Kurz und klein


Wenn die Gebrüder Ween nicht gerade prima Nashville-Country-Lieder dudeln, schwer popprogrocken (ja, da machen wir jetzt mal keine Trennstrichlein rein) oder geilen 70s-Pop- bis Bombastrock weitgehend ohne Lachgas-Einspritzung spielen, rumpeln sie auch schon mal mit der Metal-Tonne um den Block. Wenn Dean Ween alias Mickey Melchiondo mit seinen Moistboyz muckt, wird schließlich nur noch gerumpelt. Das klingt dann auch auf ihrem neuen (bisweilen sogar politischen) Schweinerock-Schinken vi (Schnitzel/RoughTrade) nach Kiss und GWAR und Alice Cooper ohne Masken. Und straighten Butthole Surfers. Ja, und nach Schinken und Schnitzel eben. Sind wir nur froh, dass Mickey seine Boyz hat, um sich auszutoben – und freuen wir uns auf News von Ween. Wo die Kapelle Audrey die Sau rauslässt, bleibt unklar. Auf VISIBLE FORMS (Sinnbus/Alive) jedenfalls nicht. Da werden Klaviertasten angeschlagen, als hätten die jungen Menschen aus Göteburg vor allem Angst, das gute Stück könnte kaputt gehen. Und Stimmbänder, Cellosaiten, Schlagzeugfelle -das geht alles schnell mal kaputt! Für die Beobachtung fallender Blätter und erster Schneeflocken ist diese Musik nett. Aber irgendwie ist einem, als müsste jedes Blatt, jede Flocke auf visible forms erst fertig gefallen sein, bis dann die nächste startet. Da möchte man fast ein bisschen rütteln und schütteln … Auch Freund Raphelson macht uns noch kein Gestöber, aber es ist spürbar(er) Bewegung drin, in dem was das Mitglied der Schweizer Indieband Magicrays auf seinem Solodebüt HOLD THIS MOMENT STILL (Gentlemen/Alive) da am liebsten seiner auf dem Cover abgebildeten Schreibtischlampe anvertraut. Ein leichter Shuffle, ein Spieluhrenspiel hier, schwindsüchtig leierende Soundtrack-Synthesizer, dann noch ein Banjo-Pferdchen-Trapp-Trapp-Liedchen, und auch die zuweilen etwas brüchige Stimme, die keinen falschen, sondern nur richtigen Pathos kennt und sich über Hecker fast bis zu Amony und Daniel Johnston zu steigern weiß … – wenn schon Soloplatte, dann eben richtig solo, denkt sich der Mann. Fein! Das mag sich auch Elke Brauweiler droben in Berlin gedacht haben. Allerdings ist ja auch ihre Kapelle Paula inzwischen kaum mehr als ein Solovehikel der schönen Brauweilerin mit der tollen Schnute. AufTwisTA Saint TROPEZ (Königskinder Schallplatten/SPV) frönt die Sängerin zu vorzugsweise 8os-elektronischen Sounds ihrer Liebe zur französischen Sprache und zum Pop von ebendort: Frankreisch. France Gall, Mylene Farmer, Brigitte Bardot, Vanessa Paradis („Joe LeTaxi“ mal wieder…), Franchise Hardy, Stephanie von Monaco usw. covert sie auf traditionelle Brauweilersche Art: sanft gekühlt, so lala, bittersüß. Passtaiso ganz gut zudiesen Liedern. Offenbar weniger erwartbar (Gibt’s das eigentlich auch schon als Kneipenname – die „Erwartbar“?) als Elke Brauweilers Frankopop-Ausflug ist für Kenner das Debütalbum von Julian Smith. Die Kenner kannten Herrn Schmidt nämlich bislang als House- und Black-Music-D] aus/in Frankfurt. Doch statt nun die Beats in der very own Rille klopfen zu lassen, hat Smith ein Album gemacht, welches nicht umsonst den Titel BLACK POP (Vertigo/ Universal) trägt. Drauf ist beinahe angestrengt banalerund überproduzierter Radio-Pop mit Lalala-Melodien, zu denen der Mann schon bei Song zwei auch nur noch „Lalala“ im Refrain singt. Der Song heißt übrigens „La, la, la“. Bei der norwegischen Mädelsband Furia (Rachegöttinen; röm. Mythologie) kann man auch drauf warten, bis sich ihre nichtssagenden Texte aus der Rockklischee-Hölle in Aussagen wie „La, la, la“ oder „Hey, hey, hey“ erschöpfen. Da mag ihr in Kalifornien getuneter Vier-Mädels-Rock noch so dramatisch, rockistisch und sehnsuchtsvoll inszeniert sein: Eben die Radiosender, die die Julian Smiths dieser Welt am Nachmittag einhernudeln lassen, stopfen uns am Abend dann Musik von Platten wie PIECE OF PARADISE (von wegen!) in die Ohren! (Labels/EMI). Bäh, Lügen in Titeln und Namen gibt es auch bei Jomi Massage. Denn: from where no one belongs, i will sing … (Morningside/Cargo) ist mitnichten eine Platte, die Verspannungen lösl-von wegen Massage. Will nicht gleich behaupten: im Gegenteil. Aber ein bisschen exaltierte Soloplattenkurvigkeiten sind das schon, die einem die Dänin (Ex-Speaker Bites Me) da unter die Haut zu schieben versucht. Drei-Noten-Melodien auf dem Klavier (mit gefühlten vier „falschen“ Halbtönen darin), Streicher gegen das Fell, Percussionsinstrumente, die die Nerventreppe hinauf und hinunter poltern, eine vokale Darbietung, die nicht in erster Linie „Gesang“ (obwohl sie sowas kann, keine Frage!), nicht plump „schön“ genannt wissen will. So lange PJ Harvey nicht wieder aus ihrem Häuschen tritt, darf Miss Massage ja vielleicht ihre Planstelle haben… Und wenn wir schon dabei sind: noch mehr Musik, die im Subtext Parolen ruft wie „Entspannen kannst du dich immer noch, wenn du tot bist!“ Katerine, eben noch romantischer Nouvelle-Chanson-Barde, heute schon mit Konzeptalbum werfender Held in silbernen Riemchendamensandalen, kann zwar einwandfrei Viervierteltakt, Motorbässe und findet dank Sequencertaktung schnelle Wege von A über B nach C. Doch wer ein Album über „seinen Kampf gegen die wachsende Macht der Maschinen “ veröffentlicht (und es ROBOTS APRES TOUT nennt; Bungalow/PIAS/Rough Trade), will bestimmt nicht nur schnöde unterhalten mit seiner Musik. Der will vielmehr ein übergeschnapptes Frankopop-Album machen, das einem mit einem großen Happs den grotesken Gedanken wieder austreibt, Popper aus France hätten sich in den letzten Jahren dem Sound aus UK und den USA angenähert. Vielmehr kann man hier über Pop aus Frankreich endlich wieder den Kopf schütteln wie in den seligen 8oer Jahren. Nichts gegen Klischees zur besseren geographischen Einordnung haben auch The Be Good Tanyas aus Vancouver. Sie spielen romantischen, bodenständigen, überschaubar holzwurmigen Countryfolk (Banjo, Mundharmonika, nach Rosmarin duftender Gesang voll der Wehmut), dekorieren sich mit Blümchenkleid und Haargeflecht wie fürs Großfamilienptcknick und fotografieren sich ein Pterd ins Cover. Immerhin, sie interpretieren neben Neil Young „When Doves Cry“ von Prince – allerdings scheint es, als würde ihrem kaminfeuerwarmen Holzhüttensound bei Bedarf auch Kraftwerk, The Mars Volta und Justin Timberlake nicht auskommen können. Die Platte heißt übrigens HELLO LOVE (Nettwerk/Soulfood). Ja,auch hello! Etwas ätherischer, aber nicht weniger traditionell geht es Damien Juradoauf and now that i’m in your shadow (Secretly Canadian/Cargo) an. Der Sound klingt nach enger Wohnstube – aber wie sich mit Blick ins Booklet rausstellt, ist „Damien Jurado: Damien Jurado, Eric Fisher und Jenna Conrad“; auch wenn man die beiden anderen nur selten hört. Früher Young, M. Ward, Dakota Suite – Künstler, „Band“, Album spielen in dieser Liga der einsamen Herzen. Freilich hätte man das wohl auch schon über seine Songs von vor zehn Jahren sagen können. Aber solche Musik ist auch nicht gemacht, um sich mal eben einen abzuentwickeln. Da geht’s um Liebe, Freundschaft, um den Tod, die immer gleiche Leier, die immer gleichen Leiden. Nur konsequent also: die immer gleiche Musik.