Kurz & klein


von Christoph Lindemann Eines Tags, als ich erwacht, fand ich mich in einem Schacht. Um mich rum lag nur Musik, ich wusste nicht, wie mir geschieht. „Holt mich da raus „, hab ich gerufen, doch der Plattenmeister, der aß Kuchen. Seine Arbeit war getan, denn ich war sein Untertan. „Hördudas Zeug, das ich nicht macht „, das rief herab der Albert Koch. Drum safi ich da, im Schein von Kerzen, und lauschte artig unter Schmerzen, was man mir auftrug -..dos besprech!“-, damit ihr wisst, für was ihr blecht:

.Ein dunkles Reich hat uns umstellt und nichts braucht so viel Schutz wie du, in der Dunkelheit der Welt „.singen Söhne Mannheims auf zion (Universal). Sosehr ich mir hier unten Trost gewünscht hätte – das Gewinsel von Xavier Naidoo macht es nur noch schlimmer. Obwohl der gute Wille unverkennbar ist, macht der Bub fast alles falsch, was man als Künstler falsch machen kann: Er presst, wirft sich in dramatische und prätentiöse Posen, und würgt Note für Note halbverdaute eigene Gefühle herauf, um im Studio „intensiv“ zu sein. Gekrönt wird dieser Schlager-Wahnsinn von einem a cappella gesungenen „Vater Unser“, bei dem sich der Autor, hätte er nicht den Stein weggerollt, im Grabe umdrehen würde. Ein Seelenverwandter von Naidoo dürfte inzwischen Smokey Robinson sein, der mit Eifer daran arbeitet, seinen auf die Motown-Tage begründeten Fast-Legenden-Status zu ruinieren, indem er sich ebenfalls erdreistet, auf food for the spirit ICNR), begleitet von zirrenden und flirrenden Fernsehprediger-Keyboards, aufdringlich den Herrn zu preisen. Wie erholsam ist es da, dass Hiromi einfach das tut, was sie am besten kann: Die junge japanische Pianistin, die am Berklee College Of Music in Boston studiert hat, spielt auf ihrem zweiten Album brain (Telarc/In-Akustik) anspruchsvolle und energetische Jazz-Fusion, als wolle sie mit 13 Jahren Verspätung noch bei Chick Corea’s Elektric Band anheuern. Tolles, irres Geklimper ist das, besonders schön aber vor allem in den ruhigen Momenten, in denen der Jazz-Meister Anthony Jackson die Bassparts übernimmt. Bass spielt auch Mike Fetlows – früher bei Stephen Malkmus und Bonnie“.Prince“ Billy -, der nun mit umited storyune guest IVertical Form/Indigo) ein Soloalbum veröffentlicht, auf dem er mit rauchiger Stimme düster singt, während er von munter gezupften Folk-Gitarren und „sperrigen“ Computer-Beats begleitet wird. Das ist natürlich – auch wenn er sich das auf gar keinen Fall nachsagen lassen will – langweiliger als jedes Album von Mark Lanegan (und auch da sind schon ein paar recht maul, weshalb es nur eine Frage der Zeit ist, bis dieses Debüt klebrige Spinnweben ansetzen wird.

