Wolf von Tyler, The Creator


Die Künstler

Tyler Okonma alias Tyler, The Creator bietet sein neues Album WOLF in drei Versionen an, deren Artworks sich deutlich voneinander unterscheiden. Es gibt eine reguläre, eine digitale (iTunes-) und eine Luxus-Ausgabe, für die er den südkalifornischen Künstler Mark Ryden engagierte. Der malte schon Cover für die Chili Peppers (ONE HOT MINUTE) und Michael Jackson (DANGEROUS) und Bücher von Stephen King. Der 50-Jährige gilt als Erfinder des Pop-Surrealismus. Der wird der angeblich anspruchslosen „Lowbrow“-Kunst zugerechnet, die versucht, aus der Kombination von hochkulturellen mit hochkitschigen Elementen kreative Funken zu schlagen.

Der Junge mit dem BMX-Rad

Bei Ryden, der sich in seiner Farbgebung an neoklassizistischen Malern wie Jean-Auguste-Dominique Ingres orientiert, kommt immer auch ein irritierendes Moment hinzu. So wirkt der Junge, würdig dreinblickend wie auf einem Herrschaftsbildnis aus der Renaissance, mit seinem urbanen BMX-Rad in der Wildnis seltsam deplatziert. Das ist halb naives Landschaftsbild, halb Kinderbuchillustration. Gefährliche Tiere sind keine in Sicht. WOLF steht nur auf der Baseballmütze, die auf einem unproportional großen Kopf sitzt. Ein typisches Ryder-Merkmal: große Köpfe, denen jedoch alles Niedliche abgeht.

Fauna und Flora

Erst im Detail wird deutlich, wie abgründig dieses Idyll ist. Aus der Baumrinde blickt ein Auge, auf dem Ast lauert eine spatzengroße Biene – die umso bedrohlicher erscheint, da im Vordergrund ein ähnliches Insekt in realistischerer Größe zu sehen ist. Dazu ein albtraumhaftes Mischwesen aus Baumstumpf und Baby, das mit den Ästchenarmen winkt. Am Wegesrand eine Blume mit Kindergesicht, und im Hintergrund steht eine grinsende Comicfigur von der Größe eines Braunbären. Wie Unkraut wuchern im Vordergrund die Blumen des Bösen – Rosen, Orchideen, das halbe florale Vokabular der Renaissance.

Das „reguläre“ Cover

Mit dem regulären CD-Cover stellt Okonma seinen ausgefallenen Humor unter Beweis. Das Bild ist den professionellen Porträts nachempfunden, wie sie vor allem US-Fotostudios in den Neunzigern im Angebot hatten, vor allem für die Jahrbücher von Schulen. Damals war es der letzte Schrei, eine Großaufnahme mit einem geisterhaft in den diffus gehaltenen Hintergrund montierten „Idealbild“ zu kombinieren, das den Fotografierten mit einem charakteristischen Gegenstand zeigte. Im Internet haben sich diese Bilder inzwischen als lustige Meme einen festen Platz erkämpft. Das WOLF-Cover steht nicht nur in der Tradition dieser Awkward School Pictures, sondern bietet noch zwei zusätzlich komische Details: erstens das scheußliche Katzen-Hemd des hinteren Tyler. Und zweitens den roten kleinen Aspirator, den er in den Händen hält: Okonma ist Asthmatiker.

Das „digitale“ Cover

Das auf den ersten Blick schlichteste Cover ist schwarz-weiß, ein Porträt des Künstlers, wie er in die Kamera lacht. Aus der Unschärfe resultiert eine detailfreie Dynamik, die mit dem englischen Ausdruck „in your face“ treffend beschrieben wäre. Eine Direktheit, die auf Vinyl schon fast bedrohlich wirken dürfte – ihre Wirkung aber gerade im iTunes-Format entfaltet. Auf dem MP3-Player ist Musik bekanntlich nur noch Signatur und das Cover in der Regel kaum mehr als briefmarkengroßer Farbfleck zu erkennen. Nicht so im Fall von WOLF. Wirklich clever.