König ohne Reich


Was vorbei ist, ist vorbei. Doch auch ohne Freddie und die Queen fühlt sich Brian May wie ein kleiner König.

„Ich hab’s irgendwie … weggesperrt“, sagt er und starrt auf den Teppichboden seines Hotelzimmers. „Es tut immer noch weh, aber ich kann damit umgehen. „

Die Rede ist von Freddie Mercurys Tod — nur daß der frühere Queen-Gitarrist dieses Wort strikt vermeidet:

Freddie ist „fortgegangen“ und, nach „vielen Problemen“, jetzt „nicht mehr unter uns“.

„Es ist merkwürdig“, murmelt May und spielt verlegen mit seinen Locken, „als wir gestern in München eintrafen, kamen mir fast die Tränen. Wir haben so viel Zeit hier verbracht. Im Musicland. Im Sugar Shack. Im Arabella und hier im Hilton …In manchen Situationen kommt die Trauer wieder hoch. Aber’ich bin sehr stolz auf ihn, weißt du. Was fiir ein Talent!“

Es gab Zeiten, da wurden Queen wegen ihrer tuntenhaften Theatralik von der Presse als auch von vielen Kollegen mit Skepsis behandelt, doch durch Freddies „Abschied“ scheinen sich viele Vorbehalte verflüchtigt zu haben. Mercurys freimütig kundgetane Meinung, bei Queen-Songs handele es sich um „Einwegmaterial“, ist nach seinem Tod weniger aktuell denn je: Alte Queen-Alben klettern zum zweiten Mal an die Spitze der Charts empor, und beim Gedenkkonzert in Wembley standen Pop-VIPs Schlange, um einen dieser „Einwegsongs“ zum besten zu geben.

„Oh, ich denke, Fred hätte das ganze Spektakel gefallen, auch wenn er sich einen bissigen Kommentar nicht verkniffen hätte. Er liaßte Interviews, war andererseits aber ein Meister, was diese zynischen Einzeiler betrifft. „

Mittlerweile hat Queens „Wegwerfmusik“ schon Klassikerstatus, doch nun wird selbst das, was bei Mercury tatsächlich in den Papierkorb wanderte, unter dem Aspekt einer möglichen Veröffentlichung wieder ausgegraben. May ist sich nicht sicher, ob das Archiv genug für ein ganzes Queen-Album hergibt, aber “ wir haben mindestens drei vollständige Songs und ein paar weitere, die so gut wie fertig sind. “ Außerdem gibt es diverse Bänder von Mercurys Münchner Solo-Sessions, die zu einer Zeit stattfanden, da Freddies Schreibleistung bei mindestens einem Song pro Tag lag. „Bis jetzt fühlte sich noch keiner imstande, das Material zu sichten“, gesteht Brian. „aber wir werden bald damit anfangen.“

Trotz aller stolzen Rückblicke auf die Vergangenheit genießt es May inzwischen, sein eigener Herr zu sein. „Back To The Light“, sein erstes Solo-Album, ist nach fünf Jahren Arbeit im Kasten, und Brian brennt darauf, auf Tour zu gehen — vermutlich in Trio-Besetzung mit Cozy Powell am Schlagzeug. „Ich kann’s gar nicht abwarten. Allmählich wird mir klar, daß ein Teil von mir schon seit langem frei sein wollte. Es gefällt mir, hier sitzen und sagen zu können, was ich denke, ohne mir Sorgen machen zu müssen, was die anderen davon halten.“

Er gesteht offen, daß es in der Band „immer Auseinandersetzungen gegeben hat“ — Zoff darüber, wer die musikalische Richtung vorgab: die eigene Vorliebe für „dreckige, erdige Sounds aus Rock & Blues“ oder Mercurys Rokoko-Extravaganzen.

„Ichfihlte mich unwohl, als wirzeitweilig ins Tuntenlager abdrifteten.“

Dessen ungeachtet sind pompöse Vokalharmonien ä la „Bohemian Rhapsody“ auch auf dem Solo-Album vertreten. May meint, es sei unmöglich, sich diesem Einfluß zu entziehen: „Ich war nicht sicher, ob ich solche Markenzeichen — bestimmte Gitarren-Sounds und, na ja, eben diese Harmonien — weiterverwenden sollte, aber fiir vieles davon war ich schließlich selbst verantwortlich.“ Laut May sind es „Betrachlungen über das Leben und den Tod“, die sich als roter Faden durch das Album ziehen. „Ich denke, daß man das Leben nur verstehen kann, wenn man den Tod versteht“, sinniert er, mit einer Spur unfreiwilliger „Spinal-Tap“-Komik. Anscheinend geht es nur in einem Song „Nothing But Blue“ — direkt um Mercurv:

„Den habe ich geschrieben, als ich erfuhr, daß Fred in echten Schwierigkeiten steckte. Alle denken, daß ,Too Much Love Will Kill You‘ von Freddie handelt, aber tatsächlich ist das Stück fiinf Jahre alt und dreht sich um das Ende einer Beziehung. Persönliche Beziehungen, wie wir miteinander umgehen — ich denke, das ist mein Thema. Vielleicht deshalb, weil ich darin privat gar nicht so gut bin. „