Kid Rock


Wenn dereinst die Geschichte des Rock´n´Roll in Stein gemeisselt wird, dann soll da nicht stehen, daß Kid Rock aus Detroit Rock City nur ein Vertreter der üblichen Dreieinigkeit aus Sex, Drogen und Rockmusik gewesen sei. Deshalb beginnt der Abend mit einem Stück völkerverbindender Kultur- und Sprachvermittlung: Ein Dozent erklärt im Intro die semantische und syntaktische Vielfalt des Wörtchens „fuck“, das – wie er eigens für das ortsansässige Publikum betont – nicht allein mit dem deutschen „ficken“ zu übersetzen sei. Man lernt: Am Ende kommt auch die Bildung zurück auf Sex, Drogen und Rockmusik. Höchste Zeit für Kid Rock, sich als deren derzeit agilster Vertreter zu präsentieren. Wie ein echter Star – der er nach über drei Millionen verkaufter Einheiten von „Devil Without A Cause“ in den USA tatsächlich ist -, schickt Rock seine Twisted Brown Trucker Band zunächst allein raus: Zwei metallene Gitarristen, die an die Zeit erinnern, als Heavyrock zwischen Grunge und Crossover auf’s Abstellgleis geriet. Drummerin Stephanie Eulinberg stammt vom Körperbau her wie stilistisch aus der John-Bonham-Schule, Keyboarder Jimmie Bones gibt das Technik-Kid, während DJ Kracker die Meute aufwärmt für den Chef: „My name is Kiiiiiiiiiiiiiiiiid!“, brüllt dieser das Absprungkommando für einen 6o-minütigen Flug durch Höhen und Tiefen des puren Entertainments. Mit einem hochgepitchten Mix aus Bratzgitarren und Highspeed-Raps, Funk-Grooves und rasanten Scratchings aktualisiert Kid Rock einen Sound, der schon nach der ersten Generation der Urban Dance Squads, Mordreds oder Dog Eat Dogs dieser Welt ausgereizt schien. Doch bei Kid gehen die Kids ab, als habe er die Musik neu erfunden. Dabei hat er nur Geschwindigkeit und Inhalt seiner Rhymes auf den Stand der Dinge gebracht: Da die Teenies von heute schon Marilyn Mansons vor Apotheken haben kotzen sehen und ihre Reiz- wie Erwartungsschwelle dementsprechend hoch ansiedeln, treibt Kid Rock die slicken Sex-Witzchen in Extrembereiche und bläht sein Ego auf Superhero-Comic-Format. Das bleibt so lange im Rahmen, wie der Schuster beim Leisten, sprich: Rock beim Rappen bleibt. Als er aber zum Show-Finale meint, an allen Instrumenten sein Können demonstrieren zu müssen, überdehnt er den Spielraum zwischen Entertainment und Ego-Trip. Kid Rock ist ein großartiger Dompteur inmitten der Freakshow seiner Twisted Brown Trucker Band. Aber er ist auch ein verdammt mieser Musiker.