Kein Ort für Partytime


Erst auf Reise, jetzt auf Platte: Hans Nieswandt über seine Erlebnisse im Nahen Osten.

„Ich komm’halt leicht ins Erzählen „, sagt Hans Nieswandt, als wollte er sich entschuldigen. Muss er gar nicht; schließlich gehört er zu jenen eher seltenen DJs, die gern und oft über den eigenen Plattentellerrand gucken. Als Teil von Whirlpool Production war er kurze Zeit ein Hitparadenstar, als Journalist schrieb und schreibt er u.a. für Spex und die taz, als Autor arbeitet er gerade an seinem zweiten Buch, und als Gesandter des Goethe-Instituts bereist er mit Vorträgen und einer Auswahl aus seiner exquisiten Plattensammlung den Planeten.

Jüngst verschlug es ihn auf einer solchen Mission ins chronische Krisengebiet zwischen Israel, Palästina und Jordanien. „Ich habe mir hier in Köln eine 80 Kilo schwere D)-Konsole geliehen. Die wurde auf einen Jeep geschnallt mit Fahne und Diplomatenabzeichen. Ich kam mirvorwieein Clown, wir hatten Narrenfreiheit. Ich war bestimmt der erste, der mit einer DJ-Konsole in den Gaza-Streifen rübergemachthat. „Wie einst Ödipus vor der Sphinx von Theben stand Hans an einem Checkpoint vor einem jugendlichen Wachsoldaten: „LegstDu auch Trance auf?“ fragte der, das Maschinengewehr im Anschlag. Denn Techno, Goa und Trance sind zur Zeit DIE Musik in Israel. „Ja, sicher“, log Nieswandt und verschwieg, dass eigentlich House jeglicher Couleur sein Spezialgebiet ist. Als der Soldat ihn durchwinkte, wusste er: Die Antwort war richtig. Der als „DJ-Konzert“ annoncierte Auftritt im Gaza-Streifen platzte dennoch: „Es hatte wieder Gefechte gegeben. „Joschka Fischer persönlich – ein Bekannter von Nieswandts Begleiter, einem Lektor vom KiWi-Verlag-riet per Handy ab. So kamen nur Ramallah 0ordanien) und Bethlehem (Palästina) in den Genuss Nieswandtschen Virtuosentums. Wie ein Stargeiger präsentierte der DJ seine Kunst vor bestuhlten Reihen in züchtigem Ambiente und moderierte sich selbst an: „MeineDamen undHerren, dies istmoderne elektronische Musik aus Köln. In Deutschland tanzt man dazu auch?.“Den Palästinensern freilich ist solche Leichtigkeit des Seins gegenwärtig fremd: „Das sind normale Leute, die wollen, dass allesgut wird, die wollen vorwärtskommen, studieren, konsumieren. Da ist jetzt nicht Partytime.“

Das Foto vom „True Sound Center“, das dem neuen Album den Titel gab (und sein Cover ziert), entstand in Ramallah. Der Anblick der jämmerlichen Musikalienhandlung mit dem verheißungsvollen Namen und dem zerschossenen D hatte Nieswandt beeindruckt: „Das ist behauptete Größe im Elend.“ Ein Widerspruch in sich, den man auch zwischen Inhalt und Verpackung von Hans Nieswandts Musik, zwischen der implizierten Gewalt auf dem Coverbild und den bisweilen fast naiv heiter-melancholischen Popsongs erkennen könnte. Nieswandt will darin jedoch keine Diskrepanz erkennen, sondern sieht vielmehr House in der Tradition des Disco: ,Als Ausdruck der Sehnsucht nach einem besseren Ort, einer besseren Welt. Ich finde nicht, dass Disco politisiert werden müsste. Die Musik existiert ja nicht in einer Blase, sondern als Teil dieser Welt. ‚