Kurz & live


Patrick Wolf im Lido, Berlin

Der ganz in Rot gekleidete Patrick Wolf – sogar die Haare sind rot – hat Vertrauen in sein Publikum. Den Abend eröffnet er mit zwei getragenen Stücken vom zu diesem Zeitpunkt noch nicht veröffentlichten neuen Album. Eine Weile bleibt er beim Pathos, pendelt zwischen Melancholie und Überschwang, und wirkt doch nie klebrig. Überhaupt toll, wie Wolf Widersprüchliches versöhnt: Er ist camp und authentisch, gespreizt und zugänglich, Dandy und Kumpel zugleich. Nach gut anderthalb Stunden, mittlerweile klingt er sehr gelöst, holt Wolf Alec Empire auf die Bühne: ein toll knallendes Finale. Das anschließende Bad in der Menge nennt er orgiastisch. Das Publikum sieht das ähnlich und steht ein bisschen verdutzt herum, als es plötzlich vorbei ist.

Stephanie Grimm

Fucked Up im Festsaal Kreuzberg, Berlin

Man ist nicht sicher, ob man das haben möchte: umarmt werden von Damian Abraham. Der wilde, smarte Kloß trägt seit Song drei keine Oberbekleidung mehr, er schwitzt und brüllt mit der Kraft einer Bikerhorde ins Mikrofon, schiebt sich unentwegt kreuz und quer und bis hinaus kurz vor die Eingangstür durchs Publikum und herzt und drückt die Punks wie die Indietypen, die ausgedehnt Tätowierten wie die Sommerkleid-Studentinnen. Der Rest der Band bleibt auf der Bühne und sieht ohne Damian auch ziemlich studentisch aus, circa die nächsten Death Cab For Cutie. Sie klingt nur anders: Der Lärm bricht fast nie ab, und die Präzision, mit der Fucked Up dennoch spielen, dient nur dazu, die Energie noch zu steigern. Es ist berauschend. Warum Damian den Autor nicht umarmt, obwohl er mehrmals direkt in der Fluchtlinie steht, längst auch im Sturm wogend? Einer wie Damian kann das vermutlich riechen: „Ah, ein Schreiberling!“ Schade.

Oliver Götz