Kölsch für Fortgeschrittene


Als hätten BAP noch nicht gereicht! Mit Brings will uns eine zweite Gruppe zwingen, Kölsch zum Kulturgut zu machen

Um’s vorweg zu sagen: Mit dem Kölschrock-Flaggschiff BAP haben die Jungs herzlich wenig zu tun. Wer sich also das Album „Zwei Zoote Minsche“ allein aus dem Grund zuzulegen gedenkt, weil BAPs „Major“ Klaus Heuser die Scheibe produziert hat, der ist vermutlich auf dem falschen Dampfer. DeT Chef der Plattenfirma soll beim Hören des Demobandes gejubelt haben: Endlich eine deutsche Kapelle, die erstmal gute Rockmusik macht und nicht gleich vom Regenwald predigt!

Zum Gespräch erschienen Frontmann Peter Brings (Gesang, Gitarre) und Bruder Stephan (Gesang, Baß). (Achtung, Mädels: die sind wirklich so hübsch, wie sie auf dem Coverfoto aussehen!) In enger Kooperation — wie sie für Brüder ja nicht unbedingt selbstverständlich ist — entstehen Texte und Musik. Der Titelsong etwa, sagen beide übereinstimmend, sei Wort für Wort abwechselnd geschrieben worden. Mit einer Souveränität, die für Menschen dieses Alters (alle Bandmitglieder zählen um die 25/26 Jahre) gleichfalls nicht selbstverständlich ist, meint Peter: „Eine Distanzierung von der bekannten Band mit den drei großen Buchstaben haben wir nicht nötig. Die haben uns in gewisser Weise unsere Existenz erleichtert, indem sie einen Pfad in den Dschungel geschlagen haben, dem wir ein Stück weit folgen.“

Daß es dazu überhaupt kam, verdankt sich, wie so oft, eher einem Zufall. Immerhin machen die beiden zusammen mit Leadgitarrist Harry Alfter bereits seit sechs Jahren Musik — allerdings stets mit englischen Texten. Drummer Matthias Gottschalk ist seit drei Jahren dabei. Vor etwa zwei Jahren war die Truppe für mehrere Monate als Begleitband für eine Polit-Revue engagiert, die Rolli Brings, der Vater der beiden, im Köln-Ehrenfelder Urania-Theater veranstaltete. Des ewigen Nach- und Mitspielens müde, setzte Bandleader Peter sich hin und schrieb „Katharina“. Das kam so gut an, daß man ganz auf Kölsch umschwenkte. „Seitdem verstanden wir uns auch musikalisch innerhalb der Gruppe noch besser. Die wußten jetzt, was ich da sang, und konnten angemessener mitspielen. Es wurde nicht mehr nur reingehämmert, und wir unterhielten uns plötzlich auch über die Texte. Wir hatten auf einmal unsere Sprache gefunden.“

Was die Verständlichkeit ihrer Texte für Fans außerhalb des Rheinlands angeht, kennen die beiden kein Pardon. „Bei irgendwelchen englischen Truppen setzen sich die interessierten Leute ja auch hin, Finger im Wörterbuch, und versuchen zu kapieren, was gesungen wird. Warum soll das bei einer Mundarttruppe anders sein? Ein Textblau ist ja dabei.“

Die Texte drehen sich um die Liebe, Alltagssituationen, Erlebnisse; immer werden Geschichten erzählt, die gleichzeitig unverkennbar authentisch und frisch sind. Peter: „Ich wollte Sachen beschreiben, die mich, uns, Leute aus unserer Generation interessieren. Nicht irgendwas Abgedroschenes, was mit uns nichts zu tun hat. Wir machen Musik nach dem Mono: Die Möhre im Hintern der deutschen Musiker muß raus!“

Für beide Brüder ist Musik der Rhythmus ihres Lebens – und das nicht nur wegen des liedermachenden Vaters. Stephan hat eine Lehre als Chemiefacharbeiter bei Bayer Leverkusen gemacht. Dazu sagt er heute: “ Manchmal muß man erst etwas tun, um zu wissen, was man nicht machen will. “ Peters Vita dagegen ist fast wie ausgedacht für einen Rockmusiker. „Ich habe nur mit Ach und Krach Hauptschulabschluß geschafft, und den kannst du ja in der Pfeife rauchen. Ich bin früher, in den untersten Klassen, fast nie zur Schule gegangen, weil mich das nicht interessiert hat. Ich bin dann von zuhause abgehauen und mit Zigeunern rumgezogen.“

Im Gegensatz zu Bruder Stephan, der gelegentlich sogar mit einem Heinrich Heine-Zitat aushilft („Zwei Zoote Minsche“), gibt sich Peter illiterat wie ein Dackel. „Das einzige Buch, was ich je gelesen habe, ist ,Chucks Zimmer‘ von Wondratschek. Das hat mir mein Vater vorzehn Jahren malgegeben und gesagt, das könnte was für mich sein. „

Ihr Zivildienst war im übrigen für beide Brüder eine entscheidende Erfahrung. „Wr haben alte Leute zuhause versorgt. Wenn du das gesehen hast, dann weißt du: So will ich nicht alt werden! Der Opa steht hinterm verschmierten Fenster, kuckt auf die Straße, von unten kommt die Musik der Kebab-Bude. Er will runter, ins Leben, ist aber zu alt.“

Brings stehen am Anfang. Die Zeit, als sie in Sälen mit 15 Leuten gespielt haben, ist noch nicht lange vorbei. Und dennoch sind sie in diesem Sommer, auf einer Festivaltour, schon mtt einigen der Größten ihres Metiers aufgetreten. Mit Herman Brood und den Simple Minds, mit Steve Harley, Ten Years After, Gianna Nannini und mit Bryan Adams, ihrem Vorbild.

Peter auf die Frage, warum er verheiratet ist, obwohl er keine Kinder hat: „Weil ich meine Frau liebe.“ So unverblümt wie diese Antwort ist auch die Musik der fünf jungen Kölner: Man glaubt sie ihnen einfach.