Als regelrecht peinvoll erweist sich the next big thing llnside Out/SPV), das neue „Werk“ von Stiltskin- und Genesis-Sänger Ray Wilson. Das zweite Soloalbum des schottischen Classic-Rock-Tors beginnt mit dem Ausschnitt einer Rede von George W. Bush und wird auch danach nicht viel intelligenter. Track 2 – die schlimm „modernisierte“, hoffnungslos überproduzierte Neuauflage des einst halbwegs erträglichen Stiltskin-Hits“.Inside“ – macht die Platte bereits zur Folter, weshalb wir uns und all dem Ungeziefer den Rest ersparen wollen. Kristin Hersh von den Throwing Muses ist ohne ihre Bandkollegen eine AU.Rock-Singer/Songwriterin, deren Soloalben mit verlässlicher Konstanz belangloser sind, als ich mir das aus grundloser Sympathie für die Frau wünschen würde. 50 Foot Wave ist ihre neue Band, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, alle neun Monate eine EP zu gebären. Los gehts mit 50 foot wave (4A0/Beggars/lndigol, einer 6-Song-Kollektion mit wütendem Indierock, die okay, aber doch leider belangloser ist, als ich mir das aus grundloser… usw. usw. Nach einem fülligen Glas Rotwein (Hallo? Soll ich hier unten eigentlich verdursten?) klingt Divina lluz IRough Trade), das neue und recht erbauliche Album des spanischen Duos Mus. In einem Studio in einer Region Nordspaniens, in der es immer regnet, wurden die schlichten und traurigen Songs, die mit Piano, Gitarre, Bass und ein bisschen Schlagwerk unaufdringlich instrumentiert sind, von Fran Gayo und Monica Vacas, die so herrlich verschlafen klingt, dass einem selbst die Lider schwer werden, aufgenommen. Was uns zu den schweren Liedern bringt, die Kay Voges und Markus Maria Jansen für das Musical iron john (rent a dog/Aüve] komponiert haben, damit diese bei Aufführungen am Staatstheater Darmstadt dem Publikum vorgespielt werden können. Ohne Publikum und ohne das Staatstheater Darmstadt klingen die schweren Lieder aber arg verloren und erregen mit ihrer durchschaubaren Trompete- und Akkordion-Melancholie den Verdacht, dass Voges zu viel Waits und Jansen zu viel Regener gehört haben, als sie den Auftrag bekamen, Grimms „Eisenhans“ zu vertonen. „Ob man es glaubt oder nicht: Es gibt eine schweizerische Americana“, steht auf dem Zettel, derShilfs neuer Platte out for food (ulfTone/Edel Contraire) beigelegt ist. Man glaubt es eh, denn man kennt ja Reto Burrell, und Shilf ist noch einen Tick besser. Produzent Chris Eckman von den Walkabouts hat alles richtig gemacht und Nadia Leontis Stimme in den Mittelpunkt dieser Indie-Folk-und Alt.Country-Platte gestellt, die ich mit nach oben nehmen werde, wenn mir der Koch ein Seil herunterlässt. Da wir zwar Lockjaw aus Solingen ignorieren können, die alles versuchen, um den uninspirierten Schülerband-Lärm auf ihrem Album arrive & Escape (Consolidate/Rough Trade) nach einer Ross-Robinson-Produktion klingen zu lassen, wir aber nicht umhin können, ein paar Worte über Ringo Starr Ifeat. Sheila E., John Waite, Colin Hay und andere) und seine Platte live 2003 (CNR) zu verlieren – sie entspricht den Erwartungen: katastrophal. Die „All Stars“ empfehlen sich mit „Hits“ wie „Yellow Submarine“, „Down Under“ und „Living Years“ als zweitklassige Oktoberfest-Band -, bleibt kaum mehr Platz für Sprechgesang: Da gibt es wie immer Gutes madvillainv (Pias). Ergebnis der Doom/Madlib-Co-Produktion Madvitlain und the suckness tWarp/ Rough Trade) von Prince Po, der schon im ersten Song alle Kritikerlieblinge von den Beatles bis zu Black Sabbath namecheckt -, und Schlechtes – die nervigen Outerspace dito 1CNR1) -, und… und… mir wird komisch. Was fährt in diese Reimparade, mir so plötzlich ohne Gnade? Verzweifelt mart’re ich mein Hirn, ich kann mich nicht mehr konzentrier’n. Die Gedanken spielen verrückt, wird da etwas zurechtgerückt? Mich dreht’s, mich würgt’s, mir ist so fahl – da wach ich auf zum zweiten Mal! Weg sind der Schacht und auch die Platten, ich liege nicht mehr bei den Ratten. Der Koch ein Kerkermeister? Kaum. Dann war wohl alles nur ein Traum.