lewis und James Brown erschien das rührige Geständnis offensichtlich als ideales Vehikel für erneute Temperamentsausbrüche, doch auch die holde Weiblichkeit nahm sich dem Klagelied mit Inbrunst an: Esther Phillips schob den Blues bis in die Charts, Bette Midier schob hinterher.

OH PRETTY WOMAN (Orbison/Oees) 1964

Während Richard Gere zwecks Einkleidung von Frau Roberts die Dollars sausen läßt, tönt im Hintergrund „Oh Pretty Woman“. Nicht nur der gleichnamige Film ließ seinerzeit die Kassen klingeln — der Rubel rollte auch für Roy Orbison, als er 1964 mit besagtem Stück die Charts zum Beben brachte. Der Legende zufolge wurde „Big O“ von der Kauflust seiner Angetrauten Claudette getrieben, als er den dollarschweren Song zu Papier brachte. Tenor: „A pretty woman never needs money.“ Da Dollars so schön riechen, folgten Musikanten der „hübschen Frau“ wie die Trüffelschweine: John Meilencamp, Del Shannon, Albert King und Van Haien hatten auch eigene Einnahmequellen. Selbiges gilt für John Mayall, AI Green, Steve Cropper und die (unter dem Pseudonym The Purple Heimets arbeitenden) Stranglers.

HOUSE OF THE RISING SUN (Traditional)

Gitarristen wissen Bescheid: Wer lernen will, wie man sechs Saiten in Zweitversionen im Zwölferpack: Von bekonnten Cover-Songs wurden gleich ganze Alben zusammengestellt — so vom Pop-Klassiker „Loule, Louie“, zuletzt auch von Suzanne Vegas Song „Tom’s Diner*.

der richtigen Reihenfolge zupft, kommt an dieser Nummer nur schwer vorbei. Der Klassiker für die wohltemperierte Wanderklampfe beeindruckte anno 1 964 auch fünf musizierende Arbeitersöhne aus Newcastle, die sich The Animals nannten. Die Textvorlage war allerbeste Vorkriegsware und stammte von den Sängern Josh White und Libby Holman. Burdon & Co. stürmten die Charts und regten zahllose Musiker zur Nachahmung an: Ähnlich erfolgreich war allerdings nur eine holländische Kapelle namens Frijid Pink, die dem schlichten Folksong 1970 ein zeitgeistlerisches LSD-Outfit verpaßte. Auch Häuslebauer ganz anderen Kalibers versuchten sich an der volkstümlichen Bordell-Story:

Bob Dylan, Jimi Hendrix, Nina Simone, Joan Baez, Marianne Faithful oder Country-Schnepfe Dolly Parton war kein Glück beschieden. Ebensowenig den Sundowners, Buster Poindexter und unzähligen anderen.

JOHNNY B. GOODE (Chuck Berry) 1958

Als Grundfeste des Rock V Roll ist Chuck Berry in die Annalen der Popgeschichte eingegangen, neben „Sweet Little Sixteen“ begründet vor allem ein weiterer ’58er Hit den Ruhm des Meisters: „Johnny B. Goode“ hatte das Potential für ein halbes Dutzend Chartplazierungen. Den Anfang machte Dion im Jahre 1964, Johnny Winter (’79), Jimi Hendrix (’72), Peter Tosh (’83) und Judas Priest (’88) folgten. Der singende Cowboy Bück Owen konnte seinen Johnny 1969 sogar in den amerikanischen Country-Charts etablieren. Rock-Standard durch und durch, liest sich die Liste der offensichtlichen „JBG“-Fans fast wie ein Lexikon der Popgeschichte :

Elvis Presley, Bill Haley, Jerry Lee Lewis, Elton John, Beach Boys, Mahogany Rush, Sex Pistols und Grateful Dead …

PETER GUNN (Mancini) 1958 Was haben The Art Of Noise, Jimi Hendrix und Deodato gemein? Peter Gunn! Komponist Henry Mancini (Glenn Millers Ex-Arrangeur) schrieb die Melodie 1958 ursprünglich für eine TV-Krimiserie, doch schon ein Jahr später begann Peterchens unwiderstehliche Chart-Fahrt: Ray Anthony verhalf dem Stück zu güldnem Ruhm, Duane Eddy ließ seinerseits 1960 nichts anbrennen. Emerson, Lake & Palmer, Roy Buchanan, King Curtis, The Bluesbrothers sowie Sly & Robbie hielten die Stange, doch erst 1986 gereichte es Peter Gunn wieder zu Hitparaden-Ehren: Art Of Noise gruben Duane Eddie samt 60er-Hit kurzerhand aus